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Gemeinderat, 42. Sitzung vom 27.09.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 66 von 92

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Ich eröffne die Debatte. Zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Huemer. Ich erteile ihr das Wort.

 

16.06.22

GRin Mag. Barbara Huemer (GRÜNE)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Berichterstatter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

 

Ja, ich spreche kurz zum Oma-Dienst, um dann mit einer der zentralen und wichtigen sozialen Bewegungen, die am Montag, am 1. Oktober mit der Eintragungswoche starten wird, nämlich dem Frauenvolksbegehren fortzusetzen. Und ich denke, Oma-Dienst, Wut-Omas, das findet dort dann auch einen guten Zusammenschluss.

 

Kurz zum Oma-Dienst: Es geht um eine einmalige Förderung für die Tätigkeit von Leihomas, die auch qualifiziert und ausgebildet werden und im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützend wirken. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist natürlich ein riesen, riesen Thema. In Wien gibt es natürlich eine ausgezeichnete und flächendeckende Kinderbetreuung, eine institutionelle Kinderbetreuung, aber auch hier - das müssen wir einfach auch ehrlich sagen - funktioniert das nicht immer ganz beziehungsweise gibt es auch Randzeiten, wo es einfach ganz hilfreich ist, jemand Dritten zur Seite zu haben. Und das ist am besten nicht einfach irgendjemand Fremder, sondern in einer kontinuierlichen Beziehung. Deshalb unterstützen wir dieses Projekt.

 

Lassen sie mich zu der eingangs erwähnten großen und wichtigen sozialen Frage kommen, die am Montag, am 1. Oktober mit der Eintragung als Volksbegehren startet, das Frauenvolksbegehren, das Frauenvolksbegehren 2.0. Es hat bereits fast eine Viertelmillion UnterstützerInnen gefunden. Und nun geht es darum, in der Eintragungswoche diese Zahl natürlich zu erhöhen beziehungsweise das Thema, um das es wirklich geht, um die Gleichstellung von Frauen und Männern in diesem Land voranzutreiben.

 

Ich möchte Ihnen ein Zitat von Marielouise Janssen-Jurreit aus der Broschüre „Frauenwahlrecht“ von Petra Unger vorlesen, die das aufgegriffen hat. Dieses Zitat lautet: „Jede Frauengeneration, die gewonnene Rechte nicht verteidigt hat und neue nicht erobern wollte, hat schon ein Stück von ihnen verloren.“

 

Dieses Frauenvolksbegehren 2.0 wurde von einer Gruppe junger Frauen, junger Feministinnen, aber auch Feministen ins Leben gerufen, weil nach dem ersten Frauenvolksbegehren - Sie erinnern sich vielleicht, 1997, 650.000 UnterstützerInnen haben es unterzeichnet - von den 11 Forderungen gerade eigentlich nur 2 als erfüllt betrachtet werden können. Das ist eine beschämende Bilanz. Beschämend auch deswegen, denn die Gleichstellung von Frauen und Männern ist in Österreich im Verfassungsrang. Wir sind dazu als Land, in den Kommunen dazu verpflichtet, alles dafür zu tun, um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu erzielen. Und dennoch sind wir in vielen Bereichen noch weit entfernt.

 

Heuer im Gedenkjahr mit den vielen Achtern möchte ich kurz an 1848 erinnern, als die ersten bewegten Frauen und Gruppen angefangen haben, dieses Versprechen der Französischen Revolution einzufordern, nämlich Freiheit, Gleichheit und nicht nur Brüderlichkeit, sondern Geschwisterlichkeit, Schwesterlichkeit. 1918 wurde eine der damaligen zentralen Forderungen, nämlich das Frauenstimmrecht erstverwirklicht. Das ist 70 Jahre später, eine ungeheuer lange Zeit. Von der Forderung nach verbesserten Arbeitsbedingungen, nach gleichem Lohn, nach gleichem Zugang zu Bildung wurden einige auch im Laufe der Zeit verwirklicht, aber viele Forderungen sind es bis zum heutigen Tage nicht. Mit dem Einzug der ersten Parlamentarierinnen mit kleinem „i“ - acht waren es an der Zahl - gab es bereits den Kampf um die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, gab es den Kampf um ein besseres Eherecht, gab es den Kampf um gleiche Arbeitsbedingungen und gleichen Lohn.

 

Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Mein großes Beispiel, Adelheid Popp, hat 1925 im damaligen Parlament einen Antrag zur Reform des Eherechts eingebracht. Damals konnte man sich gar nicht scheiden lassen, der Mann war das Oberhaupt, und so weiter. Und erst in den 70er Jahren wurde mit der Familienrechtsreform dieses lange Ansuchen der Frauen umgesetzt. Überhaupt waren die 70er Jahre ein großes Reformjahrzent für die Frauen, für die Gleichstellung, aber auch da muss man sagen, war noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Die Vergewaltigung in der Ehe gab es auch damals noch, das wurde erst Ende der 80er Jahre abgeschafft.

 

Es gibt also noch sehr viel zu tun, sehr geehrte Damen und Herren, was die Gleichstellung von Frauen und Männern betrifft, und diese junge Generation an Frauen hat sich nun ein Herz genommen und versucht, das Thema der Gleichstellung wieder zu einer Priorität zu machen, zu einer Priorität zu machen, die sie derzeit in der Bundesregierung nicht wahrnimmt. Und es ist in der Tat, meine Damen und Herren, aus meiner Sicht äußerst beschämend, dass sich kein weibliches Mitglied der Bundesregierung als Verbündete für das Frauenvolksbegehren dargeboten hat. Nein, im Gegenteil, sie haben alle gesagt, wir unterzeichnen das nicht. Und mit welcher Begründung? Die Forderungen, heißt es, seien überzogen.

 

Ich frage Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann die Hälfte von Wahllisten, kann die Hälfte von Führungspositionen, kann gleicher Lohn überzogen sein? Es ist, glaube ich, einfach das ganz Normale. Wenn 50 Prozent - und die Frauen sind mehr in diesem Land, mindestens die Hälfte - fordern, überzogen wäre, würden wir sagen, 30 Prozent der Männer dürfen nur die Plätze haben. Aber um das umgekehrt zu formulieren, derzeit ist die Überzogenheit der Forderung im bestehenden System, das hier in vielerlei Hinsicht Männer strukturell, kulturell bevorzugt.

 

Das Frauenvolksbegehren will also wachrütteln und die Anliegen für Gleichstellung, für Gleichberechtigung auf die oberste Agenda heben. Und das ist wichtig, das ist wichtig, sehr geehrte Damen und Herren. Die Frauen verdienen das, die Demokratie verdient das, dass wir Geschlechtergerechtigkeit wieder auf die Agenda ganz oben hinschreiben.

 

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