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Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 71 von 86

 

diesem Grund machen und der Grund nicht verschwunden ist.

 

Wir glauben, dass es viele Flächen in der Stadt gibt, auch im Eigentum der Stadt, die hier möglich wären. Wir sollten aber diese Flächen stark mobilisieren und versuchen, unbedingt die Wohnungsproduktion zu erhöhen. Ich glaube, da sind sich alle in der Theorie einig, kritisch wird es dann bei den Einzelfällen. Denn alle sagen, ja, bauen wir mehr in Summe, aber wenn es dann konkret wird, gibt es kaum ein Wohnbauvorhaben, bei dem nicht auch Proteste sind. Dazu sage ich einmal mehr: Da gibt es Individualinteressen derer, die dort wohnen, diese sind ernst zu nehmen, sie sind zu respektieren, sie sind einzubinden, aber es gibt auch ein Allgemeininteresse, dass die Wohnungen hergestellt werden.

 

Insofern zusammenfassend: Ich bin für einen guten Mix aus freifinanzierten, aus genossenschaftlichen und aus Gemeindewohnungen. Der Schritt, den der Bund jetzt gerade setzt, gemeinsam mit der EIB besonders günstige Kredite anzubieten, um hier weiter den Zinsvorteil anzubieten – dessen Einfluss auf langfristige Finanzierungen öffentlich unterschätzt wird –, ist auch ein positiver Schritt und soll uns weiterhelfen. Wenn es uns gelingt, mit der Grundstückspolitik hier die Voraussetzungen zu schaffen, dann sehe ich kein Problem, auch 10 000 Wohnungen pro Jahr zu produzieren.

 

Aber natürlich ist es eine ordentliche Challenge, denn derzeit müssen wir schon jedes Jahr 100 Schulklassen, das sind 6 bis 8 Schulen, errichten. Und da gibt es die dumme Konstruktion der Europäischen Union – und in diesem Zusammenhang vermisse ich ein bisschen die ÖVP-Stimme –, die auf der Verschuldungsebene Investitionen nicht von öffentlichem Konsum unterscheidet und so die Stadt Wien zwingt, Schulen zu errichten, die den Steuerzahlern teurer kommen, als würde sie sie selbst errichten. Warum das so ist, das will eigentlich niemandem einleuchten. (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Geld hat kein Mascherl, da muss man sehr aufpassen!) – Herr Klubobmann, dass Geld kein Mascherl hat, stimmt, aber wirtschaftlich macht es in jedem Unternehmen einen Unterschied, ob ich einen Kredit aufnehme mit dem Ziel, eine Investition zu tätigen, wo nachher mehr Geld herauskommt, oder einen Kredit mit dem Ziel aufnehme, den Dienstwagenpark auszubauen. Wenn die Stadt Geld aufnimmt, um Investitionen, denen sogar Mittel … (GRin Ing Isabella Leeb: Es gibt keine guten Schulden!) – Es gibt keine guten Schulden? (GRin Ing Isabella Leeb: Schulden sind immer ein Problem!) – Frau Kollegin, sehen Sie, jetzt kommen wir an einen Kern, wo ich manchmal echt zweifle am … nein, ich sage es freundlicher. Heute bin ich irgendwie freundlicher:

 

Das „es gibt keine guten Schulden“, schätze ich ganz anders ein. Reden Sie mit jedem privaten Unternehmer oder Unternehmerin, was er oder sie tut, wenn er eine Investition tätigt. Um eine Investition zu tätigen, wird ein bestimmter Anteil Eigenkapital zu Verfügung genommen, selbstverständlich auch Fremdkapital. Ich kenne keinen erfolgreichen Immobilien-Developer, der nicht Fremdkapital aufnimmt. Warum tut er oder sie das? – Weil er erwartet – am Immobilienmarkt zu Recht –, dass die zukünftigen Erträge groß genug sind, um die Investition zu tilgen. Es macht einen Unterschied, ob ich Geld aufnehme, damit ich dann auf Urlaub fahre, denn dem stehen keine Erlöse entgegen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich verstehe nicht, wie man das nicht verstehen kann, dass da ein Unterschied ist. Das lernen Sie wirklich nicht im 2. Semester Volkswirtschaft, sondern im guten Geographieunterricht in der Mittelschule, dass eine Investition und ein Konsum etwas Unterschiedliches sind. Und die Folge, das nicht zu unterscheiden, führt dazu, dass Wien jetzt zu PPP-Modellen gezwungen ist, bei denen wir über die Laufzeit als Steuerzahler und Steuerzahlerin mehr Geld in die Hand nehmen müssen, als wenn wir es selbst bauen. Was ist das für eine Idiotie? (GR Dipl-Ing Roman Stiftner: Wir sollen woanders sparen!) – Wir sollen es woanders sparen! – Aus Sparen alleine ist noch nie ein Wert geschaffen worden. (Unruhe bei der ÖVP.) Man muss investieren. Dass Ihnen ein Grüner das sagen muss, meine Damen und Herren, wundert mich jetzt, wenn Sie jedem Unternehmer sagen, weißt was, räume dein ganzes Geld auf ein Sparkonto!

 

Im Übrigen, das Dilemma der Entwicklung der Europäischen Union ist genau das, dass eine Ideologie vorherrscht, dass man wachsen kann, dass man Werte schaffen kann – Häuser und U-Bahnen und Straßenbahnen und Straßen und Garagen –, indem man spart. Wie soll das gehen? Man muss investieren, damit man Geld verdient, damit man sparen kann. Und schauen sie nach Südeuropa: Jene Länder, die gezwungen wurden, maximal zu sparen, haben heute die höchsten Schulden. Dass ich das der ÖVP um 16.40 Uhr an einem sonnigen Freitag erklären muss, freut mich, da ich nicht glaube, dass ihr einen öffentlichen Wahlkampf mit diesen Geschichten durchstehen werdet. Das verstehen immer mehr: Nein, man kann sich nicht in die Sanierung sparen, man kann nur sparen, wenn man investiert, und darum soll man unterscheiden.

 

Halten wir fest, wir sind unterschiedlicher Meinung, Herr Juraczka. Tragen wir das öffentlich aus, wie man für 25 000 Menschen, die jedes Jahr nach Wien kommen, die Wohnungen, die Schulen, die Straßenbahnen, die Kindergärten, die Büros durch Sparen errichten kann. Woraus wächst denn das heraus? – Da muss es Unternehmer geben – und auch die Stadt ist hier ein Unternehmer –, die das Geld in die Hand nehmen, damit diese Häuser errichtet werden, die dann vermietet werden, und die Menschen, die darin wohnen, zahlen dann Miete und diese refinanziert die Investition. Das ist für mich so klar wie dieser Sonnenschein draußen.

 

Aber offensichtlich sind wir da weit auseinander. Das ist gut so, das werden wir im Wahlkampf austragen. Wir werden Gemeindewohnungen finanzieren müssen, wir werden Genossenschaftswohnungen finanzieren müssen. Und ich schicke einmal ein paar private Immobilien-Developer zu Ihnen: Denn wenn einer mir sagt, dass er einen Kredit aufnimmt, werde ich ihm sagen, er soll den Juraczka fragen, denn der behauptet, ihr dürft das nicht, ihr müsst alle sparen. – Die werden Sie auslachen und, ich glaube, auch die Wähler werden Sie auslachen. Und jetzt gebe ich es auf, der ÖVP Ökonomie zu erklären. –

 

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