«  1  »

 

Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 27 von 86

 

Baustadträtin in der Stadt Salzburg und bin daher, natürlich in einem wesentlich kleineren Maßstab, durchaus noch mit den Segnungen der Stadtpolitik vertraut. Ich kann mich noch ganz gut daran erinnern, als ich ganz frisch in meinem Amt war, dass mir meine damaligen Mitarbeiter von der elektrischen Beleuchtung gesagt haben, dass die Umstellung der Lichtsignalanlagen, also der Ampeln, auf LED so teuer ist, dass sich die Stadt Salzburg nur fünf im Jahr leisten konnte. Zur damaligen Zeit hatten wir ungefähr 15 derartige Anlagen. Drei Tage später bin ich dann nach Wien gefahren quer durch die ganze Stadt zum Jedleseer Friedhof und war ganz erstaunt zu sehen, dass ganz Wien ausschließlich LED-Licht-Verkehrssignalanlagen hatte, wo ich dann natürlich entsprechend neidisch war. Ganz wichtig für mich zu sagen ist, dass ich ein ganz erklärter Fan der Lokalpolitik bin, weil wo sonst kommt man so viel mit Bürgern in Kontakt, wo sonst gibt es so viel Mitsprache, gewollte oder auch ungewollte, und wo sonst kann man auf kurzem Wege wichtige Informationen transportieren?

 

Wo sonst hat man es auch mit so viel Emotionen zu tun, mit den sogenannten Aufregern, wenn ich, wie Sie wahrscheinlich schon oft darüber gesprochen haben, jetzt in Wien die Mahü anspreche oder in Salzburg die Lokalbahn oder Radwege, Baustellen, und so weiter, und so fort. Die Europapolitik ist da eher unemotionaler, wenn es sich nicht gerade um hochbrisante Themen und Aufreger wie TTIP im Moment oder Dauerbrenner wie Atomkraft oder Gentechnik handelt. In meiner ehemaligen Arbeit als Stadträtin bin ich nicht wirklich mit der Europäischen Union in Berührung gekommen. Dafür versuche ich jetzt ganz dringend, mit der Stadtpolitik in Kontakt zu bleiben und sie mit der EU zu verknüpfen, die ja einiges von den Städten verlangt.

 

Wussten Sie, meine Damen und Herren, dass laut dem aktuellen Weißbuch „Verkehr“ in gerade einmal 15 Jahren der konventionelle Autoverkehr halbiert werden soll und in 35 Jahren kein konventionelles Auto mehr in Städten verkehren soll? Und bevor jetzt die Kollegen der GRÜNEN vor fiebriger Begeisterung von den Stühlen kippen, muss ich jedoch anmerken, dass es wenig bis gar keinen Fortschritt in diese Richtung gibt und auch nicht geben wird, da es hier, wie leider häufig, so ist, dass die EU die Bürger nicht mitnimmt auf diesem Weg, schon gar nicht die Bürger in Süd- und Osteuropa, denn dort gibt es drängendere Probleme. Ich kenne auch keine einzige Stadt, die einen validen Aktionsplan für diese Forderungen aus dem Weißbuch „Verkehr“ hat beziehungsweise an der Formulierung der Ziele mitgearbeitet hat. Obwohl sich die Union dazu verpflichtet hat, stärker auf Regionen und damit auch auf Städte einzugehen, das Subsidiaritätsprinzip auch unterhalb der Mitgliedstaatenebene mit Leben zu erfüllen, gibt es bislang wenig oder auch keinen Austausch zwischen den EU-Organisationen und Vertretern der Städte zu diesen so wichtigen Themen.

 

In der alltäglichen Rolle beschäftigen wir uns im EU-Parlament mehr damit, wie man die Verhinderungspolitik mancher Nationalstaaten brechen kann als mit den Bedürfnissen der Städte und Gemeinden. Trotzdem werden Maßnahmen diskutiert und beschlossen, die auf den Bürger und damit auf sein unmittelbares politisches Umfeld massiven Einfluss haben. Es liegt an den Ländern und an den Städten, Lobbying zu betreiben und Europa auch in der alltäglichen Arbeit mitzudenken. Wir in Brüssel können eine große Hilfe sein. Es besteht jedoch auch die Gefahr, dass Maßnahmen beschlossen werden, die diametral den Zielen der Städte entgegenstehen. Viele osteuropäischen Städte, Länder und Kommunen betreiben aktives Lobbying bei der EU, nur Österreich hält sich hier vornehm zurück. Hier sollten wir alle, egal, welcher politischen Richtung wir angehören, beginnen umzudenken. Blicke über den jeweiligen Tellerrand sind also selten möglich. Der wichtige und eigentlich selbstverständliche Meinungsaustausch kommt dadurch zu kurz. Das ist ineffizient. Erstaunlicherweise wird vom Bürger unisono und selbstverständlich erwartet, dass er sich mit allen Ebenen auseinandersetzt und differenziert denkt. Das passt einfach nicht und das passt so lange nicht, bis wir Politiker beginnen, die Europäische Union genauso wie die Stadt als Teil unseres Systems zu verstehen. Nach 20 Jahren EU-Mitgliedschaft müssen wir vorerst feststellen, wir hatten einen guten Start, und nun beschädigen wir aber dieses einzigartige Projekt, indem wir es nicht bewahren und ausbauen, sondern in der alltäglichen Arbeit fast ignorieren. In Sonntagsreden oder absolut begrüßenswerten Veranstaltungen wie dieser hier gibt es dann die üblichen Utopisten auf der einen Seite und das bekannte EU-Bashing von links und rechts außen. Die Lust an einer wirklichen politischen Diskussion ist aber leider auf beiden Seiten enden wollend. Genau das spiegelt das heutige Thema wider: „20 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs, Wohlstand für alle sichern, in die Zukunft und in den Frieden investieren“. Was heißt das? Verkürzt heißt das nichts anderes als Friede, Freude, Eierkuchen und alles ist in Ordnung. Das Thema klingt nett, tut mit Sicherheit keinem weh, es interessiert aber auch nicht besonders viele Menschen außerhalb dieses Raumes und hier herinnen wahrscheinlich nur für die Dauer der Veranstaltung, wenn überhaupt. So lange wir das nicht ändern, verschenken wir Möglichkeiten, beziehungsweise noch schlimmer: Es werden in Europa Vorgaben gemacht, die sich an einem Input orientieren, der selten eine österreichische Komponente aufweist.

 

Aber zurück zum Thema. Wer sperrt sich gegen Investitionen in die Zukunft und wer will gegen Frieden argumentieren? Ich nehme an, dass um die 95 Prozent der hier im Raum Anwesenden wenige Probleme mit Frieden, Wohlstand oder Zukunft haben. Es sind wohl auch die drei Schlagworte, die man unter „feel, good, overkill“ subsumieren kann. Interessanter für uns und für unseren tatsächlich politischen Output und vor allem für die Bürger wird es erst, wenn man sich über das Wie unterhält. Wie erreicht man nun diese erstrebenswerten Ziele? Tatsache ist, diese Frage können wir nur durch eine verstärkte Diskussion zwischen Union, Bund, Ländern und Gemeinden versuchen zu beantworten gemeinsam mit den Bürgern. Und am Schluss muss eine Position stehen. Bis jetzt ist es so, dass die österreichische Position der kleinste gemeinsame Nenner ist und

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular