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Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 47 von 86

 

cetera. Was haben diese Menschen für Vorteile, wenn sie so viele Regeln dazubekommen?

 

Das ist, glaube ich, etwas, was wir uns schon überlegen müssen. So sind die Thematiken, und daher haben wir auch, glaube ich, ein Problem, es den Leuten klar zu machen. Die Thematiken gehen immer nur über Banken, Großkonzerne, Industriebetriebe, et cetera - und dann hängt man unten noch den Bäcker an, der in TTIP verkaufen wird in den USA. Na, das möchte ich selber sehen, wie das Croissant ankommt von meinem Bäcker am Eck, oder wie er die Kontakte knüpft! Ich glaube, wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir auch diese Themen behandeln. - Das ist einmal mein erstes Anliegen.

 

Das zweite ist, dass wir unser Selbstbewusstsein heben und Unabhängigkeit schaffen. Ich kann es bereits nicht mehr hören, dass wir pausenlos von den Amerikanern bewertet werden. Wieso bewertet Moody's unsere Banken, unsere Länder und unsere Unternehmen? Und wieso hat das eine Auswirkung auf unsere Wirtschaftskraft und auf die Wirtschaftskraft der einzelnen Staaten?

 

Das gefällt mir nicht, hier müssen wir aufholen. Wir müssen dem etwas entgegensetzen. Wir sind jetzt lange genug Europäische Union, dass wir selber unser eigenes Moody's, unsere eigene Bewertungsorganisation und -gruppe haben können.

 

Ich glaube auch, dass es nachhaltig und für die Bevölkerung erkennbar Konsequenzen geben muss, wenn einfach abgehört wird, wenn Chips geknackt werden, wenn Unternehmen abgehört werden, wenn Personen abgehört werden. Wieso ist das so gestattet, dass man dann freundlich um ein Abkommen miteinander ohne Weiteres verhandeln kann?

 

Das verstehen die Menschen auf der Straße nicht. Auf diese Themen werde ich pausenlos angesprochen, und ich glaube, hier muss es Antworten geben. Das hängt schon mit einer Identität und mit einem Selbstbewusstsein zusammen, auch mit einer Unabhängigkeit, die man, obwohl man miteinander handelt und Waren tauscht, trotzdem behalten muss.

 

Es ist so, dass Frieden, Freiheit und Stabilität nicht selbstverständlich sind. Die Idee, dass Frieden und Stabilität in Europa durch wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit gefördert werden, hat sich bewährt. Das ist auch etwas, was die Bürgerinnen und Bürger unterstützen.

 

Die Wettbewerbsfähigkeit, die wirtschaftliche Stärke und auch die vielen Arbeitsplätze sind direkt mit den Freiheiten der Europäischen Union verbunden. Natürlich, gerade als exportorientiertes Land profitieren wir von der wirtschaftlichen Stärke Europas, und wir wissen auch - wir haben das wiederholt gehört -, dass 6 von 10 EUR bereits im Export erwirtschaftet werden. Wir brauchen für eine erfolgreiche Wirtschaft und Zukunft wettbewerbsfähige Unternehmen. Noch einmal: Es ist auch für die Unternehmen wichtig, dass unnötige Regeln und Bürokratie abgeschafft werden, damit die Wirtschaft nicht gehemmt wird.

 

Die Sorge ist auch, wenn wir solche Abkommen unterzeichnen: Wir wissen selber, was es in den USA zum Beispiel an Produkthaftung gibt oder wie lang die Beschreibungen sein müssen, bevor ein Produkt überhaupt auf den Markt kommt. Das sind für unseren Markt eigentlich Anstrengungen, die wir neu unternehmen müssen, und möglicherweise wird das wieder unsere Wirtschaftskraft eine Zeit lang hemmen. Hier muss also bei den Verhandlungen über TTIP sehr genau betrachtet werden, was von unserer Seite her zu leisten ist und was im Gegensatz dazu die amerikanische Seite leisten müsste.

 

Wir brauchen auch bessere Finanzierungsmöglichkeiten in Europa, wie zum Beispiel Crowdfunding. Es muss das Vergabe- und Normungswesen für Klein- und Mittelbetriebe zugänglich gemacht werden. Auch die EU-Förderungen, die sehr kompliziert zu bekommen sind, müssen für Klein- und Mittelbetriebe zugänglich gemacht werden.

 

Es ist nicht einfach, sich in diesem Dschungel auszukennen. Wenn ein Call kommt, geht es darum, einmal thematisch zu wissen: Gehört man dazu? Wann kommt der Call? Kommt noch einmal einer, der ähnlich ist? Wo kann man mitmachen? Wie füllt man diese unendlich vielen Formulare aus, die teilweise in Englisch gehalten sind? Nicht alle Unternehmen haben die Möglichkeit, dieses Fachenglisch zu übersetzen, und können hier mitmachen.

 

Das sind Hemmnisse, die beseitigt werden müssen! Denn dass sich das die großen Betriebe leisten können, ist selbstverständlich, aber die kleinen können es eben nicht. So kann Europa nie bei den Menschen ankommen, wenn es an einer gewissen Schwelle aufhört. Ich glaube, unsere Aufgabe ist, das zu durchbrechen und es dann so zu machen, dass jeder Europa bei sich selber spüren kann.

 

Ich gehe noch einmal kurz zum TTIP. Es sind die Zölle zwischen der EU und den USA relativ niedrig, also interessanterweise 3 Prozent auf US-Seite und 5 Prozent an den EU-Außengrenzen. Natürlich bringt eine noch so kleine Senkung einen enormen Wert oder eine entsprechende Einsparung, und zwar im Wert von 2 Milliarden EUR pro Tag, was wirklich besonders viel ist.

 

Das spricht aber jetzt einmal prinzipiell - und ich möchte diese ganze Situation kritisch betrachten - nicht dagegen und auch nicht dafür. Man muss eine kritische Diskussion führen können. Wir könnten ja auch einfach die Zölle streichen, so wie wir das 2006 mit der Türkei gemacht haben. Das würde überhaupt keinen weiteren Schritt benötigen. Eine Zollsenkung, die so viel bringt, kann sofort gestartet werden.

 

Selbstverständlich ... (GR Mag Wolfgang Jung: Und wer zahlt die Ausfälle im Budget, Frau Kollegin?) Entschuldigung? (GR Mag Wolfgang Jung: Wer zahlt die Ausfälle im Budget, wenn weniger Zölle ...) Sie sind gegenseitig, die Zölle, und der Handel ist ja vice versa. (GR Mag Wolfgang Jung: ... fehlt im Budget! Also wer ...) Es bringt extreme Einsparungen, und die Einsparungen werden höher sein als die Ausfälle.

 

Fakt ist, dass man gleichzeitig auch möchte, dass EU- und US-Standards erfüllt werden und dass es kleinen und mittleren Unternehmen angeblich zu Gute kommt, dass, wenn man weniger Ressourcen hat, auf

 

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