«  1  »

 

Gemeinderat, 68. Sitzung vom 29.06.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 55 von 140

 

Rat koordinieren, akkordieren, ins Einvernehmen setzen muss.

 

Wie viele Mitglieder hätte die Österreichische Kommission? (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Neun!) - Genau neun, ja. Jedes Bundesland entsendet einen Kommissar in die Österreichische Kommission. Das mag einmal eine fähige Frau sein, das kann einmal ein Mann sein, den man im Bundesland gerade nicht brauchen kann. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) - Alles schon erlebt auf europäischer Ebene. - Diese neun Mitglieder stellen die Österreichische Kommission.

 

Dann gibt es eine Art Überregierung, nämlich den Österreichischen Rat. Wer ist der Österreichische Rat? - Die neun Landeshauptleute. (GR Mag Dietbert Kowarik: Den gibt's eh!) Ja, das „gibt's eh“: Es gibt die Landeshauptleutekonferenz. Aber eine formale österreichische Überregierung dieser Art gibt es nicht - oder noch nicht, Herr Kowarik. Noch nicht!

 

Dann gibt es natürlich noch viele verschiedene andere Dinge, mit denen ich Sie gar nicht behelligen will, aber zum Beispiel: Die Bundesländer würden vom jeweiligen Steueraufkommen alles behalten, aber 1 Prozent würden sie an den Bund abführen – 1 Prozent, bei einer Steuer- und Abgabenquote von derzeit 44 Prozent. Wir hätten auch keinen Finanzausgleich zwischen den Bundesländern, aber wir hätten einen Dauerstreit zum Beispiel zwischen Kärnten als Nettoempfänger und, sagen wir, Oberösterreich als Nettozahler. Das kann man jetzt attraktiv oder unattraktiv finden - ich finde es natürlich höchst unattraktiv -, ich gebe nur Folgendes zu bedenken: Wir hätten keine gemeinsame Arbeitslosenversicherung, keine gemeinsame Pensionsversicherung, und so weiter.

 

Der Punkt ist: Diese neun Mitglieder des Österreichischen Rats, jeder von ihnen Landeshauptmann/Landeshauptfrau - wir unterstellen jetzt einmal, das sind alles intelligente Leute, wir unterstellen auch, dass zumindest einige davon überzeugte Österreicher sind, also nicht nach dem Motto denken, zuerst kommt Tirol und dann kommt lange nichts und im Keller kommt dann Österreich, sondern wirklich überzeugte Österreicher -, die sich bemühen, bestmöglich österreichische Politik zu machen, bis der Tag der Wahrheit kommt, nämlich die nächste Wahl. Denn um im Österreichischen Rat zu bleiben, das heißt, um Landeshauptmann zu bleiben, muss ich die Wahl wo gewinnen? – Na, in Vorarlberg, im Burgenland, in Wien, wo immer ich halt gerade Landeshauptmann oder Landeshauptfrau bin. Dort und nur dort wird meine Zukunft entschieden! Und im Zweifelsfall ist mir natürlich das Hemd näher als der Rock! Ich meine, Jean-Claude Juncker hat das eine Zeit lang vergessen und der Erfolg war, dass er als Ministerpräsident von Luxemburg plötzlich abgewählt war. Er ist einer der fähigsten europäischen Politiker, die wir haben, und ich persönlich bin heilfroh, dass er dann Kommissionspräsident geworden ist. Das war sozusagen eine gute Fügung. (GR Mag Wolfgang Jung: Sie haben ihn im Parlament auch verteidigt! – Ironische Heiterkeit bei GR Mag Wolfgang Jung.)

 

Wenn Sie jetzt die Anreize, die Incentives, denen ein Mitglied des Österreichischen Rats ausgesetzt ist, kombinieren mit dem Prinzip der Einstimmigkeit - ob das jetzt formal oder nur de facto ist -, bekommen Sie ein Rezept für politischen Stillstand, das sich gewaschen hat. Wir beklagen jetzt schon, dass die Bunderegierung unfähig ist, irgendetwas zu entscheiden, aber das hätten wir dann seit 30 Jahren.

 

Das ist genau die europäische Situation! Deswegen plädiere ich dafür, die Elemente der Staatlichkeit der Europäischen Union deutlich zu erhöhen und dort tatsächlich eine Regierung zu schaffen, die dem Europäischen Parlament verantwortlich ist. Jeder einzelne Kommissar - ob der jetzt Kommissar oder Minister heißt; besser wäre Minister, denn Kommissar hat zumindest im Deutschen immer schon eine unangenehme Konnotation gehabt, es riecht so nach Polizei -, jeder einzelne Minister ist dem Europäischen Parlament unmittelbar verantwortlich, und so weiter. Wenn man das nicht will, dann haben wir eben die Situation, die wir jetzt haben. (Zwischenruf von GR Mag Dietbert Kowarik.) Ja, Sie sind dafür, die Europäische Union aufzulösen, ich weiß es eh. Natürlich, Sie haben die Illusion, dass man zur nationalen Souveränität des 19. Jahrhunderts zurückkehren kann. Ich sage Ihnen: Diese Art von nationaler Souveränität ist eine Illusion. Um sich überhaupt ansatzweise gegenüber Russland, China, den USA, und so weiter durchsetzen zu können, die eigenen Interessen vertreten zu können, müssen Sie diese nationalen Souveränitäten in Brüssel - denn einen anderen Ort haben wir nicht, in Wien wäre mir auch lieber - bündeln. Nur so können Sie europäische Interessen vertreten. Die Ironie ist ja, dass Sie behaupten, sozusagen nationales Gedankengut zu vertreten, aber es sind genau die Nationalen, die verhindern würden, wenn sie das denn nur könnten - was ich nicht hoffe -, dass der Nationalstaat noch irgendetwas zu reden hat im Verhältnis zum Beispiel zu Russlands Putin. Das ist wirklich interessant, das müssen Sie aber mit sich ausmachen, diese Illusion.

 

Vorsitzender GR Dipl-Ing Martin Margulies: Sehr geehrter Prof Van der Bellen! Auch wenn die Opposition gerne mit Ihnen weiterdiskutieren würde: Ich ersuche, zum Schluss zu kommen. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ für den das Rednerpult verlassenden GR Dr Alexander Van der Bellen.)

 

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Nepp. - Herr GR Nepp, einen Moment bitte noch. Herr Kollege Schuster möchte vorher noch eine Mitteilung machen.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Sehr geschätzte Kollegen! Ich wollte auf Grund der Debatte, die jetzt vor Kurzen stattgefunden hat – das Thema wurde auch vom Kollegen Aigner eingebracht -, den Gemeinderat insofern informieren: Wenn sich Mitarbeiter des Magistrats, hier im Besonderen der Rathauswache, sehr, sehr bemühen, dass wir hier unter ordentlichen Umständen die Sitzung abhalten können, wäre es für mich unvorstellbar, dass die Mitarbeiter des Rathauses dienstrechtliche Probleme bekämen – nur dafür, dass sie sich engagieren und versuchen, jemanden, der die Sitzung in der Tat entgegen der Geschäftsordnung stört – es war zwei Mal dieselbe wahlwerbende Gruppe -, an dieser Störung zu

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular