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Gemeinderat, 34. Sitzung vom 22.03.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 73 von 97

 

lernen. Aber jetzt frage ich mich: Die Julius-Tandler-Medaille wird seit 1960 verlieren, nicht seit den 20er Jahren, denn er war natürlich auch ein Sozialreformer, aber 1960, also zu einem Zeitpunkt, wo man sich eigentlich dieser Geschichte schon bewusst sein hätte müssen, und wird verliehen „als äußeres Zeichen der Anerkennung und Würdigungen an Personen“, „die sich durch ihre uneigennützige und aufopfernde Tätigkeit um das Wohl der Mitmenschen besonders verdient gemacht haben.“ - Ein bisschen Nachdenken könnte man schon drüber, ob das wirklich der Sinn des Ganzen ist.

 

Ähnlich wie mit der Julius-Tandler-Medaille ist es mit der Otto-Glöckel-Medaille, die für außerordentliche Leistungen auf dem Gebiet der Pädagogik verliehen wird, seit 1974. Und wir müssen uns anhören, dass wir angeblich deutschnational sind. Jetzt lese ich Ihnen vor, was der Otto Glöckel gesagt hat. Sie wissen, wir haben seit 1930 die Ottokar-Kernstock-Hymne als österreichische Bundeshymne gehabt, und da hat der Wiener Stadtschulratspräsident Otto Glöckel schriftlich verlautbart, „dass die Haydn-Hymne als ‚Deutschlandlied‘ der gefühlmäßige und auch offizielle Ausdruck des Einheitsbewusstseins des gesamten deutschen Volkes‘ sei. Der Stadtschulrat erwartet, dass dieses Lied in allen Schulen geübt und bei geeigneten Anlassen gesungen wird, um so die nationale und republikanische Erziehung der Jugend zu fördern.“ - Okay, das war 1930. - „Auch hier traten“ - steht hier noch - „zwei Charakteristika der politischen Kultur der Ersten Republik zutage: Zum einen wurden die unterschiedlichen Positionen der politischen Lager über Staatsymbole diskutiert, zum anderen zeigt sich die kontinuierliche großdeutsche Haltung der Sozialdemokratie.“

 

Okay, das war vor dem Krieg, der Friedrich Adler ist ja dann nicht Österreicher geworden, weil er nicht dort hin wollte, wo Marx und Engels Ausländer sind. Aber bitte, haben wir keinen anderen Pädagogen, dass wir seit 1974 nach dem Otto Glöckel eine Medaille benennen müssen? Das verstehe ich einfach nicht. Ich versuche, Sie zu sensibilisieren, dass Sie ein bisserl über die eigenen Dinge nachdenken und nicht immer nur auf die anderen losgehen.

 

Und kurz zum Schluss noch zum Karl Renner: Für „hervorragende Verdienste um Wien und Österreich in kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Belangen“ gibt es seit 1951 einen Karl-Renner-Preis. 1938 war er der bedeutendste sozialdemokratische Befürworter des Anschlusses an das nationalsozialistische Deutsche Reich. Ich zitiere auch hier: „Trotzdem habe ich“ - am 3. April ist das im „Neuen Wiener Tagblatt“ erschienen - „seit 1919 in zahllosen Schriften und ungezählten Versammlungen im Lande und im Reiche den Kampf um den Anschluss weitergeführt. Obschon nicht mit jenen Methoden, zu denen ich mich bekenne, errungen, ist der Anschluss nunmehr doch vollzogen, ist geschichtliche Tatsache, und diese betrachte ich als wahrhafte Genugtuung für die Demütigungen von 1918 und 1919, für St-Germain und Versailles. Ich müsste meine ganze Vergangenheit als theoretischer Vorkämpfer des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen wie als deutschösterreichischer Staatsmann verleugnen, wenn ich die große geschichtliche Tat des Wiederzusammenschlusses der deutschen Nation nicht freudigen Herzens begrüßte. Als Sozialdemokrat und somit als Verfechter des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen, als erster Kanzler der Republik Deutschösterreich und als gewesener Präsident ihrer Friedensdelegation zu St. Germain werde ich mit Ja stimmen.“

 

Und dann hat er noch dem nationalsozialistischen Bürgermeister Neubacher das Angebot gemacht, in einem Interview zu sagen: „Ja, ich möchte Sie bitten, dass Sie mir die Möglichkeiten verschaffen, entweder in der Zeitung oder in Aufrufen, die man auf Plakaten drucken könnte, die alten Sozialdemokraten Wiens in meinem Namen aufzurufen, am 10. April für Großdeutschland und Adolf Hitler zu stimmen.“

 

Okay, Geschichte ist Geschichte. Das ist eben Vorkriegsgeschichte. Aber warum verleihen wir seit 1951 den Karl-Renner-Preis? Wenn wir den in der Zwischenkriegszeit verliehen hätten, aber jetzt? Das verstehe ich nicht, und ich möchte Sie wirklich ernsthaft bitten, darüber nachzudenken, bevor Sie auf uns losgehen, denn ich glaube, Sie haben genug zu tun, um sich Ihrer eigenen Geschichte bewusst zu sein. Und dabei rede ich nicht einmal über das, was derzeit bei Vorträgen im Renner-Institut gesagt wird. - Danke vielmals. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Straubinger. Ich erteile es ihr.

 

16.54.49

GRin Mag. Sybille Straubinger, MBA (SPÖ)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Frau Berichterstatterin!

 

Herr GR Ebinger, ich hab mir am Anfang gedacht, das ist jetzt das Potpourri, das meistens kommt, wenn der GR Ebinger zu Kulturthemen spricht, und das ist halt das Potpourri, das immer kommt, wenn es um historische, wissenschaftliche Themen beziehungsweise Förderungen geht.

 

Ja, natürlich muss man große Männer - Frauen gab es weniger, die jetzt in Erinnerung sind und eine große Rolle spielen - immer differenziert betrachten, weil sie immer auch im Kontext der Zeit zu sehen sind. Und ja, natürlich gibt es Dinge, die im Kontext von heute problematisch sind, über die wir diskutieren müssen, die man aufarbeiten muss, die man auch bewusst machen muss, wie das zum Beispiel auch die Tandler-Ausstellung im Waschsalon getan hat. Ich kann Ihnen da auch gern ein paar Medienberichte zukommen lassen, die das aufgreifen und an denen man das sehr deutlich auch sieht, dass es nicht eine undifferenzierte Ausstellung war, die in lichte Höhen gehoben hat und die problematischen Aspekte, die es auch gegeben hat, in diesem Kontext nicht auch gezeigt hat. Aber was man auch gesehen hat, ist natürlich, dass er ein sehr großer Gesundheitspolitiker, Sozialpolitiker für diese Stadt war und hier auch Großartiges und Unglaubliches geleistet hat.

 

Ähnlich ist es auch bei den Namen, die Sie hier noch genannt haben. Ich gehe jetzt nicht darauf ein, denn wir führen jetzt keine historische Diskussion darüber, sondern es geht eigentlich um einen Akt, der eine Ausstel

 

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