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Gemeinderat, 37. Sitzung vom 24.05.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 15 von 70

 

rednerin, nicht davor zurückscheuen, dir namens meiner Fraktionen bei allen Unterschieden für 35 Jahre Dienst für diese Stadt ganz herzlich danken.

 

Ich darf mit einem Kompliment enden, das meinen Zugang zu dir vielleicht ganz gut auf den Punkt bringt. Mit dir zu streiten, hat oftmals viel mehr Spaß gemacht, als mit so manchen einer Meinung zu sein. Ich wünsche dir vom ganzen Herzen alles Gute, Gesundheit, Zufriedenheit an der Seite deiner charmanten Gattin. Leb wohl oder, wie wir in Wien sagen, servus! (Allgemeiner Beifall.)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Zu Wort gemeldet ist nunmehr GR Mag. Chorherr. Ich erteile es ihm.

 

10.36.21

GR Mag. Christoph Chorherr (GRÜNE)|: Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Lieber Michael Häupl!

 

Wir denken, dass du es nicht als respektlos empfinden wirst, dass nicht der Herr Klubobmann hier spricht. Der Klub hat gemeint, ob ich, da ich doch dabei war, als du angelobt wurdest, nicht vielleicht diese Rede halten möchte. Und ich möchte das gerne machen, wenn auch mit einer gewissen Nervosität, da ich im Zuge der Vorbereitung ein bisschen sentimental wurde. Wir haben uns kennen gelernt, als ich nicht amtsführender Stadtrat war, 1991. Daher ist dieses Nachdanken ein bisschen auch ein Nachdenken über die eigenen 27 Jahre geworden. Ich habe nachgedacht: Das war 15 Jahre, bevor das Smartphone erfunden wurde, Google gab es nicht, Facebook gab es nicht, Twitter gab es nicht, deshalb war auch die politische Kommunikation eine andere. Es gab keine Seestadt, es gab keine U2, es war irgendwie eine andere Zeit. Eine Bilanz deiner Leistungen werden andere zusammenstellen. Ich glaube, dass bei all der Wichtigkeit von Strukturen auch die Personen, die politischen Figuren in der Politik von großer Bedeutung sind. Ich erlaube mir daher basierend auf vielen Gesprächen, die wir geführt haben, darüber nachzudenken, wer die politische Person Michael Häupl war. Normalerweise bin ich immer per Sie, weil sich das so gehört. Heute erlaube ich mir aber ausnahmsweise, davon abzuweichen.

 

Das Wesentlichste, das mir zu dir immer eingefallen ist und wo du mir auch Vorbild warst, ist deine Vielschichtigkeit. Ich kenne niemanden in der politischen Umgebung, der so ein unterschiedlicher Mensch in unterschiedlichen Situationen zu anderen Menschen ist. Zwei Beispiele: Michael Häupl ist im 22. Bezirk bei einer wissenschaftlichen Tagung, hält eine Rede als gelernter Wissenschaftler, führt dann den Smalltalk und fährt dann zurück ins Rathaus. - Du wirst mir verzeihen, dass ich jetzt die eine oder andere Anekdote erzähle, die jetzt aber nicht nur lächerlich oder g‘schmackig sein soll, sondern etwas über dich aussagt. - Am Weg hinein kommt er an einem Lokal vorbei, das ich jetzt Spelunke nennen möchte, am helllichten Tag, und der Herr Bürgermeister meint, man möge dort kurz stehen bleiben. Seine Berater zweifeln, ob das eine gute Idee ist, denn wer ist am helllichten Tag in so einem Lokal? Du aber sagst, du willst da hineingehen und gehst hinein. Dort sind jene Menschen, die zu dieser Tageszeit Zeit haben. Sie drehen sich zu dir und sagen: „Hallo Burgamasta!“ Zehn Minuten bist du dort geblieben und alle, die dabei waren, hat es tief beeindruckt darüber, dass du nach dem Treffen mit den Wissenschaftlern in dieser Spelunke, in einem ziemlich anderen Milieu, eine Gesprächsbasis gefunden hast, die denen sicher sehr viel gegeben hat. Das sagt viel über dich aus, das sagt aber auch viel über Wien aus, dieses Vielfältige.

 

Wenn jemand abtritt, sagt man oft, da schließt sich eine Zeit ab, und viele dieser Eigenschaften, die ich jetzt in dieser Kürze nennen will, sind nicht etwas, das abgeschlossen ist, sondern etwas, das wir uns bemühen sollten, weiter zu kultivieren. Dieses Verbinden verschiedener Milieus, die Möglichkeit, sich aufeinander einzustellen und zu akzeptieren, dass es Unterschiedlichkeiten gibt.

 

Nun gibt es einen zweiten, ich verhehle nicht, altmodischen Begriff, den ich aber trotzdem nenne. Er hat mit dieser Vielschichtigkeit und von dir zu tun, das ist Versöhnung. Wir Politiker trauen uns viel zu selten zuzugeben, dass auch etwas anderes stimmt als das, was wir selber tun. Gut, dass es in einer Zeit, wo sehr viel auseinandergeht, jemand da ist, der die Hand reicht, der auf Grund einer Haltung, zu der komme ich noch, trotzdem dem anderen das Gefühl gibt, dass sein Bereich wichtig ist, jemand, der nicht nur ein Entweder-oder sieht, sondern ein Sowohl-als-auch. Ich glaube, dass du das in einem sehr hohen Maße verwirklicht hast.

 

Ich komme zum nächsten Punkt: Haltung. Du hast selbst in deiner Rede gesagt: Das, was innen ist, kommt oft mit einem launigen Sager heraus. Trotzdem sagen diese launigen Sager viel über einen Menschen aus. Mir ist jetzt ganz schnell jener in der Erinnerung, als die Bundesregierung, damals noch die rot-schwarze, mit der die EU darum gestritten hat, wie diese etwas über 100 Flüchtlinge aufgeteilt werden sollen. Da war eine Bitzelei und dir ist irgendwie rausgerutscht: „Heart’s, die nimm i olle in Ottakring.“ Immer wieder hast du Haltung gezeigt, die geheißen hat: Weltoffenheit, eine unbestreitbare, eindeutige Haltung zu einer europäischen Einigung und diese Vielfalt widerzuspiegeln, auch in dir widerzuspiegeln.

 

Der nächste Punkt, den ich mir aufgeschrieben habe, ist Humor und Selbstironie. Also zwanghaft lustig zu sein, ist das eine, das sollten wir uns eher sparen. Es geht aber auch darum, zu vermitteln, ich habe zwar eine Haltung, bin aber im Stande, mit einem Augenzwinkern, mit einem Sager dem anderen entgegenzukommen. Ich habe ein interessantes Buch gelesen, ein kleines Reclam-Büchel: „Die Vereindeutigung der Welt: Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt“, da geht es um den Verlust der Ambiguität, um ein Fremdwort zu verwenden - die Mehrdeutigkeit, die eine Stadt ist und die auch einen Menschen ausmacht, und die Selbstironie ist ein Weg, das zu tun.

 

Dann habe ich noch einen wichtigen Punkt, wo du mir auch Vorbild bist, das ist wirklich gelebter Respekt. Du hast es vorher in deiner Rede gesagt, ich habe mir vorher diese Begriffe aufgeschrieben. Das betrifft nicht nur uns Politiker und Politikerinnen untereinander, sondern das ist der Umgang grundsätzlich mit anderen

 

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