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Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 86

 

dementsprechend wenig kann man auf europäischer Ebene ausrichten. Nicht von ungefähr ist von Merkel das Bonmot überliefert, dass der österreichische Regierungschef mit keiner Meinung kommt und mit der deutschen Meinung wieder geht. Der EU beizutreten und diese auch in politische Zukunftsplanungen weitgehend links liegen zu lassen beziehungsweise auf österreichische Art freundlich zu ignorieren, ist und war nicht die schlaueste Herangehensweise. Was wir brauchen, ist eine aktive Politik. Was wir brauchen, ist eine Meinung. Und wir müssen definieren, wie wir den erreichten Wohlstand sichern wollen und wie wir Investitionen in die Zukunft tätigen wollen. Nur dann können wir auf europäischer Ebene die Interessen unserer Bürger dementsprechend würdigen und nur dann können wir von europäischen Initiativen wirklich auch profitieren.

 

Ich erwähne das aus einem ganz einfachen Grund: Jeder redet im Moment vom sogenannten Juncker-Fonds. Jene 315 Milliarden EUR sind vornehmlich aus der Privatwirtschaft, genauer von den Pensions- und Hedgefonds, die momentan wie eine Erlöserfigur durch die Mitgliedsstaaten getragen werden. Alle Probleme des Kontinents sollen damit überwunden werden, munkelt man, und dementsprechend mystifiziert findet die Debatte darüber statt. Solche Erwartungen gehen aber in den seltensten Fällen in Erfüllung. Dieser Fonds, der EFSI, ist eigentlich ein ganz normales Finanzinstrument, das die Europäische Investitionsbank in ähnlicher Form bereits mehrfach operativ betreibt. Das Neue ist jedoch die Risikoabdeckung, um privates Kapital in Projekte zu lenken, die sonst nur mit Steuergeld zu verwirklichen wären. Der Fonds selbst verfügt über ein Gesamtvolumen von 21 Milliarden EUR aus dem EU-Haushalt sowie 5 Milliarden EUR, die von der Europäischen Investitionsbank eingespeist werden. Damit sollen 60 Milliarden EUR Kapital von den Finanzmärkten eingeworben werden. Diese wiederum sollen in Projektbeteiligungen bis 20 Prozent fließen, sodass insgesamt eine 15-fache Hebelwirkung der öffentlichen Mittel erzielt wird. Italien, Frankreich … (GR Mag Wolfgang Jung: Das glauben Sie?) Ja, Italien, Frankreich, Deutschland und Polen - (GR Mag Wolfgang Jung: Und das glauben Sie?) ich erkläre es gleich - werden auf nationaler Ebene jeweils noch Geld hinein tun, nämlich 8 Milliarden EUR, und Spanien 1,5 Milliarden EUR. Die Verhandlungen zwischen den Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament sollen bis zum Sommer abgeschlossen werden, sodass der Fonds möglichst schnell seine Arbeit aufnehmen kann. In Brüssel, meine Herren, wird mit Hochdruck verhandelt und am Montag wurden im Parlament über 3 500 Änderungsanträge zum EFSI abgestimmt und ein Verhandlungsmandat erteilt. Die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten haben ebenso diese Woche begonnen. Trotzdem, wenn man jetzt rechnet: 315 Milliarden dividiert durch 28 Mitgliedsstaaten ergeben nur mehr 11,25 Milliarden. Wenn man jetzt die Größe der verschiedenen Mitgliedsstaaten nach dem Bevölkerungsschlüssel errechnet, verbleiben für Österreich 5,21 Milliarden und das für 3 Jahre. Das bedeutet, wir haben tatsächliche Investitionen von nicht einmal 2 Milliarden pro Jahr. Das ist zwar bei Gott nicht schlecht, es wird uns aber auch nicht in eine neue Zukunft katapultieren. Ungeachtet dessen planten aber schon jedes Land und viele Städte, wie dieses Geld ausgegeben werden kann, bevor der Fonds überhaupt steht und rechtlich ausformuliert ist. Ich bin mir nicht sicher, ob es auch in Wien bereits Überlegungen und Begehrlichkeiten dahin gehend gibt.

 

Es wäre allerdings im höchsten Maße begrüßenswert. Da der Fonds aber darauf baut, privates Kapital zu mobilisieren, wird es leider für einige ein trauriges Erwachen geben. Über die Investitionen entscheiden nämlich immer noch die Geldgeber. Welche Projekte verwirklicht werden, haben wir als Politiker leider nicht in der Hand. Somit ist eine kluge und sorgsame Vorbereitung unabdingbar.

 

Was wir allerdings gänzlich in der Hand haben, ist etwas anderes und soll zumindest erwähnt werden. Es gibt vom Kommissionspräsidenten Juncker für die kommenden fünf Jahre einen Zehn-Punkte-Plan mit dem Titel „Wachstum ohne Schulden“. Hier müssen wir politisch arbeiten, hier müssen wir uns um das Wie streiten, um zu einem Ergebnis zu kommen. Dieser Plan ist nicht 315 Milliarden EUR schwer, sondern wirft 1 700 Milliarden EUR pro Jahr in die Waagschale, 1 700 Milliarden EUR, die sogenannte Ineffizienzen im europäischen und nationalen Regelwerk sind. Nur ein Beispiel aus der Praxis: Ich habe in Salzburg zum Beispiel die elektronische Vergabe von Bauaufträgen eingeführt. Wenn das quer durch Europa so gemacht würde, wird hier eine Ersparnis von 150 Milliarden EUR angenommen. Diese Summe haben wir als Politiker in der Hand zu realisieren, müssten uns jedoch gemeinsam auf ein Wie einigen.

 

Wenn man in Brüssel mit Vertretern des sogenannten Großkapitals redet, und ganz unabhängig davon, ob Pensions- oder Hedgefonds, der Tenor ist immer derselbe, ich zitiere hier wörtlich: „Wir brauchen kein öffentliches Geld. Wir brauchen keine PPP-Modelle. Was wir brauchen, sind einheitliche Spielregeln und nicht 28 verschiedene. Und solange es diese nicht gibt, investieren wird lieber in China oder Amerika.“ Wäre Europa ein wirklicher einheitlicher Markt, dann würden die Leute auch investieren. Jetzt stimuliert unser Geld, unsere Pensionsfonds, die Wirtschaft in Asien und Amerika. Das ist absurd. Wenn wir unseren Wohlstand sichern wollen, wenn wir in die Zukunft und in den Frieden investieren wollen, dann müssen wir Regeln vereinheitlichen. Dann müssen wir unsere Märkte öffnen und wirklich einmal europäisch denken. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Im Folgenden möchte ich mich auf die Herausforderungen im Bereich des Verkehrs und der Infrastrukturmaßnahmen beschränken. Neben der Tatsache, dass ich in diesen Bereichen tätig war und nun im Europäischen Parlament auch bin, handelt es sich um einen Bereich, der hohe Investitionskosten verlangt und somit mehr als geeignet ist, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, andererseits weil ein einheitlicher Wirtschafts- und Währungsraum auch einen einheitlichen Verkehrsraum braucht, um wirklich effizient zu funktionieren.

 

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