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Gemeinderat, 37. Sitzung vom 24.05.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 4 von 70

 

Bgm Dr. Michael Häupl|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Das Vorspiel möge beginnen! Hoher Gemeinderat! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Ich will nicht verhehlen, dass es schon nachdenklich macht - um das einmal so zu sagen -, wenn ich mir vergegenwärtige, dass es jetzt 35 Jahre her ist, dass ich hier in diesem Block in der letzten Reihe, mittlerer Sitz, als Gemeinderat vereidigt wurde. Unvorstellbare 35 Jahre ist das her. 30 Jahre, dass ich in den Wiener Stadtsenat gewählt wurde und nicht ganz 24 Jahre lang durfte ich als Bürgermeister hier arbeiten.

 

Ich werde nicht der naheliegenden Versuchung erliegen, einen ausführlichen Rechenschaftsbericht über diese 30, respektive mehr als 23 Jahre, zu machen. Das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit ist bei einem Gang durch unsere Stadt, den man mit erhobenem Haupt und ohne Häme durchführt, in der Tat ja auch zu sehen - vor allem, welche Veränderungen es in dieser Zeit gegeben hat.

 

Erlauben Sie mir stattdessen, einige wenige Grundüberlegungen anzustellen.

 

Zunächst steht ja außer Frage, dass wir in einer sehr gefestigten parlamentarischen Demokratie leben, und die Diskussion über die Ergänzung durch die plebiszitäre Demokratie mit Sicherheit eine fruchtbare ist, bis zu jener Grenze, wo sie die Gesetzgebung des Parlaments in Frage stellt. Das ist der Punkt, an dem man dann die Diskussion meiner persönlichen Meinung nach abbrechen sollte. Aber bis dahin ist sicherlich im Hinblick auf die plebiszitäre Demokratie in unserem Lande noch eine Menge möglich und eine Menge zu entwickeln.

 

Dennoch: Die Demokratie ist ein zerbrechliches Gut, man muss sorgsam mit ihr umgehen. Ich meine das vor allem im Hinblick auf zwei wesentliche Punkte: Gesetze und Verfassung können geändert werden, aber sie sind nicht beliebig interpretierbar, nicht beliebig verhandelbar. Was man nicht erst in jüngerer Zeit immer wieder etwa auch zu Sprüchen des Verfassungsgerichtshofs gehört hat, stellt diesen Grundsatz in Frage. Man kann nicht hergehen und sagen: Das Verfassungsgerichtshoferkenntnis ist mir egal. Wenn man diese Dinge ändern will, dann muss man die Verfassung ändern. Das steht selbstverständlich den gesetzgebenden Körperschaften zu, aber man kann nicht einfach darüber hinwegschreiten. Das gefährdet zweifelsohne das Vertrauen in die Demokratie.

 

Eine demokratische Diskussion - und das sage ich in erster Linie auch unseren Partnern in den Medien - ist nicht per definitionem Streit. Eine demokratische Diskussion ist der Wesenszug der Demokratie, das Grundelement der Demokratie. Daher halte ich es für wichtig, dass wir auch dafür sorgen, dass es nicht immer wie Streit klingt. Auch wenn ich Sie möglicherweise langweile, weil ich das nun in der Tat redundant sage - aber Respekt und Rücksichtnahme sollten ebenso die Grundlage einer demokratischen Diskussion sein, wie auch der entsprechende Umgang der Politiker untereinander.

 

Ganz offen hier in meiner letzten Rede herausgesagt: Ich kenne keine andere Berufsgruppe, die so miteinander umgeht, wie das die Politiker tun. Neuerdings hat sich das auch ein bisschen bei Herausgebern von Zeitungen durchgesetzt, aber das ist ja nicht unbedingt unser Thema.

 

Wenn wir erwarten, dass unsere Arbeit als Politiker, die verantwortungsvolle Arbeit der Politiker, die verantwortungsvolle Arbeit der Parlamentarier, auch bei den Menschen geachtet wird, dann sollte man sich auch entsprechend benehmen.

 

Ich habe das immer wieder gehört, schon anlässlich des Attentats auf Heinz Nittel, anlässlich des Attentats auf Helmut Zilk. Es ist überall geschworen worden: In Zukunft machen wir das anders! Am nächsten Tag waren die Schwüre vergessen. Ich glaube nicht, dass das auf Dauer gesehen gut ist.

 

Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine persönliche Anmerkung: Ja, es ist überhaupt gar keine Frage, auch ich war nie ein Kind von Traurigkeit, auch nicht verbal. Wenn ich aber in all dieser Zeit jemanden gekränkt oder auch persönlich beleidigt haben sollte, dann entschuldige ich mich jetzt dafür. Es war nie meine Absicht, das zu tun. Es kann in der Hitze des Gefechts passieren. Recht ist es mir bis heute natürlich nicht, denn ich lege diesen Maßstab, nämlich Respekt und Rücksichtnahme, auch an mich selbst und weiß daher, wenn mir da etwas misslungen ist oder ich etwas falsch gemacht habe.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor ungefähr 23 Jahren ist Österreich der Europäischen Union beigetreten, und nächstes Jahr feiern wir 30 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs und Beendigung der kommunistischen Diktaturen jenseits unserer nördlichen, östlichen und südlichen Grenzen. Ich denke, es ist wert genug, dass wir uns dessen auch erinnern. Ich bin zwei Monate vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zum Wiener Bürgermeister gewählt worden. Daher war die Aufgabenstellung relativ klar, und ich habe immer diese beiden Ereignisse - Fall des Eisernen Vorhangs, damit wieder Hineinrücken Wiens in dieses neue Mitteleuropa, und natürlich auch den Beitritt zur Union - als eine einzigartige Chance und gleichzeitig als große Herausforderung für Wien gesehen.

 

Wir haben, wenn man den internationalen Medien glauben darf, diese Chance genutzt, die Herausforderung letztendlich auch gemeistert. Wir sind in eine tragende Rolle in diesem gemeinsamen Haus „Europa“ hineingewachsen. Wir haben eine führende Rolle in der europäischen Städtepolitik übernommen, insbesondere in der Phase der ersten Erweiterung der Europäischen Union in der Kooperation mit Städten, beileibe nicht nur den Hauptstädten, in diesen Ländern, um ihnen zu helfen, die Rolle von Städten in diesem gemeinsamen Europa auch anzunehmen. Es war vor dem Vertrag von Lissabon die Rolle noch eine ganz andere, als das heute der Fall ist.

 

Wir haben wichtige Punkte wie etwa Schutz der Daseinsvorsorge, Subsidiarität, die Stärkung des Europäischen Parlaments und vieles mehr im Vertrag von Lissabon gemeinsam mit sehr wichtigen Partnern in Europa durchgesetzt.

 

Ich möchte hier an dieser Stelle, stellvertretend für sehr viele, zwei Personen danken, die im besonderen

 

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