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Gemeinderat, 19. Sitzung vom 26.01.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 58 von 125

 

Abstand zwischen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und den Einkommen mancher Arbeitnehmer zu gering ist, dann stimme ich ihr zu. Aber daraus kann man doch nicht die politische These ableiten: Kürzen wir die Bedarfsorientierte Mindestsicherung, damit der Abstand zum Normalverdienst zwar größer wird, deswegen aber den Arbeitnehmern auch nicht mehr gezahlt wird! - Damit macht man ja die Situation für die Betroffenen nicht besser! (Zwischenruf von GR Dkfm. Dr. Fritz Aichinger.)

 

Ich lade Sie ein: Ihre Fraktion braucht auch von der Arbeitgeberseite her nur eine der Forderungen des Herrn Bundeskanzlers Kern aus dem Plan A erfüllen: Strengen wir uns an, dass wir im Prinzip den Mindestlohn auf ein Ausmaß von 1.500 EUR bringen, dann ist der Abstand zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung auch durchaus vertretbar!

 

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas. Sie wissen es ganz genau. Ich habe Ihnen, wenn Sie sich wegen der BMS-Bezieherinnen und -Bezieher beklagen, schon einmal hier von dieser Stelle aus gesagt, ja, hier gibt es einen Anstieg, es werden mehr. Aber es hat sich da leider etwas in Österreich durchgesetzt, und darüber sollten Sie durchaus einmal auch mit den Arbeitgebern reden: Es sind nämlich nur 9,9 Prozent - und das ist jetzt auch nicht mehr die ganz aktuellste Zahl - VollbezieherInnen. 77,4 Prozent sind ErgänzungsleistungsbezieherInnen, das heißt, diese Personen bekommen Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder arbeiten Teilzeit, wobei sie so wenig bezahlt bekommen, dass mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung aufgestockt werden kann. Meine Damen und Herren! Sie können mir glauben: Wenn ordentliche Löhne bezahlt werden, dann sinkt auch die Anzahl der Bezieherinnen und Bezieher dieser Zuwendungen, und es ist unsere, aber auch Ihre Aufgabe, dafür Sorge zu tragen!

 

Geschätzte Damen und Herren! Wenn man jetzt im Nachhinein über politische Arbeit spricht, dann kann man natürlich - das verstehe ich auch - mit dieser einverstanden sein oder nicht, je nachdem, auf welcher Seite man steht, ob man Regierungsverantwortung trägt und deshalb mit unserer Regierung oder meiner Regierung in diesem Fall mitgeht oder ob man in Opposition ist. Man sollte allerdings den angemessenen Ton, den man eigentlich anschlagen sollte, nicht verlieren.

 

Und es geht um noch etwas: Geschätzte Damen und Herren! Denken Sie vielleicht auch einmal daran - wobei ich weiß, dass einige von Ihnen wahrscheinlich eh genauso denken -: Man kommt nicht als Politiker auf die Welt. Man kommt nicht als Stadträtin oder als Stadtrat auf die Welt, und man geht in den wenigsten Fällen, nachdem man von Beginn bis zum Ende in dieser Funktion war, in Pension. (GR Dominik Nepp: Ist das nicht eine Erbpacht bei der SPÖ?)

 

Wir haben das vor Jahren intern schon sehr intensiv diskutiert: Wir wünschen uns mehr Quereinsteiger, mehr Leute aus der Privatwirtschaft, wir wünschen uns mehr jüngere Leute. Solche haben wir jetzt, sie kommen schon, wenn sie jünger sind, aber sie machen das natürlich nicht bis zum Schluss. Aber, geschätzte Damen und Herren, einige von Ihnen sitzen genauso lange hier in diesem Gremium wie ich und werden sich erinnern, dass wir gemeinsam damals im Hinblick auf die Einkommenspyramide ein Bezügebegrenzungsgesetz mit allen Begleiterscheinungen beschlossen haben.

 

Tun wir aber eines nicht! Wenn jemand ausscheidet, dann braucht er auch einen Job, und wenn wir nicht bereit sind, ihm einen Job zuzugestehen und sagen, dass dieser nicht darf, weil er vorher eine politische Funktion gehabt hat, dann müssten wir nach den Bezügebestimmungen entsprechend Sorge tragen: Man kann darüber diskutieren, ob wir sagen, dass derjenige ein Jahr beziehungsweise zwei, drei oder vier Jahre gesperrt ist, aber dann müssen wir den Bezug weiter bezahlen, denn wovon soll er denn sonst leben? Man kann doch nicht sagen, dass jemand die Arbeit nicht mehr machen darf, dass man ihm aber im Prinzip auch nichts zahlen will!

 

Ich stelle mir eine entsprechende Diskussion auch in der Öffentlichkeit vor, dass die anderen dann wieder sagen würden: Mein Gott, jetzt bekommt der ein arbeitsfreies Einkommen und muss nicht einmal hackeln! Dabei wollen wir ihn ja nicht arbeiten lassen! - Das sollten Sie bei aller Kritik, die man bei jedem - da schließe ich mich selber nicht aus - anbringen kann, immer berücksichtigen, und es sollte jedenfalls auch ein gewisses Maß an Respekt und Menschlichkeit vorhanden sein.

 

Meine geschätzten Damen und Herren! Es wurde heute schon von vielen Seiten, auch von einigen Oppositionspolitikern, gesagt: Wir hatten eine Stadträtin - auch ich in meinem Ausschuss als Vorsitzender -, mit der man trefflich streiten konnte. Man kann sagen, sie war nie konfliktscheu und ist keiner Diskussion, auch wenn die Sache noch so unangenehm gewesen ist, ausgewichen. Man hat ihr nie etwas geschenkt, und sie hat Ihnen wahrscheinlich auch nichts geschenkt. Aber das ist auch in Ordnung! Und ich sage Ihnen: Bei ihrer gesamten Vorgangsweise habe ich bei unserer Stadträtin Sonja Wehsely ihre Dynamik, ihre Zielstrebigkeit und ihre eigene Überzeugung bewundert. Wenn sie von etwas überzeugt war, dann war sie nicht nur zu 80 Prozent oder zu 90 Prozent davon überzeugt, sondern in manchen Fällen auch zu 100 Prozent, und diese 100 Prozent hat sie auch auf den Lippen getragen. Sie war bereit, für manches trefflich zu streiten.

 

Dass man sich in solchen Auseinandersetzungen nicht nur Freunde macht, ist auch klar. Wer lässt sich denn im Prinzip schon gerne, wenn es um die Einkommenssituation geht, unter Umständen etwas wegnehmen? Wer lässt sich etwas wegnehmen, wenn er bis dato gut gewordene Gewohnheiten gehabt hat? - Da kann es zu Meinungsunterschieden kommen, und da kann es auch zu harten Diskussionen kommen!

 

Geschätzte Damen und Herren! Bei aller Kritik, die ich noch verstehen kann, denn ich bin seit mehr als 22 Jahren in diesem Haus, finde ich etwas aber wirklich eher ein bisschen unfair: Wir alle wissen um die Problematik der Gangbetten, und wir alle miteinander wissen, wie schwierig dieser Bereich organisatorisch, manchmal auch personell, et cetera zu bewerkstelligen ist. Wir alle miteinander können aber, auch wenn wir etwas politisch

 

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