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Gemeinderat, 68. Sitzung vom 30.06.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 90

 

Wir stecken mitten in dieser Entwicklung. Wir sehen es unter anderem an Griechenland. Aus sozialpolitischer Sicht muss ich wirklich sagen: Hier wird offensichtlich alles versucht, um auf sehr erniedrigende Weise Elend zu produzieren. Schauen Sie sich bitte die Entwicklung in Griechenland an! Bedenken Sie, was das im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung, auf Kindersterblichkeit und Arbeitslosigkeit bedeutet! Schauen Sie sich an, wie es den Menschen vor Ort dort geht und welche Rolle die EU mit ihren Sparmaßnahmen spielt!

 

Ich gehe noch einen Schritt weiter und bringe Ungarn ins Spiel: Es gibt keinen Aufschrei, sehr geehrte Damen und Herren, wenn ein Viktor Orbán die Todesstrafe wieder einführen und Zäune aufstellen will. Und nicht nur das: Jetzt gibt es eine neue Gesetzesvorlage, die es privaten Unternehmern erlaubt, Menschen – vereinfacht gesagt – zu mieten. Um 1,70 EUR pro Stunde, wie ich glaube, kann man jetzt auf Menschen zugreifen, denen man androht, ihnen ansonsten drei Jahre jegliche soziale Unterstützung zu sperren.

 

Das geschieht gerade vor unserer Haustür, aber es gibt keinen Aufschrei! Ganz im Gegenteil: Viktor Orbán war unlängst bei Schüssel‘s Fest. Und nicht nur das! In diesem Augenblick, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat Innenministerin Mikl-Leitner im Ministerrat die österreich-ungarische Allianz verkündet und gesagt, wie wichtig es ist, gemeinsam eine Abschottungspolitik zu betreiben und gemeinsam gegen Flüchtlinge vorzugehen.

 

Genau das sind die Umstände, und das ist der Grund dafür, dass ich hier und heute bei allen Schwierigkeiten und Differenzen, die es auch in der rot-grünen Koalition gibt, extrem froh bin, dass wir hier noch andere Werte und Haltungen vertreten und wir bestmöglich für soziale Sicherheit in unserer Stadt sorgen! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Ich möchte das an einem konkreten Beispiel zeigen, nämlich anhand der Mindestsicherung. – Es stimmt: Die Zahlen steigen. 2010, als ich angetreten bin, haben, glaube ich, 107 000 Menschen eine Mindestsicherung beziehungsweise eine Ergänzungsleistung bezogen. Jetzt sind wir bei 160 000 Menschen. Das stimmt.

 

Das, was ich aber im Grunde für unglaublich halte, ist, dass von der Wirtschaftspartei ÖVP hier – in eh bekannter Weise, ich weiß nicht, warum es mich noch immer wundert! – ein Antrag eingebracht wird, wonach man jetzt verstärkt durch die Finanz gegen Missbrauch vorgehen soll.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie sich bitte nicht einlullen von einer Politik, bei der die Menschen auseinanderdividiert werden! – Wir haben in Wien bereits an die 10 Prozent Mindestsicherungsbezieher, und das ist natürlich eine erschreckende Zahl. Aber schauen wir uns einmal genau an, wer diese Menschen sind! – 27 Prozent davon sind Kinder. Und ich möchte jetzt von der ÖVP hören, wie Sie mit verstärkten Kontrollen durch die Finanz gegen Kinder vorzugehen gedenken! Die Konfrontation mit diesen Fakten müssen Sie sich jetzt einfach gefallen lassen!

 

Schauen wir uns noch einmal genauer an, wer die Mindestsicherung bezieht! –6 Prozent sind PensionistInnen, die keinen Anspruch auf Pension haben. Sind das die Menschen, die Sie als „Hängematten-BezieherInnen“ bezeichnen, die man kontrollieren muss, weil sie Missbrauch begehen? Sind das diese Menschen? Beantworten Sie diese Frage! Oder sind es die 8 Prozent Menschen, die eine Aufzahlung erhalten, weil sie zu wenig verdienen? – Willkommen, liebe Wirtschaftspartei ÖVP! Niemand wird Sie daran hindern, Mindestlöhne einzuführen, von denen man tatsächlich leben kann!

 

Oder sind es die 8,6 Prozent an arbeitsfähigen Menschen, die gesundheitlich massive Schwierigkeiten haben? Oder meinen Sie die Mütter, die bei ihren Kindern zu Hause sind? Oder meinen Sie die Angehörigen, die Pflegeleistungen erbringen?

 

Sagen Sie uns, über welche Menschen Sie reden, wenn Sie permanent über die „Hängematte“ und über Missbrauch sprechen und Ihnen jetzt nichts Besseres einfällt, als vorzuschlagen, dass wir auch noch die Finanz brauchen, um verschärfter zu kontrollieren!

 

Wir sagen ganz klar Nein dazu! Wir sagen ganz klar, dass wir als Rot-Grün eine soziale Verantwortung haben und auch danach handeln.

 

Welche Auswüchse das schon hat und wie sehr gegen die Menschen agiert wird, die ein Minimum erhalten, um zu leben, zeigt auch ein weiteres Beispiel: Es ist FPÖ-FunktionärInnen nicht zu blöd, einen Mindestsicherungsfall, das Schicksal einer Familie, mit Namen über die sozialen Medien zu verbreiten! – Diese Familie lebt seit 30 Jahren hier in Wien. Der Vater hatte jetzt, glaube ich, eine Lebertransplantation. Und Sie regen sich darüber auf, dass diese migrantische Familie so viel an Mindestsicherung erhält. – Umso wichtiger ist es, dass wir hier eine klare Haltung mit klaren Werten einnehmen und sagen: Stop! Das tragen wir nicht mit! Wir lassen eine Hetze auf dem Rücken von Menschen, die sich nicht wehren können, nicht zu! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Ich werde jetzt nicht alles wiederholen, was Kollege Wagner gesagt hat, sondern greife einige Bereiche heraus. Vorweg aber noch ein Punkt: Ich weiß nicht wie es Ihnen beim Zuhören geht! Ich kann es echt nicht mehr erkennen: Stumpfen wir schon ab, oder wird alles immer selbstverständlicher?

 

Konkret: Ein Abgeordneter der FPÖ, Herr Lasar, hat hier mit großer Selbstverständlichkeit der Sozial- und Gesundheitsstadträtin gesagt, dass sie sich schämen soll. Gleichzeitig müssen wir alle aber heuer sechs oder acht Milliarden – ich weiß gar nicht, wie viel es sind – für den Hypo-Skandal bezahlen, den die FPÖ verursacht hat. (GR Mag Wolfgang Jung: Was hat der Hypo-Skandal mit der Gesundheit zu tun?)

 

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Ich finde das wirklich frech, und das ist zurückzuweisen! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 

Ich komme jetzt zum Thema Kinder: Man sieht vor allem bei der Mindestsicherung sehr deutlich, dass die Zahlen von Familien mit Kindern steigen, die auf die Mindestsicherung als Ergänzungsleistung angewiesen sind. Das stimmt. Und daher müssen wir alles tun, um

 

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