«  1  »

 

Gemeinderat, 68. Sitzung vom 30.06.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 16 von 90

 

geringwertig Ausgebildete geworden, und das ist schlimm, meine Damen und Herren! Wenn man sich das Wunderprojekt Step 2 Job genau anschaut, dann sieht man, dass die Integration von BMS-Beziehern in den Arbeitsmarkt nicht dauerhaft gelingt, und das ist miserabel, meine Damen und Herren von der SPÖ und den Grünen!

 

Werfen wir hier nur einen Blick auf den Wiener Sozialbericht 2015: 2013 konnten von knapp 72 000 als arbeitsfähig eingestuften BMS-BezieherInnen lediglich knapp 5 000, also 7 Prozent, über ein Jahr im Arbeitsmarkt gehalten werden. Mehr als 2 Jahre konnten nur knapp 400, also nur 0,5 Prozent von diesen rund 72 000 Menschen im Arbeitsprozess gehalten werden. Und die meisten arbeitsfähigen BMS-Bezieher, nämlich 12 Prozent, konnten maximal 1 bis 3 Monate im Arbeitsmarkt gehalten werden. Meine Damen und Herren! Das ist schlichtweg eine Katastrophe! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Jeder 11. Wiener bezog 2013 die Mindestsicherung. Im Jahr der Einführung 2010 war es hingegen nur jeder 16.

 

Arbeitsplätze sind die beste Sicherung gegen Armut. Wien hat jedoch jahrelang zugeschaut, wie die Arbeitsplätze durch Abwanderung in andere Bundesländer vernichtet wurden. – Wir sagen: So geht das nicht weiter!

 

Die Überlegungen bei Rot-Grün in Wien scheinen in die Richtung zu gehen, dass man sich fragt: Wie kommen möglichst viele Menschen in die Abhängigkeit und in die Mindestsicherung?

 

Ich komme jetzt zu den Überlegungen der ÖVP in Niederösterreich, und wir wollen ganz besonders dieses Modell aus Niederösterreich heute hier in Wien heranziehen. Besonders interessant erscheint mir auch, dass die SPÖ diesem Modell in Niederösterreich zugestimmt hat. Da frage ich mich: Warum kann Wien das nicht, was Niederösterreich kann?

 

Außerdem kann es nicht sein, dass sich die MA 40 als auszahlende Stelle selbst kontrolliert! Daher verlangen wir, dass das künftig die Finanzpolizei tun soll.

 

Ich bringe abschließend einen Beschlussantrag betreffend Mindestsicherung neu, Hilfe durch einen Wiedereinsteigerbonus und effizientere Missbrauchskontrolle, ein. – Der Beschlussantrag lautet wie folgt:

 

„Der Wiener Gemeinderat spricht sich für die Schaffung eines Wiedereinsteigerbonus in der BMS nach dem Vorbild Niederösterreichs aus. Die amtsführende Stadträtin wir dazu aufgefordert, eine entsprechende Gesetzesinitiative ausarbeiten zu lassen, die sich an der Novelle des Mindestsicherungsgesetzes in Niederösterreich vom 18. Juni 2015 orientiert.

 

Durch die Schaffung eines Wiedereinsteigerbonus soll den hilfesuchenden Personen wieder eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben, Eigenverantwortung und auch eine finanzielle Perspektive gegeben werden. Ziel ist es, durch den erhöhten Anreiz des Wiedereinsteigerbonus den Wiedereintritt in die Erwerbstätigkeit zu fördern.

 

Dieser Bonus soll Personen, die zumindest sechs Monate durchgehend Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bezogen haben, in der Höhe von einem Drittel des Nettoeinkommens für die Dauer von bis zu zwölf Monaten gewährt werden. Begrenzt wird der Bonus mit 140 Prozent des Mindeststandards für alleinstehende Personen, das sind in diesem Fall 1 160 EUR.

 

Weiters wird die amtsführende Stadträtin aufgefordert, in Absprache mit den zuständigen Stellen des Bundes durch eine entsprechende Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sicherzustellen, dass künftig die Finanzpolizei für die Durchführung der Kontrollen bei der BMS zuständig ist und nicht mehr, so wie bisher, die auszahlende Stelle dieser Förderleistung, also die MA 40.

 

In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung verlangt.“

 

Ich bin gespannt, welche Ausreden die SPÖ hat, diesem Antrag aus Niederösterreich, dem die SPÖ in Niederösterreich zugestimmt hat, hier nicht zuzustimmen!

 

Selbstverständlich werden wir dem Rechnungsabschluss nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Das ist eine Drohung! Ich fürchte mich schon ein bisschen!)

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau GRin Hebein. Ich erteile ihr das Wort.

 

10.44.09

GRin Birgit Hebein (Grüner Klub im Rathaus)|: Werter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Werte Abgeordnete!

 

Wir reden von 3,5 Milliarden EUR, die die Stadt Wien beziehungsweise Rot-Grün jährlich in den Sozial- und Gesundheitsbereich investiert. Dahinter steckt eine enorm große soziale Verantwortung, die wir hier tragen und auch wahrnehmen.

 

Und weil wir hier herinnen nicht auf einer Insel leben, möchte ich kurz untermauern, wie unberechenbar die Entwicklungen ökonomisch und politisch geworden sind und welche konkreten Auswirkungen das auf Wien hat. Was meine ich damit? – Wenn wir Wachstum haben, dann reden alle von einem Wohlstand für alle, für die wir sorgen müssen. Wenn es aber zu einer Finanz- und Wirtschaftskrise kommt, dann beginnt man zunehmend, Menschen sozusagen in nützliche und weniger nützliche beziehungsweise leistungsfähige und weniger leistungsfähige Menschen einzuteilen.

 

Dabei haben dann natürlich rechtskonservative Kräfte die Oberhand, und es schaut so aus, als ob es die einzige Aufgabe der Politik wäre, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass es einen möglichst freien Wettbewerb gibt. Die Daseinsvorsorge soll auf ein Minimum reduziert werden. Man beginnt dann – und wir stecken mitten drin, meine sehr geehrten Damen und Herren! –, die soziale Gleichheit zu reduzieren. Die Gesamtverantwortung wird zu einer individuellen, genetisch beziehungsweise ethnisch bedingten Verantwortung. Man spricht von bildungsfernen Schichten. Allein dieser Ausdruck ist bezeichnend! (GR Mag Wolfgang Jung: Wie soll man dazu sagen? Nennen Sie uns einen besseren Ausdruck!)

 

Und dann rechtfertigt man Maßnahmen gegen betroffene Menschen und das Auseinanderdriften der Gesellschaft noch mit Argumenten wie der Nation und der Kultur!

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular