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Gemeinderat, 38. Sitzung vom 26.06.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 10 von 101

 

Wir diskutieren den Rechnungsabschluss 2017, wofür natürlich die neue Frau Stadträtin überhaupt nicht verantwortlich ist, sondern ihr Vorgänger.

 

Ich möchte meine Wortmeldung dahin gehend nützen, dass wir vielleicht betrachten, was in den letzten Jahren kulturpolitisch in dieser Stadt passiert ist, mit vielen guten Bemühungen, das ist gar keine Frage, aber leider Gottes mit ein bisschen einer schlechten Wirkung.

 

Beginnen möchte ich mit den Wiener Festwochen. Wir haben vor ein paar Tagen erfreulicherweise erfahren, dass der Leiter, Herr Tomas Zierhofer-Kin, nach nur zwei Spielzeiten vorzeitig seinen Rückzug bekannt gegeben hat. Der offizielle Grund, wie wir ihn alle lesen konnten, ist, trotz vieler künstlerischer Erfolge und der gelungenen Bemühungen, ein für die Festwochen neues Publikum zu gewinnen, sei er auf keine breite Resonanz gestoßen. Das klingt nach einer Selbsteinsicht. Das klingt gut. Dann muss man sich aber anschauen, was er auf seiner privaten Facebook-Seite geschrieben hat. Ich sage, das gibt schon ein bisschen einen größeren Einblick in seine feine Seele. Er hat dort geschrieben - ich zitiere: „Dieses unqualifizierte Kritiker-Blabla kann mir jetzt nun auch offiziell sowas von a…“ - eh schon wissen - „vorbeigehen.“ Also, Selbstreflexion ist etwas anderes. Schuld sind die Kritiker, schuld ist das Publikum, dass seine tolle Arbeit nicht gewürdigt worden ist.

 

Er hat einen Fünfjahresvertrag bekommen und hat damals versprochen - ich kann mich daran erinnern -, seine Arme für den künstlerischen Rand und für Hybridformen weit offenzuhalten. Er wollte neues Publikum anlocken und das etablierte Publikum mit neuen Formaten konfrontieren. Wie hat es dann wirklich ausgesehen? Statt hochkarätigem Welttheater gab es, bei mehr oder weniger gleich bleibendem Budget, nur mehr kleine Performances, statt aufsehenerregender Opern, wie es sie früher gegeben hat, nur mehr eine neue Partyschiene, sage ich jetzt einmal, in der Wiener Peripherie.

 

Ein weiterer großer Fehler, den der Intendant gemacht hat, war, dass er die traditionelle Kooperation mit dem Musikverein und abwechselnd auch mit dem Konzerthaus beendet und das Ganze alles nur heruntergebrochen oder auf einen Diskursschwerpunkt gebracht hat, alles muss post sein, postidentitär, postkolonialistisch, postorientalistisch. „Underground statt Hochglanz“ war das Motto. Das ist halt einmal bei den Kritikern, aber auch beim Publikum, nicht angekommen. Was sagt der renommierte „Presse“-Kritiker Norbert Mayer? „Die Wiener Festwochen vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit.“ Das Festwochenpublikum hat sich belehrt, ignoriert, gelangweilt gefühlt. Was war die Folge? Die Auslastung ist weit zurückgegangen, unter die Saisonen seines Vorgängers Markus Hinterhäuser. Er wollte den Kurs trotzdem fortsetzen, hat er nach dem ersten Jahr noch gesagt. Trotzdem hat er dann zwei Drittel seines Kuratorenteams ausgetauscht. Dann hat er aber Fehler eingestanden. Er hat gesagt, es soll nicht mehr etwas Sektiererisches sein, die neue Ausgabe sollte immersiv sein. Das ist eigentlich eines seiner Lieblingsworte, immersiv, antielitär, et cetera. Musiktheater hat es trotzdem nicht gegeben. Man hat die Gösserhallen vor einem jungen Publikum bespielt. Das war halbwegs ein Erfolg. Er hatte Ideen für die Zukunft. Er hatte Ideen für das nächste Jahr. Da wollte er Paul McCarthy die Wiener Festwochen dominieren lassen. Ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben, es hat heuer einen Vorgeschmack in einem Video gegeben, wo er - ich sage es jetzt wirklich so, wie es ist - Penisse abhacken und Fäkalien verzehren hat lassen. Wenn das im nächsten Jahr wieder nicht gut angekommen wäre, wäre wahrscheinlich wieder das Publikum schuld gewesen, wären die Kritiker schuld gewesen und wir als Freiheitliche, wenn wir das aufgezeigt hätten, wahrscheinlich auch.

 

Die Wiener Festwochen sind belanglos geworden. Das ist die wahre Niederlage. Das muss man sagen. Da hoffe ich sehr auf Ihren Neuen. Ich versuche mich jetzt auch an den Worten, ich muss es mir heraussuchen, Christophe Slagmuylder - das werde ich nie schaffen, aber macht nichts -, dass es jetzt besser wird, dass Wien wieder Festwochen bekommt, die international bedeutungsvoll sind und die sich nicht hinter schmucken Beiwörtern, wie viszeraler Charakter, animistische Energien, sensorischer Entzug und intellektuelle Textplosion, verstecken. Wir wollen, dass die Festwochen für die Wienerinnen und Wiener als auch für die Besucherinnen und Besucher dieser Stadt wieder das sind, was sie einmal waren, nämlich wirklich ein kulturelles Highlight, und zwar in der alten Kultur, natürlich aber auch in der modernen Kultur. Das wünsche ich mir von Ihnen, Frau Stadträtin, dass Sie das durchsetzen können. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Eine weitere Baustelle - sie wurde heute schon angesprochen - sind die Vereinigten Bühnen Wien. Wir müssen uns anschauen, es hat jahrelang keine wirtschaftlich erfolgreiche Eigenproduktion gegeben. Jetzt gibt es eine. Man hat ein paar gute Musiktitel zusammengefasst. Aber ich sage, ich kann mich eigentlich nur der „Zeit“ anschließen, die in ihrer Online-Ausgabe geschrieben hat: „Tristesse mit Methode“ und über das toll eingekaufte Musical „Natürlich blond“: „trivialer als trivial“. Wir haben damals eine Auslastung von 63 Prozent gehabt. (GR Ernst Woller: Sie haben schon ein bisschen ein Langzeitgedächtnis! Das ist schon fünf Jahre her!) - Immerhin! Lieber Kollege Woller, der mir gerade einwirft, Sie haben, glaube ich, selber gesagt, es waren wahrscheinlich sogar nur 40 Prozent. Ich hoffe, dass es wieder neue Eigenproduktionen geben wird. Ich hoffe, dass es Eigenproduktionen geben wird, die wir finanziell dann auch weitervermieten oder weiterverkaufen können.

 

Letzter Punkt, und es hat mich sehr gefreut, obwohl ich weiß, dass es nicht direkt Ihr Ressort ist: Es geht um den Dauerbrenner Weltkulturerbe. Sie haben zwei wirklich bemerkenswerte Aussagen gemacht. Die eine war im „Kurier“: „Wir müssen, denke ich, die Balance hinkriegen, eine dynamische Stadt zu sein und gleichzeitig das Weltkulturerbe zu erhalten. Ich finde, dass die Stadt Wien klare Limits für private Investoren setzen muss, um ihre eigenen Interessen zu wahren.“ - Das sind einmal Aussagen, die ich mir von einer Stadträtin in dieser rot-grünen Regierung nicht erwartet hätte. Noch besser, in der Zeitung „Österreich“: „Wir werden gut daran tun, das

 

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