«  1  »

 

Gemeinderat, 37. Sitzung vom 24.05.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 16 von 70

 

Menschen, die etwa eine andere Lebenswirklichkeit haben. Das heißt nicht, seine Haltung zu verlieren, aber respektvoll miteinander umzugehen. Ich erinnere mich an vertrauliche Gespräche, die wir gehabt haben. Ich erinnere an die Zeit, da warst du schon Parteivorsitzender, aber noch nicht Bürgermeister. Wir sind dann oft abgeglitten, und da habe ich dir zugehört. In unglaublicher Offenheit hast du über sehr vieles geredet. Wohl wissend, dass vertrauliche Gespräche vertraulich sind und bleiben werden, darf ich einen Punkt jetzt, ohne dich vorher gefragt zu haben, erwähnen. Es wird nicht sehr unangenehm. (Allgemeine Heiterkeit.)

 

Also dazu muss man sagen: Vieles war schon beim Bürgermeister sehr interessant. Auch das Ambiente jedes Bürgermeisters sagt viel über Wien aus. Man geht durch eine ganz kleine Tür, die einen klein macht und kommt dann in ein ziemliches großes Büro. Ich danke einem Kollegen, der nachgemessen hat. Eine durchschnittliche Wohnung hat 80 m², eine üppige Wohnung hat 120 m², dein Büro hat 240 m². Beziehungsweise nicht deins, das Büro des Wiener Bürgermeisters hat 240 m². Da saß man auf dieser Couch und hat sich ausgetauscht, hat politische Themen kontrovers und auch gemeinschaftlich abgearbeitet. Dann wurde die Welt betrachtet. Ich war damals ein Anfang-30-Jähriger und habe mir oft gedacht, man soll von anderen Leuten etwas lernen. Damals ging es um den Wechsel. Es stand auch in den Zeitungen, ist ja kein Geheimnis, du warst nicht der Einzige, der Parteivorsitzender werden wollte, sondern unter anderem der spätere Klubobmann Hatzl, von dem ich auch einiges gelernt habe, das wollte ich auch noch sagen. Irgendwann ist damals ein Satz gefallen, den ich damals als Anfang-30-Jähriger nicht ganz begriffen habe, dessen tiefe Weisheit ich aber heute erkenne. Du hast mir gesagt: „Politik ist wie Boxen, es kommt auf den Zeitpunkt, es kommt auf die Entfernung an und Masel musst auch haben.“ Ich habe damals nicht ganz durchschaut, was du gemeint hast, jetzt als 57-Jähriger weiß ich: Die Entfernung, der Zeitpunkt und das Masel ist in der Tat ein wesentliches Element des Politischen.

 

Dann habe ich auch viel von Hatzl gelernt - verzeih mir, dass ich das jetzt auch noch erwähne. Er war Klubobmann, ich war auch Klubobmann, und er hat mich zur Raserei getrieben. Er hat nämlich Folgendes gemacht, und auch daraus habe ich etwas gelernt: Wenn eine Auseinandersetzung war, hat er immer wieder unberührt von dem, was ich gesagt habe, immer nur seinen Standpunkt wiederholt: „Herr Klubobmann, ich sage Ihnen noch einmal ...“, und ich habe das nicht ausgehalten. Im Endeffekt war es dann aber so: Ich hatte meinen Standpunkt, und er hatte seinen Standpunkt. Er hat irgendwie buddhistisch auf seinem Standpunkt beharrt, und ich bin dann nervös als 30-Jähriger herumgetänzelt und habe dann einen Vorschlag gemacht, der schon ein bisserl näher bei ihm war. Dann hat er gesagt: „Herr Klubobmann, ich sage Ihnen noch einmal ...“ und ist bei seinem Standpunkt geblieben. Ich bin weitergetänzelt, habe immer wieder Kompromissvorschläge gemacht, und meine Kompromissvarianten haben sich seinen Forderungen immer weiter genähert. Die Mitte hat sich immer mehr zu ihm verschoben, das habe ich aber damals nicht begriffen, und am Schluss ist er mir ein ganz kleines bisschen nähergekommen. So, auch von Hatzl habe ich viel gelernt. (Heiterkeit bei GRÜNEN und SPÖ.) Du verzeihst, dass ich auch den inzwischen verstorbenen Klubobmann Hatzl hier noch zu Ehren kommen lasse.

 

Ein Weiteres: Du hast immer Zeit gehabt. Das habe ich schon beim VBgm Mayr unglaublich geschätzt. Ich finde, dass es ein wahres Insignium von Macht ist, Zeit zu haben, sich Zeit zu nehmen. Ich erinnere mich, wir haben dich einmal zu einer Klubsitzung eingeladen, das haben wir ohne Medien gemacht. Da haben wir die Sessel umgruppiert, haben uns irgendwie schön herausgeputzt, das war schon in der Zeit der rot-grünen Regierung. Es war zwar nur eine Stunde geplant, aber du bist an die drei Stunden geblieben. Es war eine sehr intensive Diskussion - ich bedaure, dass wir das nicht öfter gemacht haben - darüber, was Politik eigentlich kann, was Politik nicht kann, welche Spielräume man hat. Ich denke daran gerne zurück. Es war schön, dass du dir die Zeit genommen hast. Ich habe oft das Gefühl, wahrscheinlich, ohne es zu wissen, dass deine Mitarbeiter Schwierigkeiten haben, weil da schon jemand wartet. Das gilt auch für Gespräche, die ich mit dir geführt habe. Die waren auch für eine Dreiviertelstunde angesetzt, wir sind dann eineinhalb Stunden gesessen. Du hast dann noch einen Kaffee getrunken, einen kleinen Illy. Das hat dann auch oft länger gedauert, obwohl draußen schon geklopft wurde. Auch für diese Zeit bin ich dir dankbar.

 

Ich habe noch etwas Wesentliches vergessen. Michael Häupl ist, offen gesagt, einer, der wartet, schaut und tut. Er hat aber im richtigen Moment den Mut zur Innovation. Viele Herausgeber haben 2010 geschrieben, es wird sicher Rot-Schwarz werden. Wir waren uns nicht sicher, was das wird, aber Michael Häupl hat im richtigen Moment Mut gezeigt. Es war damals sicher nicht einfach, eine Koalition mit uns GRÜNEN zu wagen. Das sage ich deswegen, weil das auch mein Leben beziehungsweise unser politisches, aber auch persönliches Leben maßgeblich betroffen hat. Auch dieser politische Mut ringt mir Respekt ab.

 

Abschließend nur zwei Themen - das geht sich gerade noch aus, ich bin sogar in der Zeit -: Es war der VBgm Mayr, der der Universität das Alte AKH geschenkt hat, und dass jetzt in den letzten Wochen deiner Amtszeit dieses wunderschöne Areal des Otto-Wagner-Spitals nicht einzeln verkauft wird, sondern dort eine internationale renommierte Universität einzieht, zeigt deine stille, innere, tiefe Verbundenheit zur Wissenschaft. Darauf hast du Wert gelegt. Und der letzte Punkt, den ich habe: Bei der ökologischen Frage, die mir so unter den Nägeln brennt, die aber auch kontrovers ist, wenn sie kommunalpolitisch umgesetzt wird, habe ich immer das Gefühl gehabt, dass das etwas ist, wofür du mehr als Verständnis hast.

 

Zum Abschluss darf ich dir ein kleines Präsent von uns übergeben. Die Künstlerin Jutta Reichenpfader hat dich in deiner Vielgesichtigkeit gezeichnet. (Der Redner hält ein Bild mit sechs Karikaturen des scheidenden

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular