Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 86
Es ist zu erwarten, dass in den kommenden Monaten der Flüchtlingsstrom aus Nordafrika zunehmen wird. Ich denke, dass es für uns, die wir uns alle vorgenommen haben, unsere Zeit primär für eine Verbesserung der Situation von Menschen zur Verfügung zu stellen, unerträglich sein muss, wenn, wie in den letzten Wochen, tausende Menschen, und zwar Kinder und Erwachsene, auf der Flucht ertrinken.
Die Ursachen dieser Tragödie sind vielfältig. Sie aber ausschließlich auf die Schlepper zu reduzieren, erfasst nicht die tatsächliche Breite der Problematik. Die EU muss ihre bisherige Flüchtlingspolitik ehest überdenken und unverzüglich wirksame Lösungen ausarbeiten, damit dieses Massensterben im Mittelmeer künftig möglichst verhindert wird. Bundespräsident Dr Heinz Fischer bezeichnete es bei einer Gedenkveranstaltung zu Recht als monströse Katastrophe.
Ich ersuche Sie daher, sich zu einem Gedenken an die Toten des Zweiten Weltkriegs, verursacht durch den Nationalsozialismus, sowie den Genozid an den Armeniern und die viel zu vielen ertrunkenen Flüchtlinge für eine kurze Gedenkminute von Ihren Plätzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen und verharren einige Zeit in stillem Gedenken.)
Ich danke. (Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)
Wir kommen nun zur Fragestunde.
Die 1. Frage (FSP - 01166-2015/0001 - KSP/GM) wurde von Herrn GR Siegi Lindenmayr gestellt und ist an den Herrn amtsführenden Stadtrat der Geschäftsgruppe Bildung, Jugend, Information und Sport gerichtet. (Was ist Soziale Arbeit im öffentlichen Raum?)
Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf StR Christian Oxonitsch: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Sie fragen mich, was soziale Arbeit im öffentlichen Raum in Wien, für Wien letztendlich bedeutet. Es ist dies eine Frage, mit der sich gerade auch in den vergangenen Wochen und Monaten die fünf in diesem Handlungsfeld tätigen Geschäftsgruppen sehr intensiv auseinandergesetzt haben, wobei sie ressortübergreifend in einem sehr partnerschaftlichen Prozess eine gemeinsame Position für diesen für die Stadt sehr wichtigen Bereich der sozialen Arbeit im öffentlichen Raum erarbeitet, aber auch schriftlich festgehalten haben. Damit wurde die Haltung der Stadt Wien zur sozialen Arbeit im öffentlichen Raum ausgedrückt.
Wien ist, und wir bekennen uns dazu, auch im Bereich der sozialen Arbeit natürlich eine weltoffene, eine pluralistische Metropole, die auf Vielfalt und gemeinsame Verantwortung baut, sowohl historisch als auch gegenwärtig, und sie ist von Internationalität und Diversität geprägt. Die Stadt Wien verfolgt hinsichtlich der sozialen Arbeit des Zusammenlebens traditionell eine Politik der Akzeptanz, der Integration, der Inklusion und auch - sehr wesentlich! - der Prävention.
Partizipation als wichtiges demokratisches Element ist eine zentrale Voraussetzung für Inklusion auch von marginalisierten Menschen in unserer Gesellschaft. Das bedeutet, dass alle Menschen, auch jene, deren Handlungsoptionen durch soziale Ungleichheiten eingeschränkt sind, hinsichtlich der gesellschaftlichen Teilhabe entsprechend unterstützt werden.
Die gemeinsam getragene Verantwortung sowie die aktive Beteiligung und Mitgestaltung machen unsere Stadt lebenswert und sicher, und das bestätigen uns ja auch immer wieder die diversen internationalen Auszeichnungen.
Wo findet diese soziale Arbeit im öffentlichen Raum statt? - Es gibt hier in der Stadt bekanntermaßen eine Vielzahl von Einrichtungen, die auf unterschiedliche Thematiken und Problemlagen spezialisiert sind und für alle Bevölkerungsgruppen, von Kindern bis zu älteren Menschen, entsprechend zuständig sind.
In meinem Bereich, im Bereich der Kinder und Jugendlichen, werden direkt Kinder und Jugendliche an den Aufenthaltsorten erreicht und unterstützt. Dies erfolgt durch Organisationen wie zum Beispiel die aufsuchende und mobile Jugendarbeit JUVIVO, Kiddy & Co und viele andere Vereine, aber auch durch die Wiener Parkbetreuung, durch die Wiener Jugendzentren, den Wiener Familienbund, die Wiener Kinderfreunde oder auch durch die entsprechenden Fair-Play-Teams.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Organisationen beraten Kinder und Jugendliche und deren Bezugspersonen in Notlagen schnell und vor allem direkt. Und gerade die MitarbeiterInnen sind durch die Begegnung in jenen Örtlichkeiten und Räumen, in denen sich junge Menschen aufhalten, ja ein ganz wesentlicher Transmissionsriemen auch der vielfältigen Hilfsangebote, die es in der Stadt für junge Menschen gibt. Bei der Begegnung unterschiedlicher NutzerInnen und Interessengruppen im öffentlichen Raum wird gerade über diese Institutionen auch entsprechend vermittelt.
Es gibt aber auch im Bereich der Gemeinwesenarbeit und der sozialen Arbeit entsprechende Organisationen wie zum Beispiel die Wohnpartner, die Suchthilfe Wien mit SAM und „help U“, die Gebietsbetreuungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der MA 17 für interkulturelle Projektarbeiten, aber auch Wiener Wohnen, die Wohnungslosenhilfe.
Insgesamt arbeiten in diesem Bereich mehr als 800 Menschen in den unterschiedlichsten Bereichen im öffentlichen Raum für die Wiener und Wienerinnen und sind letztendlich für ihre Bedürfnisse und Bedarfe entsprechend tätig. Manche MitarbeiterInnen sind saisonal beschäftigt, wie zum Beispiel im Bereich der Parkbetreuung, andere wiederum arbeiten im öffentlichen Raum, aber auch in entsprechenden Einrichtungen, zum Beispiel im Bereich der Wohnungslosenhilfe.
Die Grundsätze der sozialen Arbeit sind, dass die Stadt Wien den öffentlichen Raum als einen sozialen Raum versteht - auch mit der entsprechenden Bedeutung, der nicht zuletzt auch durch gesellschaftliche Machtverhältnisse strukturiert ist. Daher ist er auch ein Ort für die Aushandlung von Werten, von Interessen und von entsprechenden Lebensführungen. Der öffentliche Raum unterliegt bekanntermaßen unterschiedlichen und vielfältigen Nutzungsansprüchen, und er steht allen gleichermaßen zur Mitgestaltung offen. Dies ist ein
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