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Gemeinderat, 8. Sitzung vom 29.04.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 41 von 107

 

Städtebund in Auftrag gegeben worden war, präsentiert, und ich denke mir, dass es ganz wichtig und Aufgabe unserer Politik ist, dieses doch sehr komplexe Werk, nämlich dieses 1.600 Seiten umfassende Dokument quasi herunterzubrechen und den Menschen klar und verständlich zu machen, was das bedeutet.

 

Es ist dies nämlich ein sehr technisches Dokument, und was würde das im Endeffekt letztlich für die öffentliche Daseinsvorsorge bedeuten? - Es geht darum, hier die Folgen und Risiken dieses Abkommens zu veranschaulichen. Daher beobachten wir schon sehr lange den Verlauf dieser Verhandlungen der Europäischen Union mit Kanada über eines der umfassendsten und am tiefsten gehenden Freihandelsabkommen, wie wir es in dieser Form noch nie erlebt haben.

 

Manch einer mag sich fragen: Warum dieser Aufruhr? Warum diese Kritik? Warum dieser Protest? Es gab in der Vergangenheit doch unzählige Freihandelsabkommen! - Das mag schon sein, aber diese Dimension hatten wir bisher noch nicht. Hier geht es in der Tat um Angriffe auf sozialstaatliche Einrichtungen und Errungenschaften: Es geht hier um Bildung, es geht um Gesundheit, es geht um Wasser, es geht um Abwasser, es geht eigentlich um die Art und Weise, wie wir bisher Gesellschaft organisiert haben. Das steht auf dem Spiel! Daher müssen wir vorsichtig sein und unsere Bedenken zum Ausdruck bringen.

 

Wir sind nämlich der Meinung, dass es sehr wichtig ist, dass der Staat eine sehr starke und wichtige Rolle einnimmt beziehungsweise dass die Stadt und die Kommunen eine bedeutende Rolle einnehmen. Mit der Implementierung eines derartigen Abkommens ist aber die Zerschlagung dieses Modells zu befürchten, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Gerade die Städte und Kommunen wären am meisten betroffen! Gerade in einer Zeit, in der die Urbanisierung voranschreitet, in der Menschen immer mehr in die Städte ziehen und die Herausforderungen immer größer werden, ist das Angebot an kommunalen Dienstleistungen sehr wichtig. - Wir sorgen mit der öffentlichen Daseinsvorsorge dafür, dass das Leben in der Stadt gut funktioniert. Wir sorgen dafür, dass es eine sehr, sehr hohe Lebensqualität gibt, und dafür wird ja Wien immer wieder gerühmt. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Ohne jetzt auf die technischen Details dieses Abkommens eingehen zu wollen, weil dazu wirklich schon sehr viel gesagt wurde, muss man doch etwas dazusagen: Ich kann die Auffassung nicht teilen, wenn man sagt, dass die Daseinsvorsorge eh ausgenommen wird und alles nicht so schlimm ist. - Das kann ich so nicht teilen, denn es gibt dieses Prinzip der Liberalisierungsverpflichtung als wesentlichen Bestandteil dieses Abkommens. Diese Liberalisierungsverpflichtung wird zur Norm erhoben, und alles andere wird zur Ausnahme degradiert. In Wirklichkeit geht es darum, dem Markt alle Bereiche unserer Gesellschaft zu öffnen, und dort, wo man das nicht will, müssten wir in den nächsten 10, 20, 30 Jahren um die Daseinsvorsorge kämpfen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nicht in die Situation kommen, dass ich die nächsten Jahrzehnte damit verbringen muss, dauernd in die Defensive gedrängt zu werden, wenn ich die Wichtigkeit und Bedeutung der öffentlichen Daseinsvorsorge rechtfertigen muss. Das will ich einfach nicht! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Einige sagen, man kann ja eh Ausnahmen hineinreklamieren. - Nein! So einfach ist das nicht: Wenn man sich dieses Abkommen anschaut, so kann es zum Beispiel dort, wo Ausnahmen unklar sind, durchaus möglich sein, dass dann plötzlich Schiedsgerichte darüber entscheiden. Das heißt: Die Daseinsvorsorge ist sehr wohl gefährdet.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Investitionsschutzabkommen, das des Öfteren heute schon angesprochen wurde und das auch in der Dritten Welt immer wieder zur Anwendung angekommen ist, stellt einen Nachteil für die Entwicklungsländer dar und bedeutet in Wirklichkeit einen der größten Eingriffe in die Souveränität unserer Staaten und unserer Städte und Kommunen. Diese wird ausgehebelt - man muss es so sagen, wie es ist - durch Profitinteressen internationaler Konzerne, die glauben, durch private Schiedsgerichte, die sich der Kontrolle der Staaten entziehen, ganzen Staaten vorschreiben zu können, welche Standards sie im Bereich der Umwelt, des Arbeitnehmerschutzes oder im Bereich des Konsumentenschutzes überhaupt haben dürfen. Und überall dort, wo sich Unternehmen in ihren Investitionen benachteiligt fühlen, dürften sie kostspielig Staaten klagen!

 

Wir sehen auch an den Beispielen, die hier heute schon genannt wurden, was das für die Staaten bedeutet, wenn sie bedrängt werden und sich in Wirklichkeit überlegen müssen, ob sie sich auf einen Prozess einlassen oder sich das nicht antun, weil natürlich das Kostenrisiko erheblich ist und die Staaten dann klein beigeben müssen.

 

Es ist nicht einzusehen, dass jeder Bürger und jede Bürgerin ihre rechtlichen Interessen dadurch durchsetzen können, indem sie staatliche Gerichte befassen, in diesem Zusammenhang aber plötzlich internationale private Unternehmen durch Sondergerichte privilegiert werden! Weshalb? Warum? Hier werden tatsächlich die Interessen internationaler Unternehmen über die des Allgemeinwohls gestellt! Das können wir nicht unterstützen! Das lehnen wir tatkräftig ab! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Wir haben heute, gemeinsam mit den GRÜNEN, auch einen Antrag eingebracht, mit dem wir die Bundesregierung und insbesondere den hierfür zuständigen ÖVP-Minister für Wirtschaft auffordern, dafür Sorge zu tragen, dass es nicht sein kann, dass ein derartiges Abkommen mit so weitreichenden Einschnitten ohne die Befassung der nationalen Parlamente beschlossen werden kann. Das ist ein No-Go für uns! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.) Ich darf den diesbezüglichen Antrag zur Abstimmung einbringen.

 

Wir fordern in diesem Antrag auch ganz eindeutig, dass es keine Einrichtung privater Schiedsgerichte geben darf. Es darf keine Liberalisierungsverpflichtungen geben, die Auswirkungen auf die öffentliche Daseinsvor

 

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