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Gemeinderat, 37. Sitzung vom 24.05.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 14 von 70

 

Zaun zu Niederösterreich errichten können? - Nein, Herr Bürgermeister, überhaupt nicht, aber es hätte sehr geholfen, wenn du, der du zweifach unterzeichnet hast, nämlich als Landeshauptmann und als Präsident des Städtebundes bei der Bund-Land-Vereinbarung ob einer Obergrenze, nicht im Kreise deiner StadträtInnen das Ganze als obsolet erklärt hättest. Das wäre nämlich dieser nationale Schulterschuss gewesen, der uns damals sehr geholfen hätte und den man ein bisschen hier außen vor gelassen hat. (Beifall bei der ÖVP. - Zwischenruf von Bürgermeister Dr. Michael Häupl.)

 

Meine Damen und Herren, interessant ist aber, und jetzt bin ich wieder weg von den Inhalten, wenn man sich ein bisschen in die Interviews des frühen Michael Häupl hineinliest. Da gibt es manche Dinge, bei denen man dann wirklich erstaunt ist darüber, dass du das so gesagt hast. Bei manchen Dingen hat man einfach das Gefühl, da ist der Fokus noch anders eingestellt, und bei manchen Dingen glaubt man, die sind aus dem Frühjahr 2018. Da ist beispielsweise in einem „Presse“-Interview mit Hans Werner Scheidl vom 29. Oktober 1994 die Rede von Kritik des Wiener Parteivorsitzenden betreffend die SPÖ-Bundespartei. Man sagt hier: „Jetzt müssen wir bei null beginnen. Das ist ein rauchender Trümmerhaufen. Ein feiner Rauchfaden zieht heraus. Jetzt geht’s darum, dass man nicht den sprichwörtlichen Phönix beschwört, sondern die Spitzhacke und die Schaufel und den Trümmerhaufen beiseite räumt. Wir müssen uns fragen: Wie wollen wir jetzt, wie können wir die Zukunft gestalten? Erst dann stellt sich die Frage: Sind die handelnden Personen die richtigen?“ Das klingt nach der Analyse der SPÖ-Bundespolitik 2018 und ist doch schon passiert im Oktober 1994.

 

Interessant sind auch deine Ziele für die Stadtpolitik. Als du gefragt wurdest, was dir so wichtig sei, hast du in einem APA-Interview vom 26. November 1994 gesagt - und da zeigt sich, dass manche Probleme doch sehr ähnlich bleiben -: „Die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Wien und die“ - ein schönes Wort, belanglos ausgesprochen - „Vollbeschäftigung, auch für junge Menschen leistbaren Wohnraum, Sicherheit und eine vernünftige Ausländerpolitik. Auch das für einen Sozialdemokraten wichtige Thema Sicherheit will Häupl beachten. Er werde diesen Bereich jedenfalls nicht Leuten wie“ - und so weiter - „überlassen. Der Wiener SPÖ-Chef erneuert auch sein Bekenntnis zu einer Ausländerpolitik mit der Hilfe für Bedürftige einerseits und dem strikten Vorgehen gegen illegale Verhältnisse andererseits.“

 

Zu guter Letzt, vielleicht auch ganz amüsant für Vertreter deiner Fraktion, warst du zu Beginn deiner Karriere jemand, der auch die Vorstadt so richtig zu schätzen wusste. Ich zitiere wörtlich: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es bei einem Ottakringer Heurigen lustiger ist als in so manchem Innenstadtlokal. Das Lebensgefühl der Leute ist ein vollkommen anderes. Je weiter man aus dem Stadtzentrum rauskommt, desto mehr Zukunftsfreude und Lebensmut erfahre ich.“ Finde ich interessant. Freut mich. Ich hätte mir gerade in der Verkehrspolitik in letzter Zeit häufiger erhofft, dass du darauf zurückkommst.

 

Aber ich möchte gar nicht so sehr die inhaltlichen Unterschiede herauskehren. Mir geht es vielmehr um etwas anderes. Da ich ja weiß, dass noch sehr viel Energie in diesem Michael Häupl steckt und dass nicht mit einem klassischen Pensions- oder Pensionistendasein zu rechnen ist, wo in den Ottakringer Parks Tauben gefüttert werden, daran glaube ich nicht, erlaube mir, dir ein paar Anregungen dazu zu geben, was du vielleicht mit deiner neugewonnen Freiheit anfangen könntest und was vielleicht doch lieber nicht.

 

Was ich nicht empfehlen würde, wäre Strafverteidiger. Das sind bekanntlich ziemliche Streithanseln. Auch wenn du gerne über Medien gepoltert hast, halte ich dich in Wahrheit für relativ harmoniebedürftig, ja, fast konfliktscheu. Streiten, glaube ich, ist nicht so deines. Auch Bilanzbuchhalter zu werden, würde ich dir nicht wirklich raten. Ich erspare mir jetzt alle Details über das Budget. Aber auch Detailverliebtheit ist, glaube ich, nicht deine ganz große Stärke. Und wenn man sich die Stadtregierungen von 1994 bis 2018 ansieht, so ist Headhuntern, meine ich - ich erspare es mir, das genauer zu erklären - auch nicht deines. Wo du wirkliche Kompetenz hast, sehr geehrter Herr Bürgermeister, ist alles, was mit Fußball zu tun hat. Da würde ich jede Aktivität von dir massiv unterstützen, denn da kennst du dich wirklich aus. (Ja-Rufe und Beifall bei der SPÖ.)

 

Wer jemals in den Genuss kam, von Bürgermeister Häupl einen Lokaltipp zu bekommen, weiß, dass er auch als Gourmetkritiker eine gute Figur machen würde. Neulich habe ich in einem Abschiedsinterview gelesen, dass du zu Hause sehr gerne den Koch gibst. Nun habe ich mir gedacht: Was kann man dir als Kleinigkeit in den Ruhestand mitgeben? Wir haben da etwas gefunden, das vielleicht nicht alltäglich, aber vielleicht ganz gut passend ist, nämlich das Kochbuch des Sozialismus. (Der Redner hält das Buch „Küche totalitär. Das Kochbuch des Sozialismus von Wladimir und Olga Kaminer“ in die Höhe. - Allgemeine Heiterkeit.) Es ist vor allem Borschtsch und dergleichen, aber vielleicht sind ja auch ein paar Rezepte, die du noch nicht kennst, dabei.

 

Was mich an Michael Häupl - und jetzt komme ich schon zum Abschluss - immer fasziniert hat: Du hast das bemerkenswerte Kunststück zuwege gebracht, als gebürtiger Niederösterreicher der Inbegriff des echten Wieners zu werden. Dass, nachdem du 1969 die Landesgrenzen überschritten hast, der hoffnungsvolle Spross einer tiefschwarzen ÖAAB-Lehrerfamilie zum VSStÖ-Bundesvorsitzenden wurde, das ist halt ein unrühmliches Detail dieser ansonsten sehr spannenden Vita. (Allgemeine Heiterkeit.)

 

Aber vielleicht kann mir heute noch der Herr Lhptm Pröll erklären, weshalb manchmal Niederösterreicher, wenn sie zu lange in Wien sind, ein bisschen eigenartig werden, das sei dahingestellt. Was dich, glaube ich, mit vielen Wienerinnen und Wienern verbindet, ist deine unangestrengte Wurschtigkeit, die du sehr oft in deinem politischen Handhaben und in deinen politischen Tätigkeiten an den Tag gelegt hast, die ja stets auch etwas Großzügiges hatte. Das hat wirklich fasziniert und ist sympathisch. Ich möchte heute, ähnlich wie meine Vor

 

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