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Gemeinderat, 27. Sitzung vom 28.09.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 92 von 102

 

wie viel besser es ist als letztes Jahr und Sie haben tatsächlich in der Diskussion auch bekannt gegeben: Vielen Dank, wir sind sehr zufrieden. Im letzten Sozialausschuss hat die FPÖ hier wertschätzende Worte gefunden und heute plötzlich, zwei Wochen vor der Wahl, gibt es einen Misstrauensantrag. Wissen Sie was? Er ist nicht ernst zu nehmen. - Herzlichen Dank, Frau Stadträtin. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster ist GR Dr. Koderhold zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

18.51.56

GR Dr. Günter Koderhold (FPÖ)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Wahlkampf sei eine Zeit fokussierter Unintelligenz - ich weiß nicht, für wen das gelten soll. Für die Freiheitliche Partei ist Wahlkampf die Zeit vertiefender Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern. Bei Gesprächen bezüglich Gesundheitsversorgung mit Senioren, aber auch mit jungen Menschen, mit Eltern, werden reale, schon existierende finanzielle Belastungen bei notwendigen medizinischen Leistungen häufig angesprochen, die man nur mehr als existierende Zweiklassenmedizin bezeichnen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Hier handelt es sich nicht um Ängste oder um Sorgen, sondern um tatsächlich existierende Zweiklassenmedizin, vor allem im Bereich der Allgemeinmedizin, im Bereich der Orthopädie, im Bereich der operativen Augenheilkunde und auch im Bereich der Kinderheilkunde. Es gibt Wartezeiten in den Ordinationen beziehungsweise Fachambulanzen und es gibt terminliche Wartezeiten, bis man eben zu einer Untersuchung oder zu einer Therapie kommt. Das hat natürlich jetzt dazu geführt, dass man das Wahlarztsystem überlegt beziehungsweise, wenn man über das ausreichende Geld verfügt, dieses Wahlarztsystem auch ausnützt. Das ist natürlich für Personen, die einerseits über wenig Geldmittel verfügen, andererseits aber die medizinische Leistung häufig in Anspruch nehmen müssen - das sind vor allem Senioren, das sind aber auch Eltern mit kleinen Kindern - nicht nur belastend, sondern es ist auch unmöglich. Das führt natürlich dazu, dass wichtige medizinische Leistungen, sei es jetzt im diagnostischen oder therapeutischen Bereich, erheblich zeitlich verschoben werden und dass die schnelle, unmittelbare und kostenlose medizinische Leistung nicht mehr verfügbar ist. Das ist eine Zweiklassenmedizin, die eigentlich in einer Stadt, die sich als Stadt des moralischen Sozialismus bezeichnet, nicht akzeptiert werden kann. (Beifall bei der FPÖ. - GR Christian Oxonitsch: Wo haben Sie denn das gelesen?)

 

Wir haben im Wesentlichen zwei Punkte, die alarmierend sind und eigentlich keinen Zeitverzug erlauben. Es gibt jetzt die Pensionisten, die Senioren, auch die Eltern von Kindern, die eine unmittelbare, schnelle medizinische Versorgung nicht bekommen, weil sie zu lange warten müssen beziehungsweise weil sie sich das Wahlarztsystem nicht leisten können. Hier muss man, bis eine Verbesserung der Versorgungssituation umgesetzt werden kann, wie es in anderen Bundesländern ist, Wahlarztkosten besser ersetzen. Das können andere Bundesländer, das kann Wien auch. Dadurch haben Patienten, Eltern, Pensionisten, Senioren die Möglichkeit, über eine begrenzte Zeit, bis eben die Versorgungssituation besser ist, die Wahlarztkosten zumindest teilweise ersetzt zu bekommen.

 

Der zweite Punkt ist noch prekärer. Es geht um die neue Ausbildungsordnung im Bereich Medizin beziehungsweise Allgemeinmedizin. Wir haben seit 2015 eine neue Ärzte-Ausbildungsordnung, bei der im Rahmen der Allgemeinmedizin schon nach 9 Monaten die Entscheidung nach dem sogenannten „Common Trunk“ umgesetzt werden muss. Zu diesem Teil der allgemeinmedizinischen Ausbildung gehört auch ein Pflichtpraktikum über zumindest 6 Monate - man kann das auch erhöhen auf 18 Monate -, dessen Finanzierung nicht gewährleistet wird. Man darf nicht vergessen: Es handelt sich hier um ein Bundesgesetz, aber die Finanzierung für diesen wesentlichen Punkt ist nach wie vor nicht gewährleistet!

 

Das führt dazu, dass in Wien mit der größten medizinischen Universität, mit insgesamt 22 Krankenhäusern, mit einem Bedarf von 300 Allgemeinmedizinern in den nächsten Jahren nur 17 Allgemeinmediziner in Ausbildung stehen. Das ist ein äußerst starkes Missverhältnis. Die Ausbildung beziehungsweise die Unterstützung des Pflichtpraktikums für 100 Allgemeinmediziner würde die Stadt Wien 1,8 Millionen EUR kosten, dafür hätte sie das Pflichtpraktikum für 100 Allgemeinmediziner beglichen. Das sind Punkte, die keinen Zeitverzug erlauben, hier muss man vor allem im Bereich der Ausbildung für Allgemeinmedizin schnell eingreifen!

 

Die Ausbildungsordnung ist nicht der einzige Grund dafür, dass es kaum Allgemeinmediziner mehr gibt. Es handelt sich hier grundsätzlich um eine Beschädigung der Allgemeinmedizin, die schon mit dem gegenwärtigen Finanzminister und früheren Generaldirektor des Hauptverbandes, Herrn Schelling, begonnen hat. Die Kombination von Beschädigung des Berufsbildes, völlig unattraktiven Arbeitsbedingungen als Allgemeinmediziner und jetzt zusätzlich noch die nicht gewährleistete, nicht gesicherte Finanzierung des Pflichtpraktikums wird zu einer prekären, gravierenden Mangelsituation an Allgemeinmedizinern führen.

 

Das ist insofern im negativen Sinn bemerkenswert, als durch den letzten Art. 15a die Allgemeinmedizin im Zentrum der Versorgung steht, sowohl im Zentrum der Notfallversorgung als auch im Zentrum der direkten Bürgerversorgung. Der Wunsch nach Gruppenpraxen wird aus unerfindlichen Gründen mehr oder weniger nicht gewährt. Es wird stattdessen die Erstversorgungseinheit, das Erstversorgungszentrum, das im Grunde genommen eine Gruppenpraxis mit schlechten Verträgen ist, favorisiert - und dann wundert man sich darüber, dass sich keine jungen Kolleginnen und Kollegen für Allgemeinmedizin finden!

 

Zu dem Punkt nicht ausreichende Versorgung für Kinderheilkunde, für den Zwang junger Eltern, zum Wahlarzt zu gehen, muss ich natürlich schon Ihren Hochmut etwas dämpfen. Wien hat im Vergleich zu Kärnten - Sie ziehen ja gerne Kärnten als Vergleich heran - eine mehr als vier Mal so hohe Säuglingssterblichkeit. Wien hat eine höhere Säuglingssterblichkeit als

 

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