Gemeinderat, 5. Sitzung vom 23.02.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 76 von 114
dann ergibt sich in diesem Fall unserer Meinung nach für den Steuerzahler durch die Privatisierung von öffentlichem Grund ein Schaden von mindestens 2 bis 3 Millionen EUR. Und das ist nichts anderes als eine Privatisierung: Die Stadt Wien privatisiert hier öffentlichen Grund und Boden zu Gunsten einer privaten Firma, und ganz besonders übel an der ganzen Geschichte, wenn man das nachvollzieht, ist, dass diese Firma zu 86 Prozent der Gewerkschaft Bau-Holz gehört. – Es ist schon eine eigenartige Interpretation von Privatisierung, wenn die eigenen Freunde davon profitieren! Das Ganze läuft von Freunden für Freunde.
Auch dafür haben Sie ein unabhängiges Gutachten beauftragt, und zwar – auch davon haben wir schon gehört – von dem gleichen Gutachter, der zuvor dieses Haus auf dem Areal für 500.000 EUR gekauft hat – Darauf möchte ich dann ein bisschen später auch noch zurückkommen.
Aber jetzt zu der Kernfrage: Ich meine, wenn man sich schon dazu entschließt – und das ist, wie gesagt, eine politische Debatte –, öffentlichen Grund und Boden in einer solchen Lage zu verkaufen, dann macht man ein Bieterverfahren. Man kann unter Umständen auch ein Gutachten erstellen lassen, dann hat man sozusagen eine gewisse Grundlage. Der Sinn eines Bieterverfahrens aber ist, dass man prüft, was der Markt in einer gewissen Lage hergibt.
Ich glaube, wirklich so gut wie jeder aus der Immobilienbranche wird Ihnen bestätigen, dass dort jeder jeden Preis gezahlt hätte, noch dazu, wenn man dort dann die Möglichkeit hat, diese Luxuswohnungen auszubauen. Das heißt: Dass Sie kein Bieterverfahren durchgezogen haben, zeugt ja davon, dass Sie es nicht wollten. Sie wollten hier nicht den besten Bieter, sondern Sie wollten einen ganz bestimmten Käufer, und dem haben Sie diesen Deal zu einem Schleuderpreis zugeschanzt, und das zeugt nicht von einer besonders hohen Moral!
Ich möchte jetzt zu diesem Punkt etwas sagen, weil Sie, Herr Chorherr, damals im Zuge des Semmelweis-Verkaufes Folgendes – ich habe das einmal nachgelesen, und ich habe es heute auch schon getwittert – betont haben: Es sei nicht das Ziel, dieses Grundstück zu einem möglichst hohen Preis zu verscherbeln.
Ich habe jetzt ein bisschen über dieses Wort „verscherbeln“ nachgedacht: „Verscherbeln“ heißt für mich, etwas unter Wert zu veräußern. – Genau das ist aber geschehen! In beiden Fällen haben Sie die Liegenschaften unter einem angemessenen Wert „verscherbelt“ und eben nicht das getan, was man hätte tun sollen, nämlich wirklich dafür zu sorgen, dass das letztlich auch ein gutes Geschäft für die Steuerzahlerin und den Steuerzahler wird.
Auf einen Punkt möchte ich auch noch eingehen: Sie haben diesem Verkauf an den Gutachter selbst – ich glaube, damals waren Sie noch in der Opposition – nicht zugestimmt, Sie haben allerdings dann – das ist mein Informationsstand, bitte, das gerne zu widerlegen oder zu bestätigen! – das Thema sehr wohl auch für politischen Aktionismus oder Populismus, wie ich es ausdrücken möchte, genutzt. Sie haben nämlich dann sofort ein Schreiben an alle Mieterinnen und Mieter in diesem Haus verfasst, dass jetzt der Immobilienspekulant kommt und alle hinauswerfen wird. – Das ist meiner Meinung nach – verzeihen Sie mir – auch nicht gerade ein redlicher Weg in der Politik, wenn Sie hier mit Angstmache agieren, und umso schlimmer ist es natürlich meiner Meinung nach, dass Sie dann bei den nachfolgenden Deals immer mitgestimmt haben.
Zu dieser at home. Das ist für mich auch keine neue Gesellschaft, mit der ich mich beschäftige. Mein Kollege hat heute am Vormittag aufgezeigt: Wir haben nicht zugestimmt diesem Mietvertrag mit der Schule, die von der Baugesellschaft oder Wohnbaugenossenschaft der Gewerkschaft der Privatangestellten erst errichtet werden muss. Hiebei handelt es sich unserer Meinung nach um eine klare Umgehung des Vergaberechts. Dort haben wir allerdings das Problem, dass wir nicht dagegen vorgehen können, außer es findet sich ein sehr mutigen Bauträger, der sagt, ich wurde hier potenziell geschädigt, ich hätte hier auch zum Zug kommen können, ich gehe dagegen vor!
Die at home war schon einmal in einen solchen Fall verwickelt, in dem es einen mutigen Bauträger gegeben hat: Damals hat der Rechnungshof im Zusammenhang mit den damals im Eigentum der Stadt Wien befindlichen Patrizierwohnhäusern, die definitiv keine Gemeindebauten im klassischen Sinn sind, zu Recht festgestellt, dass man das entweder verkaufen – das wäre übrigens auch unser Ansatz, um dann mehr Geld für die eigentliche Kernaufgabe der Stadt, nämlich den sozialen Wohnbau zu haben – oder dass man zumindest Marktmieten verlangen soll.
Damals wurde dann diese Konstruktion der WISEG GmbH & Co KG gefunden. Diese Wohnhäuser wurden dort eingebracht. Die at home ist Komplementärin dieser WISEG GmbH & Co KG und Eigentümerin der WISEG GmbH ist die at home, und die Bewirtschaftung und Verwaltung der Grundstücke wird dieser WISEG GmbH und damit der at home gegeben. – Das heißt, auch das ist ein sehr lukrativer Deal letztlich ohne Ausschreibung für die Gewerkschaft Bau-Holz.
Ein Bauträger ist dagegen vorgegangen: Er hat gewonnen. Der Vergabekontrollsenat hat damals die Stadt Wien zu einer Strafe von 10.000 EUR, wie ich glaube, verurteilt, zu zahlen an den Fonds Soziales Wien. – Das ist wahrscheinlich nicht sehr abschreckend, aber ich glaube, diese Abtretungsverträge wurden auch als nichtig erklärt.
Und was haben die Stadt und Wiener Wohnen gemacht? – Sie haben das einfach wieder getan! Sie haben ganz genau das Gleiche wieder getan. Und wenn man dann fragt, wieso nicht wieder dagegen vorgegangen wurde, dann ist die Aussage ganz klar. Der Bauträger sagt: „Ich bin ja nicht deppert! Ich habe jedes Mal Kosten, die dabei anfallen, und an Ihnen perlt all das ab.“
Ein letzter Kommentar noch: In dieser WISEG GmbH gibt es drei Geschäftsführer, die beiden Geschäftsführer der at home und den Herrn Büroleiter des Herrn StR Ludwig. Das halte ich insofern doch für ein pikantes Detail, wenn man jetzt anhand dieses Semmelweis-
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