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Gemeinderat, 31. Sitzung vom 15.12.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 126 von 138

 

Ich möchte ja doch relevant zu dem Aktenstück hier sprechen und zu dem Antrag, der eingebracht wurde.

 

Es gibt einen anderen Artikel, auch im „Standard“, im März 2016, also recht zeitnah zu dem Artikel, den Sie zitieren. Dort ist auch von dem Thema die Rede. Aber mit viel mehr Differenzierung wird auf die Verbindung der Gender Studies mit der Neurowissenschaft eingegangen. Es ist dort auch die Rede von einer biosozialen Entwicklung. Die biosoziale Entwicklung zeigt ganz genau auf den Zusammenhang zwischen einer biologischen Gegebenheit und den Veränderungen durch soziale Umstände, durch soziale Einflüsse, tatsächlich sogar auf die Gehirnstruktur.

 

Diese biosoziale Entwicklung lässt sich auch in einem Stereotype Threat beschreiben. Das macht die Wissenschaft, sie benennt das als ein Stereotype Threat. Also stereotype Geschlechterrollen schreiben sich sogar in die Gehirnstruktur ein. Daran wird geforscht, und das wird beforscht: Wie genau ist das Verhältnis zwischen einer biologischen Gegebenheit und den sozialen Umständen?

 

Was in diesem Zusammenhang noch wichtig ist, aufzuzeigen und zu betonen: Forschung ist nie neutral. Forschung ist nicht neutral, Forschung ist auch nicht objektiv. Es gibt auch etwas, das in der Forschung als Publication bias bezeichnet wird. Also: Wer forscht? Wer forscht zu welchem Thema? Aus welchem Zugang heraus? Aus welcher Perspektive?

 

Frau Stenzel, schütteln Sie nicht so den Kopf! Das wird Ihnen ja bekannt vorkommen. Wenn Sie sich mit einem Thema beschäftigen, und ich beschäftige mich mit dem Thema, werden wir wohl zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Das ist im Grunde die Aussage dessen. (GR Dominik Nepp, MA: Das ist nicht Forschung, sondern Interpretation!)

 

Es ist auf der Forschungsebene nicht anders. (GR Dominik Nepp, MA: Das eine ist Interpretation, das andere ist Wahrheitsfindung!) Da gibt es einen Zugang, zu sagen, man arbeitet mit einer Weisheit und mit einem Wissen, das wird dann auch God's Trick genannt. Also man behauptet, allwissend zu sein, neutral und objektiv. Und das, was ich dann produziere, beschreibt tatsächlich die Realität und die Wahrheit. So wie es ist.

 

Aber es gibt dann demgegenüber schon seit vielen Jahren und Jahrzehnten, aus dem feministischen Kontext entstanden, kritische Zugänge, die sagen, es sollte von einem situierten Wissen gesprochen werden. Donna Haraway zum Beispiel, eine feministische Biologin, eine Proponentin dessen, zu sagen, ein situiertes Wissen transparent zu machen, wäre viel näher an der Lebensrealität der Menschen dran. Die Sie ja hier auch ansprechen, nämlich die Lebenserfahrung von Menschen - nur, Sie blenden dabei sehr, sehr viele Menschen aus und behaupten damit eine Allgemeingültigkeit.

 

Ich möchte aber noch zu einer anderen Forschung und einem anderen Forschungsergebnis kommen (Ruf bei der FPÖ: Bitte nicht!), nämlich aus der Wissenschaftszeitschrift „Nature“, einer der anerkanntesten Wissenschaftszeitschriften in der Disziplin Biologie. Dort gab es, auch vor einem Jahr, auch um dieselbe Zeit wie die beiden zuvor erwähnten Artikel, einen Beitrag mit dem Titel „Sex Redefined“.

 

In „Sex Redefined“ ist die zentrale Aussage einer sehr intensiven Forschung: Die Annahme, zu sagen, es gebe zwei Geschlechter, ist zu simpel. Das ist etwas, das in dieser Form dem Forschungsstand der Biologie entspricht. Basierend auf Erkenntnissen der Forschung in der Biologie kann gesagt werden: Die Annahme, es gäbe zwei Geschlechter, ist zu simpel, und es gibt ein wesentlich größeres Spektrum an geschlechtlichen Entwicklungsmöglichkeiten.

 

Das ist der aktuelle Forschungsstand, und zwar seit Längerem. Das einfache Modell der Zweigeschlechtlichkeit hat ausgedient. Das ist das, was die Forschung belegt. Das ist das, was die Wissenschaft belegt. Ihre Aussagen hier in Ihrem Antrag sind biologisch nicht haltbar, sie sind historisch nicht haltbar. Sie sind weltweit nicht haltbar, sie sind in Österreich nicht haltbar, und sie sind auch in Wien nicht haltbar.

 

Es braucht keine Furcht vor einer geschlechtlichen Ambiguität. Das einfache Modell der Zweigeschlechtlichkeit hat ausgedient, gewöhnen Sie sich daran! Es wird alles gut. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. - StR DDr. Eduard Schock: So ein Blödsinn!)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. Die Frau Berichterstatterin verzichtet auf das Schlusswort - so interpretiere ich das.

 

22.53.58 Wir kommen zur Abstimmung über die Postnummer 46. Wer dieser Postnummer seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. - Zustimmung bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN gegen FPÖ und ÖVP mehrstimmig angenommen.

 

Es liegt ein Beschlussantrag der Frau Gemeinderätinnen Hungerländer und Schwarz betreffend Gendertheorie in den Förderungsstrukturen der Stadt Wien vor. Die sofortige Abstimmung wird verlangt. Wer diesem Beschlussantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. - Das ist Zustimmung bei der FPÖ und bei der ÖVP gegen NEOS, SPÖ und GRÜNE und somit keine Mehrheit.

 

22.54.43 Es gelangt nunmehr Post 123 der Tagesordnung zur Verhandlung. Sie betrifft einen Vertragsabschluss betreffend „Stadtentwicklung Wien 2025“. Ich bitte den Berichterstatter, Herrn GR Holzmann, die Verhandlung einzuleiten.

 

22.54.53

Berichterstatter GR Ernst Holzmann: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bitte um Zustimmung.

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Ich eröffne die Debatte. Zum Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Emmerling. Ich erteile ihr das Wort.

 

22.55.09

GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc (NEOS)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Es geht um das mobile Rathaus, wie es jetzt beschlossen werden soll, also die Planungswerkstatt - das ist eigentlich gemeint - soll in die Bezirke hinausgehen. Wir haben uns zuerst gedacht, es wäre eigentlich ein positiver Ansatz, quasi näher zu den Bürgern. Aber dann

 

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