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Gemeinderat, 21. Sitzung vom 07.04.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 112

 

Ich möchte jetzt auf ein anderes Thema zu sprechen kommen, das natürlich, wenn es um Grundziele der Bildung, also Lesen, Schreiben und Rechnen, geht - und schon das schaffen wir in Wien nicht einmal gescheit -, wie ein Nebenaspekt wirkt, den ich aber für sehr wichtig halte: Ich spreche jetzt von der Frage des Wirtschaftswissens, der wirtschaftlichen Bildung und letztendlich auch der unternehmerischen Bildung in unseren Wiener Schulen.

 

Es gibt eine meines Erachtens alarmierende Studie - diesmal wirklich eine Studie! - des Instituts für Wirtschaftspädagogik der WU-Wien, die jetzt österreichweit ausgerollt wird. In dieser Studie wird deutlich festgestellt, dass die SchülerInnen am Ende der Sekundarstufe I, also mit 14 Jahren, massive Defizite betreffend Wirtschaftswissen aufweisen.

 

So geben etwa knapp 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler an, dass der Staat gemäß unserer Wirtschaftsordnung vorrangig über Importe und Exporte entscheidet. - Das ist einfach falsch! Fast die Hälfte der Befragten glauben, dass der Staat die Höhe der Löhne und Gehälter von Arbeitern und Angestellten festlegt. - Mag sein, dass viele von Ihnen das wollen, aber es ist nicht so! Das ist einfach falsch. Auch hier gilt eigentlich der Markt. Immer noch vier von zehn Schülerinnen und Schülern gehen davon aus, dass der Staat die Preise von Produkten festlegt. Das heißt, auch in Wien glauben 4 von 10 Schülerinnen und Schülern mit 14 Jahren, wenn sie in den Billa gehen und dort ein Red Bull kaufen, dass der Staat den Preis festgelegt hat.

 

Wissen Sie, das ist alarmierend, und ich sage Ihnen auch, warum das alarmierend ist: Weil das der direkte Weg in den finanziellen Analphabetismus ist. Wir wissen, dass wir ein Problem mit Jugendlichen haben, die überschuldet sind, die mit ihren Handyverträgen überfordert sind, die Probleme haben, wenn sie das erste Mal in ihrem Leben einen Mietvertrag abschließen. All das sind Fallen, in die die jungen Menschen rennen, weil sie einfach kein basales Wirtschaftswissen haben.

 

Ich habe in Vorbereitung zu diesem Thema gelesen, dass eine Schülerin aus Deutschland gesagt hat: „Ich kann zwar ein Gedicht in vier verschiedenen Sprachen interpretieren, mir wurde aber nicht beigebracht, was in einem Handyvertrag oder in einem Mietvertrag steht.“ - Ich komme dann im Zusammenhang mit CEU noch darauf zu sprechen, das ist ein anderes Thema.

 

Ich halte es für wesentlich, darauf ein Augenmerk zu legen. Matthias Strolz und ich haben das diese Woche in einer Pressekonferenz thematisiert und auch Vorschläge gemacht. Und ich muss sagen, ich bin einigermaßen erstaunt, wenn nicht geradezu empört, was in den sozialen Medien vor sich geht! Ich wurde insbesondere von linker Seite her beschimpft, dass ich jetzt ideologisch in die Schulklassen eingreifen will.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt die Möglichkeit, Wirtschaftswissen deskriptiv zu vermitteln, etwa einfach zu erklären, was ein Markt ist und wie er funktioniert, wie die gesetzliche Lage sozusagen in Bezug auf die Regelung von Löhnen ist, was Kollektivverträge sind. - Es gibt einen Weg, das auch unideologisch zu beschreiben.

 

Wenn Sie der Meinung sind, es wäre von mir Ideologie, zu sagen, dass ich will, dass unsere Jugendlichen in Wien ein gewisses Wirtschaftswissen vermittelt bekommen, damit sie nicht glauben, dass der Staat die Preise festlegt und Löhne und Gehälter festsetzt, dann werfen Sie mir eigentlich das vor, was Sie hier unter Umständen tun! Ich weiß nicht, ob Sie es sind, aber es gab auf jeden Fall sehr viele pikante linke Kommentare vor allem auf Twitter.

 

Ich halte es für wirklich gefährlich, diesen Weg zu gehen! Man kann gerne kapitalismuskritisch sein. Kapitalismuskritik ist ja nachgerade ein Mainstream geworden, und das äußert sich dann auch entsprechend, wenn man etwa in einem kapitalismuskritischen Shirt zu McDonald‘s geht, um sich einen Burger zu kaufen. - Aber das ist eben so. Okay. D'accord. Jedermann hat das Recht dazu, seine Kritik zu äußern. Aber ich meine, man muss zuerst verstehen, wovon man redet! Zuerst muss man verstehen, worum es geht, und dann kann man sich kritisch dazu äußern. Und wenn vier von zehn Schülerinnen und Schülern glauben, dass der Staat die Preise festsetzt, dann haben wir ein Problem. (Beifall bei den NEOS.)

 

Das ist tatsächlich auch ein Thema im Zusammenhang mit Schulbüchern. Darin finden sich ganz einfach falsche Aussagen, In zwei Büchern habe ich Beispiele gefunden. In dem einen Schulbuch für Geographie und Wirtschaftskunde steht, dass die Arbeitslosenrate angibt, wie viel Prozent der Menschen eines Staates ohne Arbeit sind. - Nach dieser Definition wären in dieser Zahl Kinder, Schüler und Pensionisten auch enthalten, und das ist einfach falsch! Auch steht darin, dass sich Höhe und Auszahlung des Arbeitslosengeldes auch nach dem Alter der betroffenen Personen richten. - Es stehen also einfach falsche Dinge drinnen.

 

Außerdem finden sich auch ideologische Verfärbungen: Man mag Christian Felber schätzen oder nicht. Aber diesen in Büchern in eine Reihe mit Nobelpreisträgern zu setzen, ist einfach unmöglich! Das geht nicht!

 

Jetzt ist es so, dass wir Approbationstellen haben, von welchen die Schulbücher freigegeben werden, und das in einer Zeit des digitalen Unterrichts und in einer Zeit, in der wir auch mehr Autonomie wollen, in der wir Lehrerinnen und Lehrern nicht nur Vertrauen geben, sondern noch mehr geben wollen, indem wir sagen: Gestaltet den Unterricht durchaus fächerübergreifend! Immerhin sind übrigens Wirtschafts- und auch Verbraucherkunde ein Bildungsprinzip, und die Vermittlung des dementsprechenden Wissens sollte sich daher nicht nur in einem Unterrichtsfach abspielen, sondern wirklich durchziehen.

 

Vertrauen wir doch den Lehrerinnen und Lehrern! Wir brauchen solche Approbationstellen überhaupt nicht mehr, wo entschieden wird, was ein gutes Lehrbuch ist, das verwendet werden darf, und was ein schlechtes Lehrbuch ist. Vertrauen wir doch darauf, dass die Materialien von den Pädagoginnen und Pädagogen selbst zusammengestellt werden! Ich glaube, das ist in einer

 

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