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Gemeinderat, 70. Sitzung vom 23.09.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 52 von 94

 

Im internationalen Vergleich stehen wir im bildungspolitischen Bereich schlechter da als in vielen anderen Bereichen. Wir haben tatsächlich ein Problem, das es nicht überall in diesem Ausmaß gibt. Bildung wird bei uns noch stärker vererbt als überall. Natürlich ist es in jedem Land ein Vorteil, wenn du eine Bildungskarriere in diesem Bereich anstrebst, wenn deine Eltern Akademiker/Akademikerinnen sind. Aber nirgends ist es so deutlich wie bei uns. In anderen Ländern ist es leichter, wenn man aus Haushalten kommt, die bildungsferner sind, die ökonomisch schwächer sind. Der dritte Punkt, der bei uns dazukommt und die Diskussion überlagert, ist nämlich der Migrationshintergrund. Diese drei Punkte benachteiligen dich in Österreich mehr als anderswo. Was kann man dagegen machen und was wird auch schon gemacht? Es ist vorhin von der GRin Leeb richtig gesagt worden, ganz früh anfangen, weil Sie auch den Kindergarten erwähnt hat, wie notwendig das ist. Zum einen auch für Männer und Frauen, die beide arbeiten gehen wollen, zum anderen aber auch für die Kinder selber, weil es die erste Bildungseinrichtung ist.

 

Jetzt stehen wir in Wien, das ist dann, glaube ich, die Aufgabe von GR Vettermann, die ganzen positiven Zahlen zu sagen, nämlich die Entwicklung des Ausbaues in Wien, tatsächlich im Vergleich zu den anderen acht Bundesländern viel besser da, wenn es um die Quantität geht, und viel besser da, wenn es um die Öffnungszeiten geht. Alle, die Kinder im Kindergarten haben, und das habe ich jetzt schon wieder hinter mir, wissen, mit 4 Schließtagen gegenüber über 50 Schließtagen in der Steiermark ist das ein Unterschied. Ich hab keine Ahnung, wie die das in der Steiermark dann privat organisieren. Da braucht es Großfamilien dazu, dass du das machen kannst. Das funktioniert so leicht nicht. Da haben wir in Wien einen Vorteil. Und trotzdem haben wir in Wien noch einen höheren Bedarf. Wir alle kennen die Leute, die im September kommen und sagen, ich kriege keinen Platz. Wir machen Hausbesuche und sind in der Seestadt. Und die, die dort einen Platz haben, sind eh froh, nämlich auch über die Qualität dort. Aber offensichtlich wohnen dort so viele Leute, dass es vor Ort nicht einmal ausreicht und die müssen halt von dort – okay, die haben die U2 vor der Haustüre - mit der U2 in die Stadt hineinfahren.

 

Im Bildungsbereich gibt es für die nächste Koalition in Wien viel zu tun. Im Wahlkampf gibt es unterschiedliche Forderungen. Wir hätten gerne, dass sich die Stadt Wien auf Sicht vornimmt, dass tatsächlich jedes Kind ab dem zweiten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz hat. Das geht nicht über Nacht, das ist allen klar. Aber momentan ist es so, dass sehr viele Eltern deswegen keinen Platz kriegen, weil sie nicht berufstätig ist oder er nicht berufstätig ist oder sie schwanger ist und das nächste Kind kommt und deswegen keinen Platz braucht, weil sie eh selber aufpassen kann. Der Bedarf ist viel höher. In deutschen Bundesländern gibt es diese Garantie. Dass das bedeutet, den Ausbau, den man in den letzten Jahren eh massiv gemacht hat, noch zu verstärken, ist auch klar. Wenn aber alle wissen, dass der Kindergartenbereich die Voraussetzung dafür ist, dass je länger man im Kindergarten ist, desto leichter ist natürlich der Schuleintritt, so hilft das erstens einmal allen. Aber es hilft vor allem jenen, die sonst mit einem Nachteil in der Schule beginnen müssen.

 

Das Zweite ist: Wir brauchen mehr Lehrer und Lehrerinnen in der Schule. Wenn wir warten, bis auf Bundesebene Lösungen kommen, dann ist es wie in vielen anderen Themenbereichen: Dann warten wir und warten wir und warten wir und es kommt nicht. Wien kann nicht … (GR Mag Wolfgang Jung: Das sind ja Ihre eigenen Leute! – Aufregung bei der ÖVP.) Wien kann nicht jeden einzelnen Fehler der Bundesregierung korrigieren, aber viele Dinge schon. Und das, was es nachher braucht, und da fangt ja das Problem erst an, weil man könnte sehr viel von diesen Sätzen sagen und alle sind dafür, aber dann kommt die Prioritätensetzung.

 

Wofür wird das Geld, und zugegebenermaßen, das knappe Geld, ausgegeben? Die einen bauen. Man wird sich am Schluss überlegen müssen, wie viel Geld geht in den Straßenbau hinein, wie viel geht in die Schulen, und man wird das, wie es heißt, gegeneinander ausspielen. Aber es stimmt halt: Eine Million kannst du nur ein Mal ausgeben und nicht zwei Mal. Den Schuldenstand können wir nicht beliebig erhöhen, das wissen wir auch, weil die Gegebenheiten und die Regeln so sind wie sie sind. Also werden wir uns gemeinsam bemühen müssen, dass wir überlegen, ob die Priorität tatsächlich in der Schule und im Kindergarten ist, oder ob das eine von zwölf Prioritäten ist und damit keine ist. Man kann nicht jeden Bereich als Priorität bezeichnen.

 

Ich kann jetzt nicht alle, die Abschiedsreden halten, noch einmal aufzählen, weil das fast alle machen. Aber wenn jemand direkt davor eine Abschiedsrede gehalten hat - die Frau Leeb und ich waren ja gemeinsam nichtamtsführende Stadträte, das heißt, wir waren gemeinsam in Opposition. Dort sind wir eigentlich nicht so schlecht miteinander ausgekommen und konnten natürlich – logisch, da war die Regierung, da war die Opposition und da hat man öfter mal eine deckungsgleiche Art zu arbeiten. Das ist das, was da immer als Appell kommt: Wir sollen alle gemeinsam. Es kann ja nicht sein und wäre es mit der Regierung umgekehrt gewesen und es wäre jetzt Rot-Schwarz gewesen, dann wären wahrscheinlich auch manche Texte umgekehrt gewesen, als sie jetzt laufen. Die Frage ist, ob das, was funktioniert, wenn man in einer ähnlichen Rolle ist, wirklich ausschließlich rollenabhängig ist, weil das scheint ja dann nicht ausschließlich mit dem zu tun zu haben. Das ist jetzt keine Kritik an Sie, sondern das ist höchstens eine Selbstkritik und eine Kritik, ob man nicht versuchen kann, das gemeinsam zu machen, was man sich tatsächlich zusammen vorstellt.

 

Bei den Abschiedsreden merkt man bei allen Einzelnen ein bissel die Sehnsucht nach „Könnte man nicht immer normal miteinander reden?“ Man merkt es auch bei denen, die diejenigen loben, die Abschiedsreden gehalten haben, dass es genug gibt zum Loben. Es fällt ja nicht schwer, man lässt halt das aus, was man kritisieren möchte. Aber offensichtlich finden die meisten eh

 

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