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Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 54 von 86

 

Feiern ist das schon lange nicht! Das ist kein Grund zum Feiern. Feierstimmung und Jubelstimmung kommt bei den Menschen nicht auf. Das Vertrauen in die EU ist nicht gestiegen. Im Gegenteil: Es ist gesunken.

 

Es geht vor allem um die Frage: Waren die letzten 20 Jahre wirklich so gut für die Menschen? Waren die letzten 20 Jahre so gut für die Völker und die Staaten in Europa? Waren die letzten 20 Jahre überhaupt gut für Europa?

 

In diesem Zusammenhang muss man auch betonen: Die EU ist nicht Europa. Europa ist viel mehr, ist viel mehr als die EU! Die EU ist ein Verein einiger Mitgliedstaaten.

 

Aber wenn die EU für sich den Alleinvertretungsanspruch für ganz Europa beansprucht und dann plötzlich jahrelang mit einem nichteuropäischen Land wie der Türkei über einen Beitritt verhandelt, dann fragt man sich wirklich: Kann man einem solchen EU-Europa überhaupt noch vertrauen? – Dabei bin ich gar nicht auf die Türken böse, denn sie hatten ja 50 Jahre lang, seit dem Assoziierungsabkommen für eine europäische Integration, die Karotte vor der Nase. Da muss sich schon die EU selbst an der Nase nehmen, dass sie nicht schon viel, viel früher ganz einfach gesagt hat: Liebe Freunde aus der Türkei! Wir arbeiten mit euerm Land gerne zusammen, wir kooperieren und betreiben einen wirtschaftlichen und kulturellen Austausch. Aber die EU ist ein europäischer Verein, und ihr seid kein europäisches Land, für euch ist eine Mitgliedschaft einfach nicht möglich! – Das wäre einmal eine ehrliche Aussage gewesen, ein Schlussstrich unter dieser langjährigen Politik des Anlockens der Türkei an die Europäische Union. Das wäre richtig gewesen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Aber es gäbe natürlich noch viel mehr Gründe, die Türkei nicht Mitglied werden zu lassen, allein etwa in Anbetracht dessen, dass der Völkermord an den Armeniern nicht anerkannt wird oder dass die Türkei jetzt zum Beispiel Österreich mit Sanktionen droht, weil wir im Parlament eine entsprechende Resolution verabschiedet haben. – Das sind natürlich wichtige Punkte. Wir werden heute auch einen Antrag einbringen, den ich dann abgeben werde, dass der Völkermord an den Armeniern seitens der Türkei auch hier im Gemeinderat als solcher anerkannt wird und dass wir natürlich dieses Völkermords und der Opfer auch 100 Jahre danach gedenken.

 

Diesen Antrag bringen wir heute ein, und ich hoffe auch auf Zustimmung, weil ich weiß, dass auch ein anderer Antrag eingebracht wird, hinsichtlich dessen wir aber vorher gar nicht gefragt wurden, ob wir uns daran beteiligen wollen. Wir selbst sind aber tätig geworden.

 

Ein anderer Punkt ist natürlich auch die Frage – und auch das ist ein Grund für den Vertrauensverlust gegenüber der EU –, ob die EU wirklich ein eigenständiges europäisches Projekt ist oder die Einflussnahme seitens der Vereinigten Staaten nicht doch sichtbar geworden ist, und zwar spätestens seit ungefähr 14 Monaten, seit dem Maidan, als die EU seitens der Vereinigten Staaten fast gezwungen wurde, Wirtschaftssanktionen gegen ein Land zu verhängen, mit dem eigentlich die meisten europäischen Staaten in den letzten Jahrzehnten auf wirtschaftlicher und kultureller Ebene nicht schlecht kooperiert haben.

 

Das geschah auf Wunsch der Vereinigten Staaten, das hat auch der US-Vizepräsident Joe Biden zugegeben, dessen Sohn ja ganz gut in der ukrainischen Energiewirtschaft untergekommen ist. Er hat im vergangenen Jahr, am 2.10.2014, bei einer Rede an der Harvard Universität gesagt und zugegeben, dass Obama auf die Sanktionen seitens der EU bestanden hat, auch wenn die Sanktionen einen wirtschaftlichen Schaden für die europäischen Staaten und die EU anrichten werden. Obama hat darauf bestanden. Sie wünschen, wir spielen, und Europa hat leider mitgespielt. Die österreichische Regierung hat leider mitgemacht, die Regierungsparteien haben sich nicht dagegen verwahrt. – Daran sieht man, dass die europäische Integration doch eher ein Projekt ist, um aus geostrategischem Interesse für amerikanische Interessen auch hier zu wirken.

 

Da lachen Sie so überrascht. Aber das sieht man doch mit freiem Auge: Es gibt Sanktionen auf Bestellung der USA, Europa tanzt mit, und den Schaden tragen die europäischen Völker. Das ist eine europafeindliche Politik, und nicht zu Unrecht betrachten mittlerweile viele Menschen in der EU die Europäische Union eigentlich als europafeindliches Projekt. Und das ist schade, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie von GR Dr Wolfgang Aigner.)

 

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, weil ja immer vom „Friedensprojekt Europa“ gesprochen wird. Überhaupt keine Frage: Es gab in den letzten Jahrzehnten auf dem Gebiet der EU keine kriegerischen Auseinandersetzungen, im Nahebereich hingegen schon, etwa auf dem Balkan oder so wie jetzt in der Ukraine, und das ist auch nicht lustig. Die EU ist da nicht ohne Verantwortung.

 

Völkerrechtlich gab es keine Kriege, aber Unruhen gibt es schon lange, etwa in den Pariser Vororten, in Südschweden, in Berlin, in London. Ethnische Konflikte, meine sehr geehrte Damen und Herren, gibt es in Athen, in Madrid, in Rom tagtäglich. Es steht gar nicht mehr in der Zeitung, wenn ein paar Autos brennen. Es steht in der Zeitung, wenn 100 Autos pro Nacht brennen, aber wenn 10 Autos pro Nacht brennen, da wird darüber gar nicht mehr geschrieben. Das ist Faktum.

 

Das heißt: Ob diese EU wirklich das Friedensprojekt schlechthin ist, wage ich zu bezweifeln. Es gibt zwar keine völkerrechtlichen Kriege, aber es gibt Unruhen, Auseinandersetzungen und Krisen. Ob es sich also um ein Friedensprojekt handelt, stelle ich schon sehr in Zweifel. Man muss nämlich bedenken, dass man ein Land oder Völker oder einen ganzen Kontinent auch ohne Kriege zerstören kann.

 

Was die EU leider in den letzten Jahrzehnten völlig vernachlässigt beziehungsweise nicht zum wichtigen Thema gemacht hat, ist auch der Themenkreis: Wie schaut es mit den eigenen europäischen Familien und den Zahlen der Geburten aus? Zu glauben, ein Geburtendefizit durch – großteils illegale – Massenzuwanderung kompensieren zu können, ist zu kurz gedacht. Das

 

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