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Gemeinderat, 68. Sitzung vom 29.06.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 140

 

Deutschland agiert, und wie restriktiv im Gegensatz dazu die österreichische Bundesregierung agiert, wie restriktiv und wie falsch die Wirtschaftspolitik ist, die seit Jahrzehnten von der ÖVP in Österreich gemacht wird und die in Österreich einen maßgeblichen Anteil daran hat, dass es nicht gelingt, von den höchsten Arbeitslosenzahlen, die es momentan gibt, herunterzukommen.

 

Kollege Aichinger, Sie machen bewusst oft Wien verantwortlich für explodierende Arbeitslosenzahlen und verkennen dabei die Situation, dass die wirtschaftspolitischen und die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen seit jeher auf Bundesebene gemacht werden. Sie verkennen die Situation, dass in Österreich gegenwärtig eine restriktive Finanz- und Geldpolitik gemacht wird, die es allen österreichischen Städten und Gemeinden, die es allen österreichischen Bundesländern schwer macht, neue, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Das, was Wien macht, ist, zusätzlich in Qualifikation zu investieren, in Förderungen zu investieren. Das macht Wien, aber arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Verantwortung in Österreich trägt auf Grund der bundesverfassungsmäßigen Kompetenzverteilung die Bundespolitik. (Zwischenruf von GR Dkfm Dr Fritz Aichinger.) Ja, noch einmal, ich habe überhaupt kein Problem damit. Ich finde die Diskussion spannend. Wir haben in Wien jetzt momentan gerade leider – glauben Sie, das bedauert niemand mehr als wir, oder wir bedauern es alle gleich – mehr als 150 000 erwerbs-, arbeitslose Menschen. Das bedauern wir alle gleich, da müssen wir uns nichts vormachen, wer es mehr oder weniger bedauert. Aber reden wir doch tatsächlich darüber – ich habe kein Problem damit –, was der Anteil Wiens daran ist, dass es die 150 000 gibt. Das ist doch absurd, das wissen Sie genauso gut wie ich. Reden wir vielmehr darüber, in welchen Bereichen wir tatsächlich etwas verändern könnten.

 

Und was ich bislang beim gesamten Budget vermisst habe, sowohl von der ÖVP als auch von der FPÖ, dass Sie sagen, wir würden gerne 100 Millionen umverteilen, 200 Millionen umverteilen, (GR Mag Wolfgang Jung: 300 Millionen!), 300 Millionen. Ja, man kann über unterschiedliche Sachen unterschiedlicher Meinung sein, aber sagen Sie, wo würden Sie einsparen und wie würden Sie das Geld ausgeben, weil Sie ja immer … (GR Mag Wolfgang Jung: Das machen wir ja eh!) Nein, sagen Sie es einfach, und dann können wir darüber reden. Aber reden Sie nicht, damit wir wirklich ernsthaft diskutieren, im Promillebereich des Wiener Budgets, sondern reden Sie dann tatsächlich, wenn man eine Ausgangsbasis von 12 Milliarden nimmt – um die reinen Durchläufer bereinigt, bleiben wir bei 10 Milliarden –, zumindest einmal im Prozentbereich. Wir beginnen bei 100 Millionen, damit wir tatsächlich einmal sehen, was kann man in Wien weiterbringen. Und wie schwierig es ist – jetzt komme ich zu ein paar Zahlen und Entwicklungen –, erlaube ich mir jetzt anzumerken. Basis Ende 2008, Anfang 2009. Wir wissen, die Krise hat 2008 begonnen und hat sich da noch nicht im Budget niedergeschlagen, sondern beginnt eigentlich 2009.

 

Wie haben sich die Ertragsanteile seit 2008 entwickelt, wo wir noch wirklich im Sinne der Bundesertragsanteile ein schönes Stück des Kuchens hatten? Damals waren das – und ich nehme nur diese Zuschüsse dazu, die 2008 von Zuweisungen in Ertragsanteile umgewandelt wurden, damit man vergleichbare Zahlen hat – knapp 4,93 Milliarden EUR, Ende 2014 sind es 5,73 Milliarden. Ein Plus, wenn man es sich genau anschaut, von im Großen und Ganzen 20 Prozent bei den Ertragsanteilen.

 

Die Inflation – da gebe ich ihnen auch recht –: Beim VPI gab es ein Plus von 12,24 Prozent. Was Sie aber vergessen, Kollege Aichinger: Wien ist in derselben Zeit um 7 Prozent gewachsen, und selbstverständlich muss man die Bevölkerungszahl dazurechnen. Das heißt, VPI plus Bevölkerung zusammen ergeben ein Wachstum von 20 Prozent, die Ertragsanteile und die Zuschüsse ein Wachstum von 16,24 Prozent. Das ist es. (Zwischenruf von StR Mag Manfred Juraczka.) Nein, man muss es multiplizieren, wenn man es mathematisch berechnet. Ich gebe ihnen recht, man kann es nicht addieren, sondern man multipliziert es bei der Prozentrechnung. Wenn Wien um 7 Prozent wächst, ist es etwas mehr. Deshalb sind es 20 Prozent und die Ertragsanteile und Zuschüsse sind um knapp 16,24 Prozent gewachsen.

 

Das macht einiges aus. In Summe, hätten wir nur linear diesen Betrag so bekommen seit 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014, hätte Wien auf Basis gleichwachsenden VPI und Bevölkerungswachstums 1,6 Milliarden EUR mehr erhalten müssen. Sie können es nachrechnen, Sie können es glauben, Sie können auch sagen, es ist vollkommen wurscht. Nichtsdestoweniger, das ist der Betrag, der Wien in den letzten sechs Jahren fehlt, wären die Ertragsanteile genauso gewachsen wie VPI plus Bevölkerungswachstum von Wien zusammen.

 

Nächster Punkt, um auch zu erkennen, welche Schwierigkeiten das verursacht hat. Denn jetzt könnten wir sagen, wenn das Geld überall gleich verteilt wieder ausgegeben wurde, dann geht es ja noch irgendwie, aber das ist ja nicht der Fall. Sie haben selber mitbekommen, dass die Wirtschaftskrise dazu geführt hat, dass die Arbeitslosigkeit steigt, Sie haben selber mitbekommen, dass die Wirtschaftskrise dazu geführt hat, dass in Folge die Anzahl der Mindestsicherungsempfänger gestiegen ist und daher im selben Zeitraum der Saldo der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, früher Sozialhilfe, von 300 Millionen EUR auf 505 Millionen EUR gestiegen ist oder um 67 Prozent. Im Bereich der Kinderbetreuung ist der Saldo von 338 Millionen EUR auf 680 Millionen EUR gestiegen, also verdoppelt, mehr als verdoppelt. Im Bereich der Bildung – und zwar nicht der Landeslehrer, die ein reiner Durchlaufposten sind – ist der Saldo von 200 Millionen EUR auf 265 Millionen EUR gestiegen, also um 32 Prozent.

 

Damit war alles, was es an realen Mehreinnahmen gegeben hat, einfach weg. Und trotzdem hat Wien in den letzten Jahren – das ist schon gekommen – im Bereich des öffentlichen Verkehrs hervorragende Politik betrieben. Diese günstigen öffentlichen Verkehrsmittel gibt es nirgendwo anders auf der Welt, und zwar für Erwachsene und für Jugendliche. Für Schülerinnen und Schüler bis zum 24. Lebensjahr gibt es um 60 EUR ein Ticket,

 

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