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Gemeinderat, 25. Sitzung vom 26.06.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 134

 

lässt das offen. Was denken wir? Was denkt Wien? Was denke ich als Europasprecherin der ÖVP Wien?

 

Der Binnenmarkt, das Kernanliegen weiter vertiefen, weitertragen, die Außengrenzen schützen, die Flüchtlingsproblematik gemeinsam lösen, das sind Themen, die es für die Europäische Union unbedingt braucht. Das Wort Subsidiarität heißt, was die kleinere Einheit machen kann, das soll sie machen. Das ist ganz groß zu schreiben, aber für viele Dinge braucht es einfach die Europäische Union. Wofür es sie nicht braucht, ist etwas, das immer wieder auch von den GRÜNEN kommt: eine Sozialunion. Auch von der roten Fraktion kommt das immer wieder. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Warum keine Sozialunion? - Die Sozialunion würde das österreichische Niveau hinuntersetzen und würde einen Wettbewerbsvorteil für Länder auslöschen, die diesen in der Transformation, in der sie sich befinden, dringend brauchen.

 

Was macht aber nun Wien in dieser Frage? - Hier gibt es fünf Szenarien, und niemand weiß, wo es hingehen soll. In Wien treffen wir uns nun für den Europaausschuss und haben folgende Themen, ich darf Ihnen das vorlesen:

 

Erstens: Wie funktioniert das Europäische Parlament? Zweitens: Die Private Initiative „Route 28“ wird vorgestellt. Das ist eine gute Initiative, keine Frage, aber eine private Initiative, für die man 20 Minuten Ausschusszeit verwendet. Drittens: Die Aktivitäten der EU-Strategie für den Donauraum werden zu Kenntnis genommen. Und schließlich viertens: Als letzten Punkt, die Umsetzung der Städteagenden der EU wird zur Kenntnis genommen. Dabei bleibt es dann stehen. Wir nehmen irgendwelche Projektchen zur Kenntnis, wir lernen, wie viele Mitglieder das Europäische Parlament hat und wie viele Ausschüsse es dort gibt, und dann gehen wir wieder nach Hause.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir Europa hier ernst nehmen, dann müssen wir uns einbringen, müssen mitdenken, müssen mitgestalten. Das heißt zum Beispiel auch, gerade für Wien, als Drehscheibe zwischen Ost und West, dass wir unsere Verantwortung in der Ausrichtung auch nach Osten und Südosten hin ernster nehmen, in einer geschichtlich wichtigen und schwierigen Zeit. Das heißt zum Beispiel auch, dass wir ganz einfach praktisch und konkret einen gescheiten Busbahnhof bauen, dass die Leute, die aus den Hauptstädten in Ost und Südosten leichter und angenehmer nach Wien fahren können. Sie kennen das sicher, ich mache das auch selber, mit Bussen in Erdberg zu starten. Ich kriege dort Angst. So geht es sicher auch vielen Besucherinnen und Besuchern.

 

Das heißt aber auch, dass wir unsere Verantwortung als Stadt durch Städtepartnerschaften ernst nehmen. Das kann über die EU-Städte hinausgehend für Wien sinnvoll sein. Wien hat wenige Städtepartnerschaften und diese nur auf Zeit. In anderen österreichischen Landeshauptstädten ist man hier viel offener. Ich sage Ihnen nur ein Beispiel und ich werde es dann zum Thema Umwelt noch einmal bringen: Lemberg hat ein Müllproblem. Seit einem Jahr liegt der Müll dort herum, wird nicht abtransportiert, wird nicht ordnungsgemäß entsorgt. Das betrifft Wien, weil Umweltverschmutzung an Stadt- oder Landesgrenzen nicht Halt macht. Wien könnte dort helfen, könnte mit einer Städtepartnerschaft Lemberg unter die Arme greifen. Visionäre Politik denkt mit, auch über Stadtgrenzen hinaus. - Das rote Licht?

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik (unterbrechend): Ihre 5 Minuten sind vorbei. Aber Sie haben noch 13 Minuten, die stelle ich Ihnen auch gleich ein. Also die ÖVP hat noch 13 Minuten Redezeit.

 

GRin MMag. Dr. Gudrun Kugler (fortsetzend): Alles klar, ich bin gleich fertig. Ich habe von visionärer Politik gesprochen, und ich möchte eine Sache positiv anmerken. Wir haben in den letzten Monaten hier im Gemeinderat doch relativ viel über Menschenrechte gesprochen. Manche haben das belächelt und gesagt: Was haben Menschenrechte mit uns in Wien zu tun?“ Oder: „Das sind internationale Themen.“ Ich glaube, dass Menschenrechte, egal, wo sie verletzt werden, uns alle angehen, und dass jedes Parlament das Thema mittragen und aufgreifen soll. Ich freue mich hier über die gute Zusammenarbeit, die wir haben, besonders mit Kollegen Florianschütz und Kollegin El-Nagashi, und dass wir hier gemeinsam über Parteigrenzen hinweg große Anliegen aufgreifen können. Ich glaube, dass das etwas ist, was vielleicht die Politik in den Augen der Menschen wieder etwas rehabilitieren kann.

 

Abschließend vielleicht noch ein Gedanke zur Frage: Wer sind wir als Europäer? Denn die Debatte über Europa ist ja nicht nur eine über Normen und Verträge, sondern eigentlich eine Frage nach Identität. Wer sind wir? Was unterscheidet Europa von anderen Plätzen der Welt, und was bringt uns in Europa zusammen, auch wenn wir unterschiedliche Sprachen haben und die Kulturen verschieden sind? Es gibt eine Art europäische Leitkultur, und ich sage Ihnen nur ein paar Schlaglichter. Ich glaube, es wäre in der Debatte gut, die Menschen viel mehr auf diese Identität des Europäers hinzuweisen und sie ins Gespräch zu bringen. Europa sowie die Würde des Menschen in den Vordergrund zu stellen, daraus ergibt sich ein Instrumentalisierungsverbot. Der philosophische Grundsatz der Suche nach dem Schönen, Wahren und Guten, die Freiheit und die Selbstbestimmung (GR Armin Blind: Das Wahre hat die Frau El-Nagashi abgeschafft!), die Suche nach der Vernunft, die Verpflichtung auf die Vernunft, die Demokratie, die Anerkennung der Rechtsstaatlichkeit, die gemeinsame Verantwortung zur Schaffung einer gerechteren Gesellschaft, die Gleichberechtigung in der Familie, die Achtung gegenüber Andersdenkenden, die Religionsfreiheit und der treuhänderische Umgang mit der Umwelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir selber besser verstehen, was wir als Europäer sind und darstellen, dann können wir diesen Gedanken auch an andere besser weitergeben wie zum Beispiel in Fragen der Integration. Wenn Menschen nach Europa zuwandern, weil sie genau diese Freiheit Europas suchen, dann ist das für uns in Europa auch ein Gewinn. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

 

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