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Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 86

 

wirklich fragiler in ihrer Existenz, als viele glauben. (GR Mag Wolfgang Jung: Das stimmt!) Wenn wir die EU nicht substanziell verändern - ich habe das wiederholt von diesem Pult aus gesagt -, dann werden wir die europäische Idee nicht retten. Und wenn wir keinen substanziellen Kurswechsel, sozial, demokratisch und ökologisch, herbeiführen, dann wird es eher in Richtung Renationalisierung und weiterer Desintegration gehen und werden wir immer weniger Menschen gemeinsam davon überzeugen können, was denn die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft sind.

 

Ich denke, wenn man sich die öffentliche Diskussion anschaut - wir haben das hier schon einige Male diskutiert -, spielt sich die Europadebatte sehr auf einer gewissen Boulevardebene ab und entbehrt sehr oft einer seriösen Grundlage. Da werden Details, und ich will sie nicht als unwichtig erklären, wie die angebliche Gurkenkrümmung, die neuen Glühbirnen oder Antiallergiekennzeichnungen - sie sind nicht unwichtig, aber das meine ich nicht - lang, breit und stundenlang in öffentlichen Fernsehdebatten, in allen Medien diskutiert, während aber die wichtigsten Aspekte der EU meiner Meinung nach im alltäglichen Leben kaum ankommen. Das ist einerseits eben der Gedanke der europäischen Solidarität, andererseits die meiner Ansicht nach unumstrittene Rolle als Friedensprojekt, zumindest historisch, und als Bewahrerin von Werten wie Toleranz und Meinungsfreiheit, zumindest in der Theorie.

 

Ich weiß als EU-Kritikerin, aber dennoch überzeugte Europabefürworterin, dass es uns die EU mit ihrer Politik nicht immer leicht macht. Mir macht sie es nicht immer leicht, die EU auch würdig zu verteidigen. Denn wir sehen enorme Defizite im Bereich der Solidarität, im Umgang mit Flüchtlingen, der steigenden Armut und im Versagen beim Kampf gegen Ungleichheiten, was ich vorhin schon angesprochen habe, aber auch bei der Verteidigung der Demokratie und der Meinungsvielfalt. Wenn wir in unser Nachbarland Ungarn schauen, wo immer noch sehr zahnlos mit Viktor Orban umgegangen wird, der die Demokratie, die Medienfreiheit, die Meinungsvielfalt eigentlich abschafft, so ist er aber immer noch problemlos Mitglied in der größten Fraktion des Europaparlaments, nämlich der Fraktion der Volkspartei. Ich denke, da dürfen wir nicht gemeinsam wegschauen, wenn der Rechtsstaat ausgehöhlt und die Demokratie in unserem Nachbarland abgeschafft wird!

 

Dennoch, trotz all dieser Unzulänglichkeiten in der Verfasstheit der Europäischen Union und der aktuellen Politik der Europäischen Union - beziehungsweise gibt es die EU ja nicht, es ist die Summe der Staats- und Regierungschefs, des Europaparlaments, und so weiter, und so fort, also, die EU ist in Wahrheit nichts Abstraktes, das sind wir schon alle, die da gemeinsam wirken -, hat die EU etwas erreicht, das für mich in jedem Fall ausreicht, ihre Daseinsberechtigung auf das Entschiedenste zu verteidigen und zu legitimieren. Das ist die Überwindung der historischen Spaltung Europas. Ich denke, das historische Projekt einer Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich stand am Beginn der europäischen Einigung. Dann gab es verschiedene Schritte in Richtung Osterweiterung 2004, 2007 und 2013. Ich mag das Wort Osterweiterung eigentlich nicht, aber es ist nun einmal die offizielle Terminologie. Und wer weiß, wie Konflikte heute zwischen Serbien und Kroatien, Ungarn, Rumänien, der Slowakei oder innerhalb Mazedoniens ausgetragen werden würden, wenn nicht eine Beitrittsperspektive des Westbalkans zumindest in der Diskussion stünde und eine Perspektive für diese Länder wäre oder einige Länder nicht bereits Mitglied in der Europäischen Union wären. Wir brauchen nur in die Ukraine zu schauen, dass wir sehen, wie fragil der Friede in Europa ist und dass wir den Frieden tagtäglich aufs Neue nicht nur bewahren, sondern erkämpfen müssen. Auch das ist ein Ziel der Europäischen Union und nicht selbstverständlich. Manchen jungen Menschen, für die die Europäische Union selbstverständlich ist, ist es schwierig, zu sagen, wie wichtig es ist, alles zu bewahren und wieder zu erkämpfen, einerseits den Frieden und andererseits die Demokratie in Europa.

 

Ich denke, es muss uns eine gemeinsame Hauptaufgabe sein, einen Perspektivenwechsel zu einem gesamteuropäischen Denken mit entsprechender Diskussionskultur zu schaffen. Der steigende Populismus und auch der steigende Nationalismus in Europa bieten hier sicher keine Lösungen an. Es gibt kein einziges europäisches Problem, wo die Rechtspopulisten, Nationalisten und Fraktionslosen im Europäischen Parlament wirklich tragfähige und nachhaltige Lösungen anbieten können. Im Gegenteil, ich denke, zurück zum Nationalstaat und das Kokettieren mit einem Austritt aus der EU sind nicht nur fahrlässig, sondern vollkommen an der Realität vorbei. Eine Insel der Seligen sind wir als Nationalstaat schon lange nicht mehr. Probleme wie deren Lösungen haben transnationalen Charakter. Sie sind grenzüberschreitend. Abschottung und Grenzen dicht ist Vergangenheit. Integration und gemeinsame Zusammenarbeit ist die Zukunft.

 

Ich denke, eine gute und enge Zusammenarbeit, auch zwischen dem Europaparlament und diesem Haus, ist etwas, was wir in Zukunft für ein soziales, für ein bürgerInnennahes, für ein ökologisches Europa, für Frieden, für ein gutes Leben für alle und für starke Städte praktizieren wollen! - Danke. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ sowie von GRin Ingrid Korosec.)

 

Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist Herr EP-Abg Vilimsky. Ich erteile es ihm.

 

12.19.24

EP-Abg Harald Vilimsky | (FPÖ): Herr Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Meine Damen und Herren!

 

Schönen Dank für das Wort. Ich möchte mich ganz besonders bei meiner Fraktion bedanken, die mir heute die Gelegenheit gegeben hat, über Fragen der Europapolitik zu sprechen. Ihr seid eine hervorragende Fraktion! Und ihr seid in diesem wichtigen Wahljahr auf der Überholspur und eröffnet damit auch die Möglichkeit, dass all diese rot-grüne Tristesse, dieser rot-grüne Stillstand, diese Schuldenpolitik und all die Widrigkeiten, die das rot-grüne Bündnis über Wien gebracht haben, beendet werden können. Damit Glück auf! Kraft meiner Möglichkeiten werde ich euch bestmöglich dabei unterstützen! (Beifall bei der FPÖ. - GR Heinz Hufnagl: Sprechen Sie

 

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