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Gemeinderat, 21. Sitzung vom 07.04.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 112

 

on der sogenannten Gastarbeiter, von denen viele Türken stammen, da eindeutig Verdrängungen am Arbeitsmarkt zu beobachten sind und damit ein weiteres Auseinanderklaffen der sozialen Schere. Auch Phänomene von Diskriminierung schlagen sich auch beim Integrationsstand der zweiten Generation nieder. Besonders Jugendliche mit türkischer Herkunft sind davon betroffen und haben es deutlich schwieriger beim Einstieg in den Arbeitsmarkt. Die Daten zu den NEETs, das sind jene wie „Not in employment“ oder „Education in training“, also Jugendliche, die sozusagen aus Schule oder Ausbildung rausfallen, zeigen deutlich, dass aber der Großteil der Jugendlichen aktiv beschäftigungssuchend ist.

 

Jetzt aber zur eigentlichen Frage: Was sind die Integrationsmaßnahmen, die wir setzen, um auf das zu reagieren oder in den letzten Jahren gesetzt haben? Nun, die Stadt Wien steuert seit einigen Jahren in vielen Bereichen diesen Entwicklungen entgegen. Man kann und darf nicht leugnen, dass viele Probleme, die es zweifelsohne gibt, ihre Wurzeln in der sogenannten Zeit der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter haben, in einer Zeit, wo sowohl die damals Zugewanderten als auch die Aufnahmegesellschaft geglaubt haben, die kommen und gehen wieder. In den letzten zehn Jahren wurde aber in Wien ein intensives und engmaschiges Konzept an Maßnahmen entwickelt, die neuzugewanderten Menschen vom ersten Tag an Orientierung, Deutschkurse und Unterstützung beim beruflichen Einstieg bietet. Das ist eben unser Konzept der Integration ab Tag 1. Das Programm „Start Wien“ möchte ich da nur erwähnen: Deutsch- und Basisbildungskurse, Schwerpunkt auf Frauen und Jugendliche. Die Zahlen zeigen klar, dass zum Beispiel 90 Prozent der Zuwanderinnen und Zuwanderer aus der Türkei das Stadt-Coaching im Rahmen von „Start Wien“ nutzen und wir da gerade diese Zielgruppe sehr gut erreichen können. Insbesondere im Zusammenhang mit Frauen gibt es da von uns starke Schwerpunkte, die besonders die türkische Community erreichen und erreichen sollen, zum Beispiel „Mama lernt Deutsch“, weil es ein besonders gutes Beispiel ist. Da geht es darum, wir wissen aus diesem Integrationsmonitoring, türkische Frauen sind von einer besonders hohen Arbeitslosigkeitsquote betroffen. Das liegt an verschiedenen Dingen wie unzureichende Qualifikation. Aber sicher kann es auch an Dingen liegen wie einem verstaubten Frauenbild, an schlechten Deutschkenntnissen, an Kinderbetreuungspflichten und vieles mehr. „Mama lernt Deutsch“ ist ein Beispiel für ein sehr innovatives Programm, mit dem wir den Nerv treffen, weil wir eine Vielzahl dieser einzelnen Punkte ansprechen. In den letzten 10 Jahren haben 8.000 Frauen diese Kurse besucht, Kurse, wo Frauen, während die Kinder in Bildungseinrichtungen sind, Deutsch lernen. Die sprechen dadurch besser Deutsch, haben Kontakt zu den PädagogInnen der Kinder, sind aber auch zu Hause plötzlich in einer gestärkten Rolle und geben den Ton an, nämlich dann, wenn es um die Schulbildung der Kinder geht.

 

Ich könnte jetzt noch viele andere Details ansprechen, weil wir beim Thema Frauen sind, Frauencollege, das bildungsbenachteiligten Frauen mit weniger oder gar keiner Schulbildung eine Basisbildung bietet, ganz viele Basisbildungskurse. Auch da erreichen wir insgesamt besonders viele Türkinnen und Türken. Um beim Frauencollege zu bleiben, da ist der Anteil an türkischen Staatsbürgerinnen bei 52 Prozent. Ähnlich hoch ist der Anteil von Kindern mit türkischer Muttersprache bei den Deutschkursen, die wir machen.

 

Was mir wichtig ist, ist, und das sieht man bei der Nutzung von „Start Wien“ - ich möchte noch einmal die 90 Prozent von Türkinnen und Türken, die das nutzen, in Erinnerung rufen -, es ist falsch, von Integrationsunwilligkeit zu sprechen. Und es ist auch falsch, weil die Gruppe sehr groß und sehr heterogen ist, eine ganze Personengruppe zu diffamieren und zu problematisieren. Viele unserer Angebote sind nicht nur in Wien und Österreich Beispiele für das, was in Zukunft verstärkt ausgebaut werden soll, zum Beispiel mit dem Integrationsjahr, sondern sind auch im europäischen Vergleich Best Practices. So hat eben gerade die EU-Grundrechtsagentur „Mama lernt Deutsch“ als Vorzeigeprojekt in ihrem Bericht zur Integrationspolitik der Mitgliedsstaaten ausgezeichnet. Ich möchte … (Beifall bei der SPÖ.)

 

Überbordender Applaus für eine Trinkpause. Ich möchte zum Schluss kommen. Was die Wifo-Studie zeigt, ist, dass es sich auszahlt, ein bisschen genauer zu schauen, Einblick in verschiedene Bereiche zu nehmen. Auch zeigt sich, dass Österreich im Vergleich mit der Gruppe der traditionellen Zuwanderungsländer, und ich spreche hier von Belgien, Deutschland und Niederlande, eine durchaus gute Entwicklung hat. Hier zeigt sich besonders, dass die im Ausland geborene Bevölkerung in Österreich im Vergleich zu jenen Ländern gleich gut oder besser am Arbeitsmarkt integriert ist. Was die Wifo-Studie aber auch zeigt, ist, es gibt einen Schwerpunkt, den wir setzen müssen, und das ist genau der Weg, den wir in Wien gehen, das ist frühzeitige Intervention.

 

Mit unserem Zugang der Integration ab Tag 1, unabhängig vom Herkunftsort oder vom Status der Menschen, die zu uns kommen, mit dem Zugang zur Begleitung, zur Erstinformation, zu Spracherwerb und -qualifizierung machen wir genau das, weil wir sehen, Migrantinnen und Migranten, die bessere Sprachkenntnisse haben, die bessere Unterstützung bekommen, ihre Qualifikationen formal anerkannt zu bekommen, haben auch bessere Integrationserfolge. Also darauf bauen wir auf.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 1. Zusatzfrage kommt von der SPÖ, von Herrn GR Baxant. Bitte schön.

 

9.30.47

GR Petr Baxant, BA (SPÖ): Sehr geehrter Herr Stadtrat, guten Morgen!

 

Die von Ihnen angesprochene Wifo-Studie hat ja auch andere, sehr interessante Ergebnisse zutage gebracht, unter anderem, dass die Erwerbslosigkeit oder die Problematik, die Menschen in den Arbeitsmarkt zu bekommen, vor allem bei jenen ziemlich hoch ist, die im Alter zwischen 15 und 24 zu uns gekommen sind. Könnten Sie bitte auf die Maßnahmen eingehen, die die Stadt Wien hier einsetzt?

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Stadtrat, bitte.

 

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