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Gemeinderat, 68. Sitzung vom 30.06.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 70 von 90

 

nen und überall vollkommen gleiche Verhältnisse herrschen. Es soll jedoch überall ordentliche und menschenwürdige Verhältnisse geben, und der soziale Wohnbau in Wien trägt wesentlich dazu bei.

 

Und es ist natürlich auch ein wichtiger Gedanke, dass der soziale Wohnbau, wenn 60 Prozent davon profitieren, nicht von jenen, die etwas mehr verdienen, also von der Mittelschicht beziehungsweise der oberen Mittelschicht, quasi feindlich gesehen und zum Beispiel gesagt wird, wir müssen so viel zahlen für die anderen! Das ist hier nicht der Fall, denn die Akzeptanz eines Sozialsystems ist natürlich dann höher, wenn ein möglichst großer Prozentsatz der Bevölkerung, in diesem Fall eben 60 Prozent, direkt Vorteile durch dieses System hat. (Zwischenruf von GR Mag Christoph Chorherr.) Ja, gut. Man kann auch über das diskutieren, was du gesagt hast. Das ist nicht aus der Welt. Aber du hast ja keine radikale Umkehr gefordert, sondern eher fast eine kosmetische Korrektur, wie ich das bezeichnen würde! Aber grundsätzlich glaube ich, dass das Prinzip … (GR Mag Christoph Chorherr: Du hast das, glaube ich, nicht ganz verstanden!)

 

Gut. Grundsätzlich halte ich es aber jedenfalls für richtig, dass die Mittelschichten auch vom sozialen Wohnbau profitieren. Es hat sogar einmal der Präsident der Caritas Landau bei einer Tagung in einem ausführlichen Referat gesagt, dass es auch für die Armen besser ist, wenn sie nicht sozusagen irgendwo zusammengepfercht werden und nur ein bisschen Almosen bekommen, damit sie halt irgendwie weiterleben können, sondern wenn sie als gleichberechtigte Persönlichkeiten mit vielen anderen in würdevollen Wohnungen leben. – Das ist das Ziel.

 

Gleichzeitig steigt, wie gesagt, natürlich die Akzeptanz des Sozialstaates, wenn viele Menschen davon Vorteile haben. Dazu kommt dann noch, dass es sich natürlich, wenn 60 Prozent in solchen Wohnungen wohnen, auch auf den restlichen Wohnungsmarkt mietpreissenkend auswirkt. Es ist international nachgewiesen, dass wir in Wien relativ moderate Mieten haben.

 

Wir haben ein Segment im privaten Wohnungsbereich, wo das Mietrechtsgesetz – das übrigens verbessert gehört – nicht greift: 5 bis 7 Prozent der Mieten sind wirklich unerträglich hoch. Dafür bräuchte man ein besseres Mietrechtsgesetz beziehungsweise eine Möglichkeit, dass Bestimmungen auch in solchen Fällen greifen, denn das liegt teilweise außerhalb des Mietrechtsgesetzes. Die Leute, die dort sind, brauchen unsere Unterstützung. Dafür wäre ein neues Mietrechtsgesetz am besten, welches natürlich das Parlament beschließen müsste.

 

In Wien besteht jedenfalls wirklich die Situation – und das ist vorher von Chorherr auch gewürdigt worden –, dass wir ein historisches System aufgebaut haben, das man nicht einfach kopieren kann. Ich habe das auch in Frankfurt einmal bei einem Vortrag ausgeführt, und dann sind dort alle auf den grünen Stadtrat losgegangen, der für Wohnbau zuständig war, und haben gefragt, wieso tun Sie nicht das Gleiche wie in Wien. – Ich habe ihn dann fast verteidigen müssen! Ich habe gesagt, dass man das nicht innerhalb von einem Jahr oder zwei Jahren erreichen kann, wenn man vollkommen andere Bedingungen hatte, in den vergangenen 15 Jahren vollkommen dem Dämon freier Markt vertraut und alles, was an sozialem Wohnbau vorhanden war, zerstört hat. Dann ist es nicht möglich, plötzlich aus dem Nichts in wenigen Jahren wieder etwas Entsprechendes aufzubauen. Für so etwas braucht man viel Zeit, das dauert lang!

 

Umgekehrt muss man so etwas aber auch, wenn man es schon aufgebaut hat, sorgsam pflegen und intelligent in die Zukunft fortschreiben. Das ist wie beim Fahrrad: Entweder fährt es vorwärts, oder es fällt um. – Daher muss man sich weiter voll anstrengen, und das haben wir auch vor: Wir werden den sozialen Wohnbau in Wien im Interesse der Wienerinnen und Wiener intelligent fortschreiben. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Jetzt möchte ich auch noch ein bisschen auf das eingehen, was meine Vorredner gesagt haben.

 

Kollege Walter hat von der Wohnbauförderung auch für Eigentumswohnungen gesprochen: Wir haben in Wien durchaus auch Eigentumswohnungen gefördert. Es hat sich aber etwa ab 2009 herausgestellt, dass die Wohnbauträger das kaum nachgefragt haben. Sie müssen sich dort erkundigen, wieso diese das nicht wollten! Sie haben im Wesentlichen frei finanziert, wenn sie Eigentumswohnungen gebaut haben, und sonst wurde das wenig nachgefragt.

 

Allerdings greift etwa zu 20 Prozent das System der Mietkaufwohnungen Platz: Nach 10 Jahren kann man die geförderte Genossenschaftswohnung – wie es landläufig heißt – beziehungsweise die geförderte Mietwohnung kaufen. Aber auch das wird durchaus diskutiert. Nicht alle sagen, dass es total super ist, dass man diese Wohnungen dann kaufen kann. Für die Betroffenen ist das sicherlich recht positiv. Insgesamt gibt es im Hinblick auf dieses System Leute, die sagen, dass es sehr gut ist, aber auch Leute, die sagen, dass es nicht optimal ist.

 

Ich glaube, dass es im Prinzip gut ist, meine aber, dass man dieses Element, dass alles gekauft wird, nicht übertreiben soll, weil dann natürlich der Kreislauf nicht in dem Sinn gegeben ist, wie wir uns das bis zu einem gewissen Grad wünschen.

 

Womit ich bei den Gemeindewohnungen und bei dem Argument bin, dass die Mieten ans Einkommen angepasst werden sollen: Absurd ist das auf das Erste nicht, trotzdem halte ich es für mehr bedenklich als für positiv, und deshalb lehne ich das im Ergebnis aus folgenden Gründen ab: Erstens geht es ja um eine Durchmischung. Zweitens wäre der Aufwand dafür sehr groß.

 

Und drittens ist die Arbeitswelt heute nicht mehr so wie in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als ein großer Teil der Bevölkerung kontinuierlich immer mehr verdient und großteils 40 Stunden gearbeitet hat. Das war in den 70er Jahren und Anfang der 80er Jahre der Fall. Damals konnte man sich ausrechnen, wann man wie viel verdienen wird, und so weiter. Durch die Weltfinanzkrise und die Krise des internationalen Finanzkapitals, das diese hervorgerufen hat, sind die Beschäftigungsverhältnisse aber nicht mehr so stabil. Das ist einfach so! Das heißt, Leute verdienen heute vielleicht ganz gut, sind dann aber arbeitslos und verdienen mög

 

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