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Gemeinderat, 8. Sitzung vom 29.04.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 107

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Teiber. Ich erteile es ihr.

 

13.22.27

GRin Barbara Teiber, MA (SPÖ)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Frau Vorsitzende!

 

Die Aktualität und Brisanz des Themas, mit dem wir uns hier heute beschäftigen, hat vor allem auch damit zu tun, dass die Europäische Kommission angekündigt hat, schon Anfang Juni die notwendigen Vorschläge zur Unterzeichnung und zur vorläufigen Anwendung von CETA vorzulegen.

 

Der endgültige Text des geplanten Freihandelsabkommens der EU und ihrer Mitgliedstaaten mit Kanada liegt nunmehr vor, vieles ist aber wirklich weiterhin unklar, und viele Folgen sind einfach nicht absehbar.

 

Klar ist aber: Das Abkommen inkludiert nach wie vor ganz viele problematische Inhalte, und zwar dieselben Inhalte, die auch Gegenstand der Verhandlungen zwischen den USA und der EU zu TTIP sind, und diese problematischen Inhalte haben ja schon ganz viele Vorredner und Vorrednerinnen vor mir angesprochen.

 

Aber noch einmal kurz zurück zur Aktualität von CETA: Nach Beratungen in den zuständigen Ratsausschüssen könnte eine formelle Annahme bereits im Sommer, spätestens jedoch im September erfolgen. Das heißt, CETA könnte dann schon im Oktober unterzeichnet werden und kurz darauf provisorisch auch schon in Kraft treten. Die EU-Kommission setzt anscheinend wirklich alles daran, vollendete Tatsachen zu schaffen, indem möglichst rasch ein vorläufiges Inkrafttreten des CETA-Abkommens durchgesetzt beziehungsweise durchgepeitscht wird!

 

Was mich dabei wirklich traurig stimmt, ist, dass das Wirtschaftsministerium auch seinen Beitrag dazu leistet! Bereits jetzt wurde im handelspolitischen Ausschuss des Rates von den Mitgliedstaaten eine Zustimmung zur vorläufigen Anwendung für die europäischen Teile des Abkommens eingefordert, und jetzt kommt das, und das ist wirklich durchaus bedenklich! Das Wirtschaftsministerium wollte das ohne weitere innerstaatliche Abstimmung in Österreich bereits gewähren, und nur auf Grund von Interventionen von vielen Seiten gibt es diesbezüglich doch eine rechtliche Prüfung.

 

Im Hinblick darauf, dass CETA, wie auch schon von StRin Brauner erwähnt, ein wirklich umfassendes Abkommen einer neuen Generation ist, das deutlich über die bisherigen EU-Handelsabkommen hinausgeht, ist dies wirklich demokratiepolitisch und verfassungsrechtlich bedenklich und auch abzulehnen. Warum? - Viele Punkte wurden schon erwähnt. Ich möchte noch einmal zwei herausstreichen: Erstens ist überhaupt strittig, welche Bestimmungen eines solchen Abkommens überhaupt in Unionskompetenz fallen, und zweitens besteht keine Pflicht der EU-Organe, eine vorläufige Anwendung im Falle eines ablehnenden Votums durch ein nationales Parlament zu beenden.

 

Deshalb richte ich auch nochmals einen Appell an die Bundesregierung und besonders an den Wirtschaftsminister, den CETA-Vertrag dem Nationalrat in seiner Gesamtheit zum Beschluss vorzulegen. Eine vorläufige Anwendung auch nur von Vertragsteilen darf auf keinen Fall in Frage kommen! Es muss sichergestellt werden, dass das Abkommen vor der Genehmigung durch den Nationalrat keine rechtliche Wirkung entfalten kann.

 

Aber nicht nur aus verfassungsrechtlicher Sicht und aus demokratiepolitischen Gründen, sondern vor allem aus inhaltlichen Gründen ist das CETA-Abkommen in der jetzigen Form abzulehnen, und zwar vor allem auch deswegen, weil ja das CETA-Abkommen aus Blaupause für das TTIP-Abkommen gilt.

 

Im Zusammenhang mit dem Abkommen mit den USA wurden ja viele Inhalte schon von meinen Vorrednern und Vorrednerinnen angesprochen. Ich möchte noch einmal besonders betonen und erwähnen, warum ich gerade als sozialdemokratische Gewerkschafterin wirklich große Skepsis gegenüber diesem Abkommen habe und meine, dass wirklich große Skepsis angebracht ist.

 

Im Zentrum steht generell die Bedrohung öffentlicher Dienstleistungen, die sich aus den weitreichenden Investitionsschutzklauseln, die in CETA verankert wurden und auch für TTIP vorgesehen sind, ergeben.

 

Das als „Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren“ bezeichnete System würde es tausenden Unternehmen aus den USA und Kanada ermöglichen, die EU und ihre Mitgliedstaaten wegen Änderungen im Dienstleistungssektor, die sich negativ auf die Erträge und auf die Ertragslage der Unternehmen auswirken, zu klagen, und zwar auf Entschädigungszahlungen in der Höhe von mehreren Millionen oder auch Milliarden Euro als mögliche Folge, und wir müssten das durch Steuergelder aufbringen.

 

Diese Folgen sind durchaus real, auch wenn das die Kolleginnen und Kollegen von den NEOS anders sehen! Diese Folgen sind durchaus real, denn politische Entscheidungen zur Regulierung öffentlicher Dienstleistungen zum Beispiel betreffend Höchstpreise zur Wasserversorgung oder die Rücknahme von Privatisierungen waren bereits Gegenstand solcher Investorklagen.

 

Was mich als Gewerkschafterin wirklich wütend macht, ist, dass die Europäische Kommission die Forderung der Wirtschaftslobby - genauso klar muss man das wirklich ausdrücken! - einfach erfüllt hat, nämlich derzeitige und auch zukünftige Liberalisierungen sowie Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen unumkehrbar zu machen, auch wenn sich solche Privatisierungen und Liberalisierungen als ganz klarer Fehler erweisen und wirklich nur zum Nachteil unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen sind.

 

Das ist, gelinde gesagt, wirklich ein Irrsinn! Ich greife jetzt bewusst zu diesen Worten, denn genau das wird dazu führen, dass immer mehr Menschen den Glauben an die Handlungsfähigkeit der Politik verlieren!

 

Es ist auch erschreckend, dass die Europäische Kommission der Dienstleistungsindustrie bereitwillig den roten Teppich ausrollt und ausgerollt hat. Mehrere kritische Studien zeigen, wie aggressiv die Dienstleistungskonzerne in diesem Zusammenhang vorgehen, welche aggressiven Strategien sie anwenden, um im Hinblick auf TTIP und CETA einfach eine weitgehende Marktöffnung in den Bereichen Gesundheit, Kultur, Postdienste,

 

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