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Gemeinderat, 27. Sitzung vom 28.09.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 93 von 102

 

Kuba. Wien hat im Vergleich zum österreichischen Schnitt eine um 50 Prozent höhere Säuglingssterblichkeit. Wir sind auch im Vergleich der europäischen Länder in Wien in einer äußerst ungünstigen Situation.

 

Dass wir noch zusätzlich die schlechteste Lebenserwartung haben, das will ich jetzt zusätzlich gar nicht hinzufügen. Was ich aber schwer verstehen kann, ist, wenn wir schon in Wien eine mehr als vier Mal so hohe Säuglingssterblichkeit haben wie in Kärnten und weit über dem Schnitt des Bundesdurchschnittes stehen, wie man es sich dann eigentlich leisten kann, die unmittelbare Versorgung in der Kinderheilkunde, in der Pädiatrie nicht zu gewährleisten. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Das ist unverständlich und es ist auch unentschuldbar. Ich wiederhole es noch einmal, damit Sie sich das vielleicht auch merken können: Wien hat im Vergleich eine ungewöhnlich hohe Säuglingssterblichkeit innerhalb Europas, innerhalb des Bundes und hat trotzdem nicht das Interesse und nicht die Leistung, Eltern und Kindern eine unmittelbare, kostenfreie, kindermedizinische Versorgung zu gewährleisten.

 

Bezüglich der allgemeinmedizinischen Ausbildung und des Pflichtpraktikums erfährt man von der Ärztekammer, dass es Gespräche gibt. Aber auf Grund dieser alarmierenden Punkte sind Gespräche nicht ausreichend. Man braucht eigentlich einen Krisengipfel, einen Krisengipfel mit allen Parteien. An einem solchen Krisengipfel kann man natürlich mehrere Punkte zusätzlich erwähnen. Es ist jetzt nicht nur die schon existierende Zweiklassenmedizin. Ich wiederhole noch einmal: In Wien gibt es eine Zweiklassenmedizin, und zwar geht es jetzt nicht um die Sorge, ob es eine Zweiklassenmedizin gibt, um die Ängste, ob es eine Zweiklassenmedizin gibt, sondern es ist Tatsache, wir haben sie schon. Es geht, wie schon erwähnt, um die schweren Mängel im Bereich der Gewährleistung der allgemeinmedizinischen Ausbildung. Es geht um lebensfremde Primärversorgungszentren.

 

Ein anderer Punkt ist die Notfallmedizin, die in Wien im Grunde genommen scheinbar auf die lange Bank geschoben wird. Wie Sie vielleicht wissen, gibt es innerhalb Europas verschiedene Pensionierungswellen, praktisch eine Pensionierungswelle der Akademiker und der Ärzte. Österreich und Deutschland hatten im Unterschied zu anderen Ländern in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg zehn Jahre später den Babyboom. Dadurch hat sich auch die Pensionierungswelle um zehn Jahre verschoben. Das heißt, wir hätten jahrelang Zeit gehabt, uns die anderen Länder anzusehen, wie die eigentlich mit dem Ärztemangel, den wir noch nicht haben, der aber kommen wird, umgehen. Wir hätten jahrelang Zeit gehabt, uns die Notfallversorgung anzusehen. Hier gibt es in den anderen Ländern, die Erfahrung haben, an sich ein gutes System, das sogenannte „Four-hour target of emergency departments“. Das beginnt damit, dass Notfalleinheiten im Spital aus dem normalen Spitalsbudget herausgenommen werden, damit keine Spargedanken auf die Notfallversorgung umgesetzt werden. Es geht darum, den Zusatzfacharzt für Notfallmedizin, den es in den meisten westlichen Ländern gibt, in Deutschland und Österreich nicht, einzuführen. Der Zusatzfacharzt dauert auch nur drei Jahre im Vergleich zu einem Facharzt. Es geht darum, dass die Notfallversorgungseinheiten ein Belagsrecht für andere Spezialabteilungen haben. Ich möchte das erklären: Wenn Sie jetzt in einer Notfallambulanz einen Patienten mit Herzinfarktverdacht haben, bedeutet das nach diesem „Four-hour target of emergency departments“, dass der Patient sofort auf eine Fachabteilung verlegt wird, weil die Notfallabteilung das Belagsrecht hat. Wenn das nicht stattfindet, liegt der Patient mit dem Herzinfarktverdacht noch eine halbe oder eine dreiviertel Stunde in der Notfallambulanz und wird von dem Personal versorgt, während draußen, sagen wir, 50 andere Patienten auf Behandlung warten.

 

Ein anderer Punkt, ein wichtiger Punkt ist das Spitalskonzept 2030. Ich fürchte, es bestehen grundlegende Irrtümer über die Gesundheitsversorgung in Wien. Es ist nicht das Spitalskonzept 2030 für die Gesundheitsversorgung zuständig, sondern strategisch der Regionale Strukturplan Gesundheit, der Landesgesundheitsfonds und die Gesundheitsplattform. Wien hat 20 Fondsspitäler, die vom Landesgesundheitsfonds bezahlt werden, und 2 Unfallkrankenhäuser. Das finden Sie im Spitalskonzept 2030 nicht einmal annähernd. Da wird auf die wenigen Spitäler des Krankenanstaltenverbundes, das AKH und zum Teil auch auf ein Unfallkrankenhaus hingewiesen. Es sind in der Stadt 22 Spitäler, und es werden im Spitalskonzept 2030 nur 8 Spitäler besprochen. Wir bekommen zwar regelmäßig Diskussionsgrundlagen über das Spitalskonzept 2030, aber es ist kein Gesundheitsversorgungskonzept, es ist nicht einmal rechtskonform. Wir haben eine Gesundheitsreform von 2006, die eigentlich die Strukturen, die Entscheidungen und auch die finanziellen Verantwortlichkeiten sehr genau regelt. Das Spitalskonzept 2030 hat damit eigentlich nur wenig zu tun. Es ist de facto ein internes Sanierungskonzept des KAV, hat aber für die Versorgung im Vergleich zum Regionalen Strukturplan, zum Landesgesundheitsfonds eigentlich nur eine Teilbedeutung. Vorsitzende in der regionalen Gesundheitsplattform ist übrigens unsere Stadträtin.

 

Ich möchte noch einmal auf diese Parallelstrukturen hinweisen, die in Wien existieren, die eigentlich eine sinnvolle Arbeit schwer möglich machen. Die Finanzhoheit über einen Krankenanstaltenverbund hat die Magistratsabteilung 24, nicht der Krankenanstaltenverbund. Die tatsächliche strategische und auch operative Auswirkung auf die Versorgung hat nicht der Krankenanstaltenverbund, sondern die Gesundheitsplattform und die Landeszielsteuerungskommission. Wir reden zwar ununterbrochen über ein Spitalskonzept 2030, aber es ist kein Wiener Spitalskonzept 2030. Da ist nicht einmal die Hälfte aller Fondskrankenanstalten beinhaltet, die in Wien versorgungsmäßig tätig sind und bezahlt werden. Was wir brauchen, ist eine offene, wahrhaftige und transparente Gesprächskultur über die tatsächliche Gesundheitsversorgung. Wenn man sich jetzt die Unterlagen des Spitalskonzepts 2030 durchliest, findet man zwar das Wort Masterplan an jeder Stelle, nur, mir fehlt dort eigentlich der Plan. Vor allem gibt es keinen Plan,

 

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