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Gemeinderat, 32. Sitzung vom 25.01.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 87 von 102

 

Da muss man vor allem den Bund ansprechen. Da gab es in den letzten Jahren auch schon unter SPÖ-Regierungsbeteiligung zu wenige Anstrengungen für echte Gleichstellung und auch Chancengerechtigkeit. Was wir jetzt unter der neuen Regierung erleben, ist sogar der Schritt zurück, also der Schritt hin zu einer rückwärtsgewandten Frauenpolitik und zu einem antiquierten Gesellschaftsbild. Wo stehen wir in der Frauenpolitik? Was sind hier die wirklichen Herausforderungen? Frauen arbeiten überwiegend Teilzeit, verdienen deshalb weniger Geld und haben auch im Alter eine geringere Pension, sind also zeitlebens hier nicht gleichgestellt. Und warum ist das so? Weil sie in überwiegendem Maße die Familienarbeit leisten. Die Hälfte aller Frauen, die erwerbstätig ist, arbeitet Teilzeit, 52 Prozent, nur 10 Prozent der Männer im Vergleich. Und 83 Prozent der teilzeitbeschäftigten Erwerbstätigen ist sogar weiblich! Jetzt haben die Frauen natürlich einen geringeren Jahresverdienst, das rund 50 Prozent niedriger als das Einkommen von vollzeitbeschäftigten Frauen ist. Das ist auch klar, das ist schon richtig. Aber gerade dann im Bereich der niedrigen Pensionen sind Frauen mit 76 Prozent wirklich überrepräsentiert. Was braucht es daher? Und ich sage das noch einmal, ich adressiere es auch an den Bund, es soll ein allgemeines Statement sein, welche Rahmenbedingungen wir hier in Österreich schaffen müssen, um Frauen in einem höheren Ausmaß am Erwerbsleben teilhaben zu lassen und so diese Abhängigkeit vom Partner einerseits, aber auch vom Staat zu reduzieren. Einerseits natürlich eine qualitätsvolle Kinderbetreuung, eine flächendeckende Infrastruktur. Es ist echt ein Armutszeugnis, dass wir im Jahr 2018 noch darüber diskutieren, wie Kinderbetreuung ausgebaut werden soll. Wien ist da einen Schritt voraus, überhaupt keine Frage, obwohl man im Bereich der Qualität sicher noch einiges machen kann.

 

Aber auch im Bereich Väterkarenzbeteiligung, denn die Betreuungseinrichtungen alleine werden natürlich nicht reichen, muss ich überlegen: Nur 17 Prozent der Väter gehen derzeit in Karenz. Das muss auch nicht so sein. Da gibt es auch andere Modelle, zum Beispiel Schweden, wo es 90 Prozent sind. Da ist ein neues Karenzmodell, wo auch die Väterbeteiligung nachhaltig erhöht ist, unbedingt erforderlich. Da schlagen wir ganz konkret einen individuellen Karenzanspruch vor und auch die Anhebung der Höchstgrenze für das Kinderbetreuungsgeld. Pensionssplitting wäre auch ein wichtiges Thema, automatisch, das heißt, ein Familienkonto, wo die Pensionsgelder, die Kontogutschriften gleichmäßig aufgeteilt sind, wo auch Väter einen Vorteil haben, wenn Mütter wieder schneller in den Erwerbsprozess einsteigen.

 

Ein weiterer Punkt ist auch das Antrittsalter bei Pensionen. Da bin ich schon sehr enttäuscht, dass hier auch die ÖVP wieder den Rückwärtsgang eingelegt hat, indem das Frauenpensionsantrittsalter für ASVG-Versicherte nicht erhöht wird. Das ist ein Trauerspiel. Das wird bis 2033 so fortgeschrieben. Das sind wirklich Ursachen für Symptome, die wir jetzt mit solchen Förderungen auch zu bekämpfen haben. Und schließlich brauchen wir natürlich auch auf Bundesebene sinnvolle und moderne steuerpolitische Konzepte und nicht einen Familienbonus, der in seiner jetzigen Form vor allem wieder ein konservatives Rollenbild einzementiert, wo der Vater mehr verdient, die Mutter ganz klar weniger, die Kinder leben auch zusammen, so wird das angenommen, ist aber nicht Lebensrealität von einem jeden. Wir schlagen hier einen Chancengerechtigkeitsbonus vor, also die Zusammenfassung von Alleinverdienerabsetzbeträgen, Kinderfreibetrag zu einem Chancengerechtigkeitsbonus für alle Betreuungs-, Bildungs- und Förderungsmaßnahmen, das heißt, im Sportbereich, Nachhilfe, Schulgeld, Fahrtkosten, und so weiter, der geltend gemacht werden kann. Dadurch wird es nämlich gelingen, Chancen für alle Kinder wachsen zu lassen, unabhängig davon, wie die Eltern verdienen, auch Vorteile für jene, deren Einkommen gering sind.

 

Das sind Rahmenbedingungen, die wir einfach dringend benötigen. Da würde ich mir wünschen, dass wir irgendwann einmal nicht mehr hier stehen und über Einzelsubventionen im Frauenbereich diskutieren müssen beziehungsweise wir ihnen jetzt natürlich sehr gerne zustimmen, aber wo sie einfach nicht mehr notwendig sind. Das heißt, eine gut ausgebaute und vor allem bessere, qualitätsvoll hohe Kinderbetreuung, Maßnahmen für eine stärkere Väterbeteiligung, Maßnahmen, die es Frauen erleichtert, auch ausreichen Pensionsjahre zu sammeln, und steuerpolitisch sinnvolle Maßnahmen. Was wir nicht brauchen, ist ein rückwärtsgewandtes Gesellschaftsbild der ÖVP und der FPÖ und ein rückwärtsgewandtes Frauenbild! Danke. (Beifall bei den NEOS.)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. El-Nagashi, die zweite Wortmeldung, zwölf Minuten stehen zur Verfügung. Sie haben das Wort.

 

19.05.17

GRin Mag. Faika El-Nagashi (GRÜNE)|: Ich möchte jetzt schon noch ein paar Worte zum Bereich Sexarbeit und zur Arbeit des Vereins SOPHIE sagen. Grundsätzlich ist es ja interessant, sich mit jemandem zu unterhalten oder auseinanderzusetzen, der die Arbeit des Vereins über viele Jahre kennt, noch zu einem Zeitpunkt, als es ein EU-gefördertes Projekt namens SILA war und auch unter einer anderen Leitung stand. Aber leider erschöpft sich das Interessante an diesem Gespräch hier dann auch schon wieder. Ganz offensichtlich besteht ein Interessenskonflikt in der Herangehensweise und der Betrachtung dieses Themas zwischen Ihnen, Herr Hobek, und dem Bereich an sich beziehungsweise dem Fokus der Beratungsstelle SOPHIE, die eine Beratungsstelle für weibliche Prostituierte in Wien ist. Ihre Interessen als Anrainer, als Autofahrer, als Mann sind anscheinend in einer bestimmten Art und Weise hier gestaltet mit einem Zugang, mit einem Blick, mit einer Perspektive. Sie erwarten sich hier von dem Verein eine Aufgabe, für die er einfach nicht gemacht ist. Es ist nicht die Aufgabe des Vereins, tatsächlich eine Mediation zwischen den Anrainern oder den Autofahrern oder den Männern in der Gegend darzustellen. Es ist eine Beratungsstelle für weibliche Prostituierte.

 

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