Gemeinderat, 68. Sitzung vom 29.06.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 140
Auf Nichtwiedersehen in diesem Haus! (Beifall bei der SPÖ.)
So, wir kommen zu dem, wofür wir stehen, für eine inhaltliche Diskussion, und ich komme zu den wichtigen Themen. Die Wirtschaftskrise hat Europa noch fest im Griff und damit auch deren Auswirkungen. Ich sagte es: Geringes Wirtschaftswachstum, hohe Arbeitslosigkeit, die Themen, die Österreich glücklicherweise geringer berühren, aber natürlich auch für uns spürbar sind. Ich sagte schon, die Zahlen für Österreich schauen leider nicht so gut aus, wie wir es uns wünschen würden. Aber auch für Wien gilt natürlich dasselbe. 2014 gab es ein prognostiziertes Wachstum von minus 0,2 Prozent, 2015 ebenfalls nur ein geringes Wachstum von 0,2 Prozent. Am meisten Sorge, sehr geehrte Damen und Herren, bereitet mir in diesem Zusammenhang die steigende Arbeitslosigkeit. Fakt ist, erst ab einem Wirtschaftswachstum von mindestens 2 Prozent würde die Arbeitslosigkeit zu sinken beginnen. In Wien bräuchten wir auf Grund der hohen Produktivität in unserer Stadt sogar ein noch deutlicheres Wachstum. Die schwache Konjunktur bleibt bestimmendes Faktum. Wir befinden uns derzeit im letzten Teil einer der längsten Stagnationsphasen in der wirtschaftlichen Entwicklung Westeuropas seit 1945.
Die letzten Prognosen des WIFO zeigen, dass die Steuerreform positive Auswirkungen für das Wirtschaftswachstum hat. Aber es gibt leider auch zwei gegenläufige Trends. Einerseits eine negative Stimmung, die nicht der Realität entspricht. Das ist laut WIFO erwiesen, und diese negative Stimmung macht die Erholung „schwerer als geplant“, wenn ich den WIFO-Chef zitieren darf. Und das WIFO bestätigt, dass die Steuerreform die private Nachfrage stärken wird. Aber die Gefahr besteht, dass der gedämpfte öffentliche Konsum das Wachstum wieder bremst. Conclusio: Die öffentliche Hand muss mit Nachfrage und vor allem Investitionen stärker zum Aufschwung beitragen. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass Wien am Kurs des antizyklischen Investierens festhält. (Ein weiteres schwarzes Transparent wird von zwei Personen auf der Besuchergalerie über der Balkonbrüstung mit Geschrei entrollt mit dem Text: AUFBEGEHREN. aufbegehren.at) Wien hat als Kommune … Offensichtlich ist anderen Arbeitslosigkeit völlig egal.
Vorsitzender GR Godwin Schuster (unterbrechend): Entschuldigung, Entschuldigung, Renate. Wir werden das noch öfters erleben, gehört möglicherweise zur Demokratie dazu. (Weitere Turbulenz auf der Besuchergalerie.) Wir haben hier eine Geschäftsordnung, die untersagt dieses, und ich würde auch darum bitten, dass man sich daran hält und würde auch die Rathauswache bitten, hier im Saal zu bleiben.
VBgmin Mag Renate Brauner (fortsetzend): Ich komme wieder zu dem Thema, das uns wichtig ist, nämlich Maßnahmen gegen die Krise, Maßnahmen, die die Stadt Wien setzt, um die Auswirkungen der Krise zu bekämpfen. Das sind Investitionen in wichtige, wachsende Bereiche, die viele Arbeitsplätze schaffen, etwa im Bereich Kindergärten, Pflege, Bau von Infrastruktur, Maßnahmen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik und Ausbildung, damit die Menschen jene Jobs, die es in Wien gibt, auch wirklich annehmen können. Soziale Maßnahmen für jene, denen es durch die Wirtschaftskrise schlechter geht und die dadurch weniger Chancen haben, sowie einen Kaufkraftpolster, um das Geld, das den Menschen durch die Steuerreform im Börsel bleibt, auch abzusichern.
Unser Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, hat sich in den Verhandlungen um die Steuerreform für eine spürbare finanzielle Entlastung eingesetzt. Und ich darf den Unkenrufern aus Wiener Sicht entgegnen: Diese Steuerreform ist gelungen. Sie bringt substanzielle Entlastung und sie ist ein gemeinsamer Erfolg der Bundesregierung, den wir uns nicht schlechtreden lassen. Was wir dazu beitragen können, die Effekte der Steuerreform zu unterstützen und unseren Bürgern und Bürgerinnen Planungssicherheit bei ihren Ausgaben zu geben, ist der Kaufkraftpolster. Die rot-grüne Wiener Stadtregierung wird heute im Gemeinderat einen gemeinsamen Antrag zur Aussetzung von Gebührenanpassungen einbringen. Damit wird es bei den wichtigen Gebühren für das Jahr 2015 und 16 keine Erhöhungen geben. Wasser, Abwasser, Müll, Parkometerabgabe und Parkpickerl sollen nicht teurer werden und als Entlastung für die Haushalte wirken. Ebenso wird dieser Kaufkraftpolster für weitere Bereiche gelten: Bäder, Büchereien, aber auch im Bereich der Essensbeiträge des Gratiskindergartens. Und auch in anderen Bereichen, sehr geehrte Damen und Herren, werden wir unter Maßgabe der betriebswirtschaftlichen Bedingungen keine Erhöhungen vornehmen. So werden die Wiener Linien alle Anstrengungen unternehmen, ihre Tarife 2015/2016 nicht zu erhöhen. Damit kommt die Entlastung der Steuerreform auf Bundesebene zur Gänze in den Wirtschaftskreislauf, und ich hoffe sehr, dass dieser Antrag eine breite Mehrheit im Wiener Gemeinderat finden wird. (Beifall bei der SPÖ.)
Eines sage ich als Wiener Finanzstadträtin aber auch klar: Diese Maßnahme muss zeitlich begrenzt bleiben, denn wir bekennen uns dazu, dass in unserer Stadt öffentliche Dienstleistungen nicht kaputtgespart werden, sondern ausreichend in ihrer Topqualität finanziert werden müssen. Gerade in Vorwahlzeiten ist es natürlich verlockend, mit Gebühren zu argumentieren. Aber diejenigen, die dies tun: Vergessen Sie bitte dabei nicht die zahlreichen Entlastungen, die es in der Stadt Wien für die Bürger und Bürgerinnen immer wieder gibt und gegeben hat, vom Gratiskindergarten, der größten Entlastung des Mittelstandes seit Jahrzehnten, bis zum sensationellen erfolgreichen 365 EUR Öffi-Jahresticket.
Diese Maßnahmen, die wir nach wie vor dringend brauchen, und die Auswirkungen der Krise - die nunmehr das siebente Jahr andauert - kosten Geld, das wir sorgsam verwendet haben. Das Ergebnis all dieser Maßnahmen kann sich sehen lassen. In dem von uns gesteckten Rahmen haben wir dafür gesorgt, dass Wien von sämtlichen Wirtschaftszahlen her stabil ist. Das Bruttoregionalprodukt Wiens beträgt 82,8 Milliarden EUR. Die Einnahmen und Ausgaben der Stadt Wien betragen 12,3 Milliarden. Der Schuldenstand beträgt 5,9 Prozent des Bruttoregionalprodukts. 60 Prozent, sehr
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