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Gemeinderat, 68. Sitzung vom 30.06.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 90

 

die Länge zu ziehen.

 

Ganz besonders wichtig erscheint es mir jedenfalls, auf den Bereich der Mindestsicherung einzugehen. Wir diskutieren das immer wieder, und da habe ich irgendwie den Eindruck, dass ständiges Wiederholen nicht den Unterrichtsertrag sichert. Ich möchte trotzdem zum wiederholten Mal sagen, dass ich froh bin und auch politisch verantwortlich bin, in einer Stadt zu leben, wo Menschen, die auf eine Leistung einen Rechtsanspruch haben, diese Leistung auch bekommen, und wo es die Aufgabe der Verwaltung ist, was die MA 40 auch in hervorragender Art und Weise tut, ganz klar zu schauen, dass Menschen, die einen Anspruch auf eine Leistung haben, diese Leistung bekommen, und auch ganz klar darauf zu schauen, dass Menschen, die einen Anspruch auf eine Leistung nicht haben, diese Leistung nicht bekommen. Und so sind wir in einer Situation, wo rund 30 Prozent der Anträge auf Mindestsicherung nicht bewilligt und abgelehnt werden und wir auch im Bereich des Vollzugs der Mindestsicherung in Wien deutlich mehr Sperren und Reduzierungen der Mindestsicherung haben, als es beim AMS der Fall ist. Und das ist gut und richtig so, denn es gibt ganz klare Regeln, an diese klaren Regeln müssen sich Menschen halten, aber im Gegenzug bedeutet das, dass wir alles daransetzen, dass die, die eine Leistung bekommen sollen, sie auch bekommen.

 

Weil der Herr Kollege Dworak gesagt hat – Entschuldigung, das war, glaube ich, der Kollege Aigner –, man soll sich das doch mit Niederösterreich anschauen: Genau das will ich nicht, dass wir uns das mit Niederösterreich anschauen. Wir können uns gerne verschiedene Veränderungen in der Mindestsicherung anschauen, aber ich möchte nicht, dass Wien eine so niedrige Take-up-Rate in der Mindestsicherung hat, wie das in Niederösterreich der Fall ist. Denn da ist es nämlich so, dass viele Menschen die Leistung, auf die sie einen Anspruch hätten, nicht bekommen, weil die Verwaltung so organisiert ist, dass hier ganz viele Hürden eingebaut sind. Ich glaube, dass es gut, richtig und wichtig ist – ich habe dieses Programm ja bei der Präsentation des Sozialberichtes auch vorgestellt –, dass wir uns insbesondere in einem noch stärkeren Ausmaß der jungen Mindestsicherungsbezieherinnen und -bezieher annehmen, weil es hier ganz stark darum geht, noch mehr Chancen für die jungen Menschen zu entwickeln. Da geht es darum, Angebote für sie zu machen – und, ja, ich habe diese Meinung immer vertreten und vertrete sie auch weiterhin – und darauf zu schauen, dass wir insbesondere bei den jungen Mindestsicherungsbeziehern und -bezieherinnen auch einen Paradigmenwechsel in der Mindestsicherung einleiten müssen, der in die Richtung mehr Sachleistungen und weniger Geldleistungen geht. Das bedeutet nicht – bevor da irgendwelche Missverständnisse entstehen –, dass es jetzt darum geht, dass die Menschen statt Geldleistungen Billa-Gutscheine bekommen, sondern dass es darum geht, dass insbesondere junge Menschen, die arbeitsfähig und gesund sind, eine Tätigkeit ausüben sollen und für diese Tätigkeit dann auch Mittel zur Verfügung bekommen, wobei es, um das Ziel der Mindestsicherung auch wirklich erreichen zu können, bei jungen Menschen andere Notwendigkeiten gibt, als das bei älteren der Fall ist.

 

Ich möchte zwei Bereiche herausgreifen, die mir ganz besonders wichtig erscheinen im Sozialbereich, die ein bisschen angesprochen worden sind, das eine ist der Wohnungslosenbereich, das andere ist der Flüchtlingsbereich. Ich denke, dass wir eine Situation in Wien haben, was den Obdachlosenbereich und den Wohnungslosenbereich betrifft, die ihresgleichen im Positiven sucht, weil wir einen Stufenplan und eine Versorgungssicherheit haben, die Sie in keiner anderen Millionenstadt finden. Ja, das lässt sich Wien viel kosten, und das ist gut so. Ich denke, dass wir gerade im Wohnungslosenbereich auch die gute Vernetzung innerhalb der Stadt und innerhalb der Geschäftsgruppe sehen sollten mit der engen Kooperation mit dem Psychosozialen Dienst, weil wir wissen, dass Wohnungslosigkeit oft auch mit einer psychischen Erkrankung einhergeht, dass es hier oft nicht nur um die Frage geht, das kann ich mir nicht leisten, sondern sehr oft auch weitreichende Probleme dahinterstehen.

 

Der zweite Bereich, den ich ansprechen möchte, und zwar ganz bewusst ansprechen möchte in dieser Situation, ist die Frage der Flüchtlingsbetreuung. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es liegt nicht daran, dass Wien an der Donau liegt, denn dann müsste sich das nämlich in Österreich fortpflanzen, es liegt aber auch nicht daran, dass durch Wien der Donaukanal fließt, und es ist nicht gottgewollt oder zufällig und liegt nicht daran, dass Wien eine Großstadt ist, es ist einzig und allein eine politische Entscheidung – besonders ablesen lässt sich das, seit es die Grundversorgungsvereinbarung gibt und das sind jetzt über zehn Jahre –, dass Wien an keinem einzigen Tag seine Verpflichtung zur Solidarität und zur Hilfe für jene, die vor Krieg, vor Terror, vor Verfolgung flüchten mussten, nicht erfüllt hat. Ich erachte es als wirklich niederträchtig, dass auf dem Rücken jener, die aus Situationen ihr Heimatland verlassen, wo ich davon ausgehe, dass niemand, der hier im Saal sitzt, sich das überhaupt vorstellen kann, politisches Kleingeld gemacht wird und polemisiert wird. Und ich erachte es als niederträchtig, insbesondere wenn es um Kinder geht, um Kinder, die in einen Krieg hineingeboren wurden oder in einem Krieg aufwachsen müssen und dann flüchten müssen, dass diese Kinder von politischen Funktionären dieser Stadt mit Ablehnung begrüßt werden. (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung). Ich verstehe, Herr Jung, dass Ihnen das jetzt unangenehm ist, und ich verstehe, Herr Jung, dass Sie sich jetzt möglicherweise dafür schämen, wobei ich mir bei Ihnen da nicht ganz sicher bin. Ich sage Ihnen jedenfalls, in dieser Stadt ist für diese Einstellung kein Platz. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN sowie von GR Dkfm Dr Fritz Aichinger.)

 

Ich sage Ihnen das darüber hinaus aus einer historischen Verantwortung, die Österreich auch hat, weil in den Jahren zwischen 1938 und 1943 135 000 Österreicherinnen und Österreicher, meist Jüdinnen und Juden und politisch Verfolgte, aus Österreich flüchten mussten und nur überleben konnten, weil sie in anderen Staaten aufgenommen wurden. Und alleine deshalb ist es unsere

 

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