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Gemeinderat, 39. Sitzung vom 27.06.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 21 von 85

 

die gesamte andere Bevölkerung vor Folgekosten, Folgeerscheinungen, wie man das eben hat, bei Alleinerzieherinnen und Alleinerziehern mit Kindern.

 

Ich weise auch darauf hin, dass anscheinend bei den heutigen Regierungsparteien auf Bundesebene ihre Denkmodelle so vorhanden sind, weil Sie es sich nicht vorstellen können, wenn Menschen, die legal in dieser Stadt leben, die natürlich auch Staatsbürgerschaft haben, kein Einkommen beziehen - zumindest kein Einkommen, das zum Leben reicht. Und da sollten Sie sich selbst an der Nase nehmen, nämlich mit Ihren Partnern, und Sie haben ja in der Industrie und der Wirtschaft genügend Ansprechpartner, um mit diesen zu reden, dass die kollektivvertraglichen Mindestlöhne zumindest das Grundbedürfnis der arbeitenden Menschen in Wien und in Österreich befriedigen können, und das ist vielfach nicht der Fall. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Meine geschätzten Damen und Herren, oder geht es Ihnen in Wahrheit darum, bei diesem Thema die Menschen zu spalten, geht es darum, die ganz Armen auszuspielen gegen die, die noch nicht so arm sind oder aber auch manche Menschen, die auch schlicht und einfach Abstiegsängste haben? Geht es insbesondere darum, den Menschen in dieser Republik und in dieser Stadt, in der es auch großen Reichtum gibt, einfach nicht die nötigen Voraussetzungen zu liefern, um ein Leben in Würde führen zu können?

 

Bei Ihren Beispielen, die Sie da in der Vergangenheit alle schon vorexerziert und angekündigt haben, hat ja die Österreichische Volkspartei in einem Bundesland schon Schiffbruch erlitten, nämlich das vielgepriesene Niederösterreich mit der neuen Bedarfsorientierten Mindestsicherung hat bereits eine Rechnung des Obersten Gerichtshofes bekommen. Nur steht in den Bestimmungen und in dieser Mitteilung: daher wurden diese Bestimmungen gemäß § 11a und 11b des Niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetzes als verfassungswidrig aufgehoben. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes verfehlen diese grundsätzlich den Zweck der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, nämlich die Vermeidung und Bekämpfung von sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen. Die Bedürftigkeit ist im Einzelfall sachlich zu bewerten, nicht pauschal per Gesetz, um unsachgemäße Härtefälle zu vermeiden.

 

Dem kann ich mich nur vollinhaltlich anschließen und die Wiener Landesregierung und die Mehrheit dieses Hauses sehen das auch so, haben immer und werden auch künftig in diese Richtung arbeiten, um solche Härtefälle zu verhindern. Dass wir mit dieser Auffassung nicht alleine dastehen, beweisen aber auch diesbezüglich manche Aussagen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die einzelnen Parteien dieses Hauses ja gar nicht so fremd sein dürften und auch nicht fremd stehen. Wenn ich mir etwa einzelne Zitate und Aussagen von Herrn Erzbischof Kardinal Schönborn diesbezüglich durch den Kopf gehen lasse, der etwa in einer seiner Vorlesungen vor der Kirchengemeinde sagte: „Neid sollte eigentlich in unserer Wohlstandsgesellschaft ein Fremdwort sein.“, dann weiß man nicht, ob dieser Aspekt der christlichen Glaubens- und Soziallehre sich bis zu Ihnen durchgesprochen hat. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Ich habe Ihnen das wiederholt erklärt und gesagt, ich möchte natürlich nicht, dass jetzt der ÖVP-Vertreter herauskommt und dann wieder einen Art Diskussionsprozess einbringt. Ich darf Ihnen aber sagen, der Kardinal Schönborn ist ja da nicht der einzige Kirchenvertreter. Jetzt kann es natürlich wieder einen Aufstand von Ihrer Seite geben, ähnliche Worte in noch deutlicherer Form findet der Präsident der Caritas, der Kollege Landau, in der Beurteilung Ihrer geplanten und getroffenen Maßnahmen. (GR Dr. Wolfgang Aigner: Das ist ja unser besonderer Freund!)

 

Geschätzte Damen und Herren, was bedeuten insgesamt Ihre Vorstellungen - die ja noch nicht per Gesetz gekommen sind, aber ich nehme an, sie werden kommen - von der Verschlechterung der Mindestsicherung? Die bisher bekannten Vorschläge würden unser soziales Netz stark durchlöchern und viele Menschen in bittere Armut stürzen. Die negativen Auswirkungen würden fast alle BezieherInnengruppen der Mindestsicherung verspüren, besonders aber Familien mit Kindern. Aber auch Pensionisten und Menschen mit Behinderung werden starke finanzielle Einbußen verkraften müssen. Die Kinderarmut würde in Wien und in Österreich ansteigen - das sagen nicht wir, das sagen Fachexperten, die davon ausgehen, dass die insgesamte Zahl in etwa 60.000 Personen umfasst, die direkt betroffen sind, mit einer Schätzung auch dieser Experten gehen sie von einer indirekten Betroffenheit von 120.000 Personen, von mehr als doppelt so vielen aus.

 

Ich darf Ihnen auch die aktuellen Zahlen sagen.

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik (unterbrechend): Herr Kollege, ich darf Sie darauf hinweisen, dass die Redezeit bereits abgelaufen ist und bitte um den Schlusssatz.

 

GR Kurt Wagner (fortsetzend): Ich habe da noch fünf Minuten stehen.

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik (unterbrechend): Die habe ich schon für den Nächsten eingeschalten.

 

GR Kurt Wagner (fortsetzend): Danke, Herr Vorsitzender. Ich darf Sie nur ersuchen, uns bei unseren Bestrebungen zur Vorgangsweise weiter zu unterstützen. Wir sind für die Armen in dieser Gesellschaft da. - Danke. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Für weitere Wortmeldungen bringe ich in Erinnerung, dass sich die Damen und Herren des Gemeinderates nur ein Mal zu Wort melden dürfen und ihre Redezeit mit fünf Minuten begrenzt ist. Als nächste Rednerin schon herausgestürmt ist Frau GRin Mag. Emmerling. Ich erteile Ihnen das Wort.

 

10.46.06

GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc (NEOS)|: Herr Vorsitzender! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie!

 

Ja, Sie haben schon viel gesagt, und ich weiß, gestern in der Pressekonferenz wurden auch Zahlen dazu präsentiert, wie sich der neue Vorschlag der Mindestsicherung auf die Wiener Gesellschaft auswirken wird:

 

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