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Gemeinderat, 38. Sitzung vom 26.06.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 101

 

Wesen. Auf die Frage der Presse, was denn an Ihnen so seltsam sei, haben Sie gemeint - ich zitiere -: „Ich glaube, das merken Sie schon.“ Frau Stadträtin! Ich merke, dass Sie ein seltsames Wesen in der rot-grünen Stadtregierung sind, weil Sie handeln! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

 

Ich glaube, das ist heute schon ganz stark zum Ausdruck gekommen! Ihre erste Handlung, nämlich die Auflösung des Vertrages mit dem Chef der Wiener Festwochen, Tomas Zierhofer-Kin, hat, glaube ich, alle sehr beeindruckt, und zwar auch die rot-grüne Stadtregierung, wie ich annehme. Es ist nämlich seltsam, neu, sehr erfrischend und sehr positiv, wenn in der rot-grünen Stadtregierung jemand einmal überraschend klare Worte findet. Und noch überraschender ist es, wenn jemand danach handelt.

 

Sie haben weiters gemeint, dass die Politik, wenn sie mit einem Geschäftsführer nicht zufrieden ist und die Leistung nicht in Ordnung sei, auch die Möglichkeit haben müsse, neue Akzente zu setzen und neue Leute ins Spiel bringen zu können. - Diesbezüglich bin ich total bei Ihnen, und ich bin sehr froh, dass Sie da umgehend die Handbremse gezogen haben!

 

Wir haben es heute schon gehört: Die ersten Festwochen unter Zierhofer-Kin waren katastrophal, die Besucherzahlen waren auf dem Boden. Ein Höhenflug war angekündigt, und ein Bauchfleck ist es geworden. Die Wiener Festwochen, ein ebenso traditionsreiches wie einst weltweit anerkanntes Kulturformat, in ein Performance- und Experimentalkunst-Festival überzuführen, ist ein sehr ehrgeiziges Unterfangen! Es ist ehrgeizig, aber sicherlich nicht aussichtslos. Aber tatsächlich sind unter Zierhofer-Kin zuerst die Kultur und dann die Kunst beseitigt worden.

 

Frau Stadträtin! Nur damit wir uns auch richtig verstehen: Aus meiner Sicht gehört es natürlich zu den Aufgaben und Herausforderungen der Kunst, am herrschenden Kunstverständnis zu rütteln. Zu den Aufgaben und Herausforderungen der Kunst gehört es aber auch, das herrschende Kunstverständnis als Ausdruck der bestehenden Kultur durch ein neues Kunstverständnis als Ausdruck einer Kulturerneuerung zu ersetzen. Aber nichts dergleichen wurde bei den letzten Festwochen unternommen!

 

Geboten wurde stattdessen ein von der Mehrheit finanziertes Spektakel für eine Minderheit, die nichts weiter tat, als sich selbst zu inszenieren. Ihren Vorgänger hat das aber überhaupt nicht bekümmert! Nach alter Manier hat er verkündet, und zwar gebetsmühlenartig, dass alles gut sei und man einfach nur zuwarten müsse. - Ich kann ihm insofern beipflichten, als offenbar 17 Jahre im Stadtratsamt doch zu lange waren, um hier noch einen kritischen Blick zu haben!

 

Frau Stadträtin! Es heißt: Neue Besen kehren besser. Und Sie haben es tatsächlich in Angriff genommen, genau den Stall auszumisten, zu dem die Wiener Festwochen verkommen sind. Ich bin sehr gespannt, wie lange Ihr Elan anhält beziehungsweise wie lange es dauert, bis die selbsternannten Eliten Ihnen in den Arm fallen und Sie an weiteren so überraschenden Taten hindern werden!

 

Frau Stadträtin! Bei Ihrem Amtsantritt wurden Sie auch nach Vorbildern befragt, insbesondere, ob auch die ehemalige SPÖ-Kulturstadträtin Ursula Pasterk dazu gehört. - Das ist für mich insofern von Bedeutung, als Frau Pasterk die Auffassung vertrat, dass das Kulturressort ein Ideologieressort sei und daher auch parteipolitisch zu führen ist.

 

Glauben Sie mir: Wir kennen diese Idee der Kunst als Handlangerin der Politik! Diese hängt ganz stark - und Sie werden das kennen - mit Antonio Gramscis Vorstellung von der kulturellen Hegemonie zusammen, welche sozusagen die linke Variante der Leitkultur darstellt.

 

Sehr geehrte Frau Stadträtin! Ich erwarte mir von Ihnen einen aufgeschlosseneren, interessanteren, mutigeren Zugang zu dieser Frage, nämlich dass Sie das Kulturressort nicht als Ideologieressort führen werden, dass Sie keine Parteipolitik unter dem Deckmantel der Kunst und Kultur machen werden, dass Sie nicht nur Kunst und Kultur fördern werden, die der rot-grünen Stadtregierung gefällt, und dass Sie die Kulturförderungen nicht an undurchsichtige Vereinskonstruktionen, bestehend aus einem Netzwerk aus Freunden, hängen werden! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Kurzum, Frau Stadträtin: Wir erwarten uns, dass unter Ihrer Ressortleitung die Kunst nicht zu einem Herrschaftsinstrument der Politik verkommt.

 

Aber damit nicht genug: Ich erwarte mir auch ein klares Bekenntnis von Ihnen, dass sich Kunst in dieser Stadt frei entwickeln kann und dass Künstler ihre Kreativität nicht aus Angst, sie gingen sonst ihrer Subventionen verlustig, in den Dienst einer rot-grünen Gefälligkeitskunst stellen müssen Außerdem erwarte ich mir auch ein ganz klares Bekenntnis dazu, dass nicht nur die Kunst gefördert wird und freie Entfaltungsmöglichkeiten bekommt, die eine Frontalkritik gegen die derzeitige Bundesregierung und gleichzeitig eine Frontalanbiederung an die rot-grüne Stadtregierung darstellt.

 

Wenn Sie schon nicht ohne Anbiederungskünstler auskommen können oder dürfen, dann sei das so! Aber lassen Sie bitte auch eine Kunst zu, die mit Ihnen und mit Ihrer Politik genauso hart ins Gericht geht wie jene Kunst, die Sie gerade deshalb fördern, um Ihrem politischen Gegner zuzusetzen! Trauen Sie sich nicht nur, eine neue Programmierung der Kunstförderung vorzunehmen, sondern trauen Sie sich auch, eine Entpolitisierung der Kunstförderung in Angriff zu nehmen! Es wäre nämlich viel besser, nicht die Weltanschauung eines Künstlers oder eine Kulturinstitution zum Hauptkriterium der finanziellen Förderung zu machen, sondern allein das künstlerische Potenzial. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Kunst soll sich entfalten können. Kunst soll frei sein. Dazu gehört auch, dass Kunst Partei ergreift und politisch ist, aber nicht so wie in Nordkorea! Demokratisieren Sie Kunst, anstatt sie via Investitionstopf zu monopolisieren!

 

Bitte vergessen wir außerdem auch nicht, dass die subventionierte Kunst nicht vom Markt finanziert wird,

 

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