Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 44 von 86
schen Diskussionen, ich habe das immer gern an praktischen Beispielen vor mir, wenn ich über Konzernbesteuerung diskutiere, damit man auch wirklich weiß, was das ist.
Mir ist das so bewusst geworden - ich bin vielleicht nicht so zahlenbewandert wie andere da herinnen -, aber mir ist das einmal in London bewusst geworden. Ich war bei einer Kaffeehauskette mit grünem Emblem und habe dort einen Kaffee getrunken. Ich bin eigentlich wegen dem Wi-Fi-Anschluss hineingegangen und habe dann einen Kaffee bestellt, in einem Anflug von - ja, ich gebe es zu - Diätwahn ohne Milch und ohne Zucker. Ich habe dann einen Becher heißes Wasser mit schwarzer Farbe bekommen und habe für diesen Becher 7 Pfund bezahlt. Das sind in echtem Geld fast 10 EUR. Heißes Wasser schwarz: 10 EUR!
Ein bisschen später habe ich in einer englischen Zeitung gelesen, dass es in Großbritannien eine Diskussion darüber gibt, dass Starbucks - Entschuldigung, jetzt habe ich den Namen genannt, aber Sie haben das vielleicht ohnehin schon vermutet -, dass Starbucks keine Gewinne in Großbritannien macht und deshalb keine Steuern zahlt. Jetzt habe ich mir gedacht: Die verlangen für heißes Wasser 10 EUR und machen keine Gewinne - hallo, da stimmt doch etwas nicht! Entweder das Management ist komplett daneben, oder es ist etwas anderes.
Dass bei einem derartigen Konzern das Management daneben ist, kann man ausschließen, zumindest großteils, also ist es etwas anderes. Starbucks und wie sie alle heißen sind in der Lage, die Unterschiedlichkeiten der Steuersysteme der Mitgliedstaaten so auszunützen, dass sie mit Verschiebungen von Gewinnen, mit Geld Herumschicken, mit Bilanzen Herumschicken in ganz Europa, in der ganzen Europäischen Union keine Steuern mehr zu zahlen brauchen!
Und da gibt es manche, die davon reden, dass man die Kompetenzen von der EU wieder zurückverlegen soll - nein, in diesen Bereichen sind sie zur EU hinzuverlegen. Wenn wir uns mit den Großen anlegen wollen, braucht es beispielsweise europäische Kompetenzen in der Konzernbesteuerung, geschätzte Damen und Herren! Anders wird es nicht gehen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Aber man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass es dort, wo es europäische Kompetenzen gibt, manchmal auch falsche Entscheidungen gibt. Ich stimme mit denen überein, die sagen, diesem transatlantischen Freihandelsabkommen jetzt zuzustimmen, wäre ein Fehler. Ich stimme aber nicht denen zu, die sagen, man hätte mit den Amerikanern überhaupt nicht zu verhandeln brauchen. Das ist meines Erachtens Unsinn. Mit jedem muss man einmal verhandeln, mit jedem muss man einmal überlegen, ob man sich gemeinsam verbessern kann.
Aber wenn sich ein Abkommen in eine Richtung entwickelt, wo es nicht mehr ein Abkommen zwischen zwei Staaten ist und dieses Abkommen denen, die hart für ihr Geld arbeiten, nützt, sondern wenn es ein Abkommen zwischen den großen Konzernen auf beiden Seiten des Atlantiks ist, die allen anderen ihre Regeln aufdrücken wollen, dann ist so ein Abkommen abzulehnen, geschätzte Damen und Herren! Dann brauchen wir so etwas nicht. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Es ist meines Erachtens nicht rechtsstaatlich, wenn private Schiedsgerichte in der Lage sind, Entscheidungen von demokratischen Gremien, von legitim gewählten demokratischen Gremien aufzuheben. Es ist rechtsstaatlich nicht zu rechtfertigen, wenn große Konzerne vor der Gesetzgebung durch diese Institutionen in der Lage sind, Gesetzgebung zu beeinflussen. Es ist nicht hinzunehmen, dass ausländische Investoren durch diese Mechanismen besser gestellt werden als inländische Investoren.
Es gibt genug Beispiele, wie diese ISDS funktionieren. Ich habe mir selber eines überlegt, ein ganz einfaches. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen sich ein Auto; das passiert ja manchmal. Das ist eine inländische Investition, eine inländische Investition mit gewissen Vorstellungen. Eine Vorstellung ist zum Beispiel, Sie sind schon ein bisschen älter und können nicht mehr so gut einsteigen; dann wird es halt ein höheres Auto. Weil man ein bisschen angeben will, wird es ein SUV - wegen dem vielen Schnee in der Großstadt kauft man sich das ja -, und weil der Diesel billiger ist, wird es eines mit Dieselantrieb. Sie haben also eine Investition mit gewissen wirtschaftlichen und gesamten Folgenabschätzungen getätigt.
Dasselbe macht - jetzt nehmen wir nicht Starbucks, jetzt nehmen wir irgendwen anderen - ein internationaler Konzern für die Dienstwagenflotte in Österreich. Dort kaufen sie auch, was weiß ich, 50 SUVs aus diversen Gründen. Dann passiert das größte anzunehmende Unglück für diese Investoren: Es gibt Wahlen, es gibt eine neue Regierung. Diese neue Regierung meint: Na ja, erstens wird Diesel so viel verwendet, den müssen wir jetzt ein bisschen höher besteuern, da kommt ein bisschen was herein; SUVs wollen wir sowieso nicht, denn die verparken alles und stehen im Weg herum, deshalb kriegen die auch irgendeine höhere Steuer.
Plötzlich rentiert sich ihre Überlegung nicht mehr. Das Ganze ist aber legitim geändert worden, demokratiepolitisch einwandfrei geändert worden. Was macht der Konzern mit seiner Dienstwagenflotte? Er könnte zu einem privaten Schiedsgericht gehen und sagen, ich bin in meinen wirtschaftlichen Vorstellungen getäuscht worden, deshalb klage ich jetzt die Republik. - Und was können Sie tun? Sie können zum Bezirksgericht Meidling oder sonst wo hingehen, aber zu keinem Schiedsgericht.
Das, geschätzte Damen und Herren, ist einfach ungerecht, und so etwas brauchen wir nicht! Wo es funktionierende Rechtssysteme gibt - das ist in Europa und das ist in den Vereinigten Staaten der Fall -, dort braucht es keine Schiedsgerichte. Das muss man einmal ganz offen ansprechen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Ich glaube, wenn man jetzt 20 Jahre EU-Mitgliedschaft passieren lässt und überlegt, was das für die Republik Österreich bedeutet hat, ist meines Erachtens einiges zu diskutieren. Was aber am interessantesten ist, finde ich, ist, dass sich Österreich in seiner Gesamtstruktur massiv verändert hat.
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