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Gemeinderat, 71. Sitzung vom 25.09.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 8 von 21

 

nen und Bürger bedeutet: Passamt, Meldeamt, Bürgerservice, Impfstelle, Wahlreferat, Baumschutzreferat, Buschenschankreferat, Fundamt, Lebensbestätigung, Religionsaustritt und Stadtkassa. Das Standesamt soll zusammengezogen werden für den 17., 18. und 19. Bezirk. Na Wunder, wo? - Im Bürgermeisterbezirk, in Ottakring. Und das nennt man dann Bürgernähe, Bürgerservice. In erster Linie trifft es die Menschen, die dann von A nach B pendeln müssen, obwohl wir genau wissen, dass gerade in den Außen- und Flächenbezirken die Verkehrsmittel des öffentlichen Verkehrs gar nicht bis recht und schlecht funktionieren. Deshalb bringe ich mit meiner Kollegin Barbara Feldmann und meinem Kollegen Martin Flicker folgenden Beschlussantrag ein:

 

„Der Wiener Gemeinderat spricht sich für den Erhalt des Standortes des Magistratischen Bezirksamtes für den 19. Bezirk in Döbling aus. Bei größeren Flächenbezirken wie Döbling ist eine Verlegung des Magistratischen Bezirksamtes auf Grund der weiten Wegstrecke für die Bevölkerung bürgerfern und problematisch.

 

In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung verlangt.“ (Beifall bei der ÖVP.)

 

Aber ich möchte noch ein Thema anreißen, das auch in das Ressort von Michi Ludwig gehört, und möchte Ihnen hierzu nur einen Brief von einer alten Winzerfamilie vorlesen, die seit dem 18. Jahrhundert dort ihren Buschenschank- und Weinbaubetrieb führt. In diesem Brief, in dem es um die Schutzzonenthematik geht, zeigt sich, wie mit Menschen in dieser Stadt umgegangen wird - und das ist symptomatisch. Ich möchte Ihnen das kurz vorlesen:

 

„Sehr geehrter Herr Stadtrat! Wir, die Familie Kierlinger, wenden uns als eine der letzten Winzerfamilien von Döbling-Nußdorf an Sie in Ihrer Funktion als für die Baubehörde zuständiger amtsführender Stadtrat. Auch wenn wir mit diesem Mail, wie uns die letzten Monate gezeigt haben, Gefahr laufen, im Nirwana der Rathauskorrespondenz zu verschwinden, wir geben nicht auf, weil es um unsere Existenz geht, um den Fortbestand unseres seit Jahrhunderten bestehenden Weinbau- und Heurigenbetriebes.

 

Vor geraumer Zeit haben Sie von unserem Bezirksvorsteher Adi Tiller eine Stellungnahme zu einem Bauprojekt erhalten - da geht es um die Zahnradbahnstraße 13a -, welches sich in unmittelbarer Nähe zu unserem Heurigenbetrieb befindet. Das Bauprojekt befindet sich in einer Schutzzone inmitten alter Winzerhäuser und besteht aus drei Häusern, wobei insbesondere das überdimensionierte Mittelhaus mit seiner Gebäudehöhe von 15,85 m - Glasaufbau plus 2 Dachgeschoße - keinesfalls in unser Ortsbild passt und durch die zu unserem Gastgarten gerichteten Terrassen, Balkone und Fenster auch eine betriebliche Beeinträchtigung durch Anrainerbeschwerden zu befürchten ist.

 

Vergangenes Jahr haben wir zu diesem Thema auch eine Petition „Rettet Nußdorf“ im Wiener Petitionsausschuss eingebracht. Über 2 200 Unterschriften wurden gesammelt. Wir wurden auch zu einer mündlichen Stellungnahme eingeladen. Alle Ausschussteilnehmer waren sehr verständnisvoll, was die Existenzgefährdung unseres Betriebes betrifft, und haben auch die Empfehlung abgegeben: Prüfung von möglichen Maßnahmen zum Fortbestand des Heurigenbetriebes. Aber wie sich herausgestellt hat, war das alles nur heiße Luft. Kein Mensch prüft irgendetwas. Der Wiener Petitionsausschuss hat nichts mit direkter Demokratie zu tun, sondern ist eine reine Beschäftigungstherapie für Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Im Oktober 2014 war die Frau Vizebürgermeisterin bei uns vor Ort, um sich ein Bild von dem geplanten Projekt zu machen. Auch sie war von dem überdimensionierten Mittelhaus entsetzt - mit dem Ergebnis, dass die MA 19 das Projekt genehmigt hat. Also wieder viel heiße Luft. Selbst der zuständige Baureferent der MA 37 hat gemeint, er findet das Projekt nicht gelungen, würde hier niemals einziehen, und Probleme mit den Anrainern sind vorprogrammiert, aber leider kann auch er nur prüfen, ob das Projekt der Bauordnung entspricht.

 

Dann unsere nächste Hoffnung: Nachdem selbst der Bezirk Einspruch erhoben hat, schreibt unser Bezirksvorsteher an Sie, Herr Stadtrat, der Sie öffentlich kundgetan haben, dass Weinbaubetriebe in Schutzzonen künftig durch Neubauten keineswegs ortsbildmäßig beeinträchtigt beziehungsweise betrieblich benachteiligt werden dürfen. Und als Antwort bekommen wir einen Stempel mit ‚gesehen‘ retourniert. Was genau haben Sie gesehen, Herr Stadtrat? Wir laden Sie gerne ein, sich bei uns vor Ort die Problematik wirklich anzusehen. Oder war das auch wieder nur viel heiße Luft beim Heurigen Wolff am 14.1.2014?

 

Das Bauprojekt ist mit Ihrem Stempel also - ohne weitere Analyse beziehungsweise Kontaktaufnahme mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern - bewilligt, und der gültige Bescheid ist bereits ergangen. Unser letzter Ausweg ist es nun, uns mit der Angelegenheit an den Verwaltungsgerichtshof zu wenden.

 

Die Bebauungsbestimmungen in Schutzzonen sind der reinste Wahnsinn. Geschützt wird hier gar nichts, ganz im Gegenteil: Alte Winzerdörfer werden bald nicht mehr erkennbar sein, sondern austauschbare Stadtteile in irgendeiner Großstadt. Überall in Döbling schießen moderne Luxusbauten aus dem Boden, Wohnungen, die für die meisten Bürger nicht leistbar sind. Viele Jungfamilien ziehen weg aus Döbling, und die neuen Wohnungseigentümer nehmen kaum am Ortsgeschehen teil. Aus alten Winzerdörfern werden Luxusschlafstätten.

 

Wir fordern, dass unserem alten Weinbau- und Heurigenbetrieb in Zeiten von Kapitalismus und Spekulationen eine Chance gegeben wird (GR Dipl-Ing Martin Margulies: He?) und wir nicht dafür bestraft werden,“ (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Ein Kapitalist … den Kapitalismus abschaffen!) - ich lese den Brief vor (GRe Dipl-Ing Martin Margulies und Dr Kurt Stürzenbecher: Ach so!) -, „dass wir unsere Grundstücke und unsere Tradition …“ (Weitere Zwischenrufe bei den GRÜNEN.)

 

Ihr habt ja nicht zugehört, ihr habt nicht aufgepasst! Ihr habt nämlich getratscht, obwohl es euch mindestens so viel betrifft wie den Michi Ludwig (Beifall bei der ÖVP.), denn Flächenwidmungen, das ist euer Ressort. Aber bitte. (GR Mag Rüdiger Maresch: Der Bauernbund

 

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