Gemeinderat, 44. Sitzung vom 26.11.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 57 von 104
Es gab auch heuer eine sogenannte internationale Taskforce, die sich dem Thema widmete, leider ohne Beteiligung des Europaparlaments und ausschließlich aus Männern bestehend, womit klar ist, dass die Position von Frauen darin kaum vertreten ist, dass Frauen da nicht zu Wort kommen. Es wurden einige Empfehlungen ausgearbeitet, die dann teilweise von der EU-Kommission aufgegriffen wurden. Doch leider ist es so, dass die Subsidiarität in der Praxis oft dazu herhalten muss, auch sehr vernünftige Vorschläge und Maßnahmen abzulehnen und dabei die lokalen Interessen vorzuschieben. In vielen Ländern wird bei dem Argument gegen Umweltschutzstandards mobilisiert, mehr Transparenz wird abgelehnt. Ein gutes Beispiel ist die sogenannte Gelbe Karte, die der Kommission gezeigt wird, wenn genügend Staaten den Vorschlag eines EU-Rechtsaktes als unvereinbar mit dem Subsidiaritätsprinzip erklären.
Im Jahr 2013 war das bei dem Versuch der Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft zum besseren Schutz vor kriminellen Schädigungen der finanziellen Interessen der Union der Fall. Dass dabei Staaten wie Ungarn und Rumänien bei den lautstarken Verfechtern der Subsidiarität zu finden waren, war wohl auch dadurch bedingt, dass man sich bei der Verwendung der milliardenschweren EU-Förderungen nicht zu sehr in die Karten schauen lassen wollte (Ruf bei der FPÖ: Hört, hört!) und andererseits der Bevölkerung Stärke gegenüber der EU signalisieren und Anti-EU-Haltung befeuern wollte. Inzwischen gibt es einen europäischen Staatsanwalt, im Vorjahr wurde er auf Schiene gebracht. Zu den sieben EU-Staaten, die nicht mitmachen, gehören Ungarn und Polen. In Ungarn gab es aber in der Zwischenzeit eine breite Massenbewegung, die den Beitritt ihres Landes zu dieser Staatsanwaltschaft fordert, für den tausende Menschen auf die Straßen gehen und bereits mehrere Hunderttausend Unterschriften gesammelt wurden. Dass die rechte Regierungspartei Fidesz, übrigens eine Schwesterpartei der ÖVP, damit keine Freude hat, ist naheliegend.
Ein Beispiel für mangelnde europäische Solidarität führt leider gerade unsere Bundesregierung vor. Sie hat beschlossen, die Indexierung, die Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder durchzuziehen. Bezeichnenderweise trifft diese Indexierung nicht die Kinder wohlhabender österreichischer Diplomaten, für die gibt es eine Ausnahme, sondern vorwiegend jene von tausenden in Österreich für uns zuständig und arbeitenden 24-Stunden-Betreuerinnen, Slowakinnen, Ungarinnen und Rumäninnen. Ohne ihren Einsatz unter mehr als fragwürdigen Arbeitsbedingungen, über die ganz großzügig hinweggesehen wird, würde unser Gesundheits- und Sozialsystem zusammenbrechen und zahlreiche österreichische Angehörige pflegebedürftiger Personen würden nicht wissen, wie sie ohne diese Form der Betreuung über die Runden kommen. Die Familienbeihilfe ist kein Geschenk an die 24-Stunden-Betreuerinnen, sie steht ihnen per Gesetz zu, und zwar in der vollen Höhe, und zeigt, wie versucht wird, bestehendes Recht einfach in ungerechte Taten umzuwandeln.
Dass Kurz und Strache ihre unsozialen und menschenfeindlichen Vorhaben ausgerechnet im Halbjahr der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft durchzuziehen versuchen, wirft kein gutes Licht. Wir werden zunehmend als ein Land gesehen, das europäische Werte mit Füßen tritt, damit einige Politikerinnen und Politiker sich innenpolitisch als Hardliner profilieren können. Auch Versuche von EU-Gegnern, einem möglichen Öxit das Wort zu reden, das ist politisches Kleingeld, das einen bitteren Preis haben würde. Wenn sie noch zum Schutz der Menschen etwas tun wollen in diesem Land, dann achten Sie sehr genau darauf, dass die sozialen Säulen nicht durch Liberalisierungen der sozialen Dienstleistungen unterminiert werden. Solidarität heißt immer auch, dafür einzutreten, dass wichtige Standards nicht zu Gunsten wirtschaftlicher Gewinnmaximierung nach unten nivelliert werden, wobei diese Nivellierung dann jene trifft, die sich keine Leistungen zukaufen können. Daseinsvorsorge ist kein Schlagwort, sondern eine Versicherung, um Menschen vor Not und Armutsgefährdung zu schützen. Unser Credo ist uns bleibt auch hier im Wiener Landtag und Gemeinderat: Wir verlangen den Schutz vor alten Nationalisten und neuen Rechten in diesem Land. Danke. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Als Nächster ist Herr GR Florianschütz zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. - Bitte.
GR Peter Florianschütz (SPÖ): Einen schönen guten Tag, Herr Vorsitzender! Herr Stadtrat, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Zuschauer! (GR Mag. Wolfgang Jung: Sind nicht alle Zuhörer vertrieben?) - Nein, Herr Jung, es sind nicht alle Zuhörer vertrieben, und ich hoffe, es sind im Livestream noch mehr dabei, und auch wenn nur ein Zuhörer da ist, verdient er doch unsere Begrüßung aus vollem Herzen. - Danke, dass Sie hier sind!
Wir kommen jetzt wirklich zur Europadebatte, das ist erfreulich. Ich darf Ihnen demzufolge berichten, dass die Wiener Stadtaußenpolitik nicht schlecht aufgestellt ist. Herr Stadtrat, vielen lieben Dank für die Bemühungen, nämlich einerseits Ihnen selber, zweitens Ihrer Vorgängerin! Die Stadt Wien hat nämlich einen guten Ruf in Europa, insbesondere in Brüssel, Sitz der Behörden der Europäischen Union, weil wir einen aktiven und positiven Anteil an den dortigen Geschehnissen haben. In diesem Zusammenhang bin ich mir nicht zu schade, ganz im Gegenteil, ich freue mich sehr, mich ausnahmsweise dem Dank des Kollegen Jung anzuschließen, nämlich für die positiven Veränderungen in der Ausschussarbeit. Was gut ist, soll man so nennen, und wenn wir in diesem Fall einer Meinung sind, ist das ja eine gute Geschichte und spiegelt ein bisschen die Tradition des Ausschusses für europäische und internationale Angelegenheiten wider.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen sagen, entgegen heute schon diskutierten Vorfällen respektive dem üblichen Klima haben wir in diesem Ausschuss ein hervorragendes Verhältnis zueinander. Ich bedanke mich bei allen, wirklich allen Mitgliedern des Ausschusses für
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