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Gemeinderat, 25. Sitzung vom 27.06.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 57 von 78

 

dazuverdienen, sie kommen raus, lernen Leute kennen, es ist ein erster Schritt der Integration.

 

Ich habe noch einen Antrag zum Thema Wertekurse mitgebracht. Der Österreichische Integrationsfonds bietet ja seit dem vergangenen Jahr österreichweit flächendeckend werteorientierte Kurse an. Wien bietet dazu ein Parallelsystem. Während der Österreichische Integrationsfonds Geld für alle in Österreich bereitgestellt und auch ein funktionierendes System ausgearbeitet hat, kommt nun Wien und macht das ganze parallel noch einmal. Die Qualitätsstandards sind nicht in der gleichen Form kontrolliert. Ich weiß selbst nicht, ob man sagen kann, dass die gleich gut sind. Ich weiß es nicht, hoffentlich sind sie das, aber es kostet Geld, das Wien nicht ausgeben müsste, weil die Infrastruktur des ÖIF für alle Asylwerber, auch die in Wien, bereitstünde.

 

Deshalb habe ich heute einen Antrag mitgebracht, dass der Wiener Gemeinderat die zuständigen Stellen der Stadt Wien auffordert, dass alle Personen, die in die Zielgruppe fallen, die Werte- und Orientierungskurse des ÖIF besuchen sollen und dass auch die Stadt Wien überhaupt mit dem ÖIF enger zusammenarbeitet, so wie das auch von der Bundesregierung vorgesehen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Das Problem sitzt aber tiefer. Die schon angesprochene Volksschuldirektorin auf ORF-Online hat auch etwas Interessantes über die Kinder gesagt, die in 2. und 3. Generation von Zuwanderern in Wien leben. Sie hat gesagt, dass in ihrer Klasse 25 Kinder sie nicht gut verstehen, aber 8 verstehen sie gar nicht. Und von diesen 8 sind 2 Flüchtlingskinder, gerade angekommen, da versteht man das. Aber 6 von diesen 8 Kindern sind in Wien geboren und in der 2. oder 3. Generation Kinder aus türkischstämmigen Familien. Und da frage ich mich: Was haben wir jahrzehntelang gemacht? Wir haben zugesehen, dass sich Parallelgesellschaften und Ghettos gebildet haben. Die falsche Wohnpolitik hat am Brennprunkt Konzentration gefördert. Wir haben einen Halalmarkt, teilweise einen Schwarzmarkt. Da lässt sich, sehr geehrter Herr Stadtrat, nichts vertuschen und nichts überschminken. Stadtpolitik, die auf diese Weise Bildung und Integration behandelt hat, ist gescheitert. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Das waren 8 Minuten. Die Restredezeit für die ÖVP ist damit 1 Minute. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. El-Nagashi, 7 Minuten ist die selbstgewählte Redezeit.

 

15.23.10

GRin Mag. Faika El-Nagashi (GRÜNE)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Stadtrat!

 

Integration ab Tag 1, das bedeutet Chancen ab Tag 1 und Perspektiven ab Tag 1. Und zwar für alle Menschen in dieser Stadt, egal, welche Religion jemand hat, egal, welches Geschlecht jemand hat, welche sexuelle Orientierung, welche Herkunft, und wir vertreten die Interessen all dieser Menschen dieser Stadt. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Integration bedeutet nicht Zwang, Pflicht, Sanktionen, Strafen, Einteilen in wir und in ihr, spalten, ausgrenzen, schlechtmachen, schlechtreden, abwerten oder verunglimpfen. Integration bedeutet, ganz genau hinzusehen, Konflikte und Probleme im Alltag zu benennen und zu lösen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein würdevolles Leben für alle ermöglichen, ohne Armut, ohne Diskriminierung, ohne Rassismus, ohne Paternalismus, ohne Nationalismus, ohne Bedrohung und ohne Zwang, egal, von welcher Seite er kommt.

 

Deswegen investiert die Stadt Wien in verschiedene Bereiche. In den Spracherwerb und in die Sprachförderung, in die Bildung und in die Ausbildung, und in Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit.

 

Konflikte im Alltag sind dann besonders unangenehm, wenn Sprachbarrieren die Kommunikation beschweren. Auch deshalb ist es wichtig, Deutschkenntnisse allen zugänglich zu machen. Dafür investieren wir in erfolgreiche Projekte wie „Mama lernt Deutsch“ zum Beispiel, Basisbildungskurse für benachteiligte Mütter, die ungestört lernen können, während ihre Kinder am selben Ort den Kindergarten oder die Schule besuchen. Oder „Sowieso mehr!“, Deutschunterricht in den Sommerferien für alle Wiener Schulkinder von 7 bis 14 Jahren, inklusive einem Freizeit- und einem Sportangebot. Oder: Das Netzwerk von engagierten Vereinen, Migrantinnenselbstorganisationen wie LEFÖ, Peregrina, Orient Express oder Miteinander Lernen, die Deutschkurse für Frauen anbieten und gleichzeitig ein sozialer Ort für Emanzipation, Selbstbestimmung und Partizipation sind.

 

Eine gute Bildung und Ausbildung sind das Fundament für eine selbstbestimmte Zukunft und einen positiven Werdegang. Seit September 2016 gibt es das Jugend College in Wien: 1.000 Chancen für 1.000 Jugendliche, mit dem Ziel, eine Brückenfunktion zu sein und junge Menschen in eine weitere Schulbildung, in eine Ausbildung oder in eine nachhaltige Beschäftigung zu überführen. Die Wiener Bildungsdrehscheibe bietet Bildungs- und Orientierungsberatung tatsächlich ab Tag 1 an und vermittelt in passende Bildungsmaßnahmen. Und wir setzen auf Sprach- und Leseförderung von Anfang an, durch gut ausgebildete PädagogInnen, die den Spracherwerb begleiten und fördern können.

 

Die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Redewettbewerbes „Sag‘s Multi“, dem mehrsprachigen Redewettbewerb des Vereins Wirtschaft für Integration gemeinsam mit der Stadt Wien und mit dem Stadtschulrat beeindrucken jedes Jahr mit ihrem Redetalent und mit ihrer Mehrsprachigkeit. Statt Zwangsmaßnahmen in ihren Schulpausen erleben die Schülerinnen und Schüler Anerkennung, Wertschätzung und Förderung ihrer Mehrsprachigkeit, bei der sie mit Selbstverständlichkeit zwischen Deutsch und einer weiteren Sprache wechseln. So wird Diversität positiv erlebbar und auch für andere sichtbar.

 

Wir von Rot-Grün machen das, weil wir Verantwortung für die Menschen in dieser Stadt tragen, und zwar, im Gegensatz zu Ihnen, für alle Menschen in dieser Stadt. Und dabei haben wir ganz klare Haltungen: Kinderrechte haben Vorrang. Frauenrechte sind nicht verhandelbar. Und Menschrechte sind der Kompass unserer politischen Arbeit. Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit sind für uns Grundsäulen, die immer wieder vermittelt werden müssen. Keine Angst zu haben, wenn

 

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