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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 26.11.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 59 von 104

 

GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE)|: Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Da wäre es jetzt fast verlockend, die Europadebatte weiterzuführen, insbesondere ... (GR Mag. Wolfgang Jung: Ich habe sie ja angeschlossen, sonst hättet ihr nichts gesagt!) - Sie wissen ganz genau, Sie haben anhand der RednerInnenliste schon erkannt, dass eine Europadebatte auch heute bei diesem Punkt stattfinden wird. Da müssen Sie jetzt nicht Fake News erzählen. Ich sage deshalb ganz bewusst Fake News, weil ich gerade auf „orf.at“ einen interessanten Beitrag gelesen habe: „Mehr als die Hälfte der EU-Bürger befürchtet Wahlmanipulation, Cyberattacken, Desinformation, et cetera für die nächsten Europawahlen.“ So weit sind wir gekommen mit einer Politik in einer Gesellschaft, wo in Wirklichkeit ein jeder irgendwas erzählt und es schwer möglich ist, das Richtige vom Falschen zu unterscheiden. Dies auch deshalb, weil - und das sage ich jetzt ganz bewusst - neben den Parteien auch eine Vielzahl an Medien komplett versagen hinsichtlich der Art und Weise ihrer Berichterstattung. Man erkennt das ganz explizit bei den Zeitungen am rechtsextremen Rand. Da wird oft nicht mehr eine reale Darstellung der Welt, der Situation, der Realität wiedergeben, sondern da wird ein einziges Ziel verfolgt, nämlich die Realität zu verändern. Da müssen wir alle miteinander aufpassen. Da ist meines Erachtens ein hohes Maß an Vorsicht geboten, auch bei den Europawahlen. Das liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung, in der Verantwortung aller Parteien.

 

Ich komme jetzt aber trotzdem zurück zur Spezialdebatte und erlaube mir eine kurze Anmerkung. Wie ist es mit den Schulden? Auf Bundesebene wird immer wieder gesagt, jetzt steigen die Steuereinnahmen. Ja, Gott sei Dank, auf der einen Seite steigen die Steuereinnahmen. Und, Kollege Wölbitsch, es freut mich, dass Sie jetzt da sind, denn so kann ich es Ihnen sagen: Es ist nicht so, dass der Bund den Ländern und Gemeinden eine Subvention gibt. (Zwischenruf von StR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM.) - Doch Sie haben wortwörtlich gesagt, der Bund subventioniert die Gemeinde. Das österreichische Finanzsystem, die österreichische Finanzverfassung ist darauf aufgebaut, dass de facto mit wenigen Ausnahmen alle Steuern, die eingehoben werden, zunächst an den Bund fließen und dann im Rahmen des Finanzausgleiches diese Steuern und Abgaben an die Länder und Gemeinden verteilt werden. In diesem Sinne kann man meines Erachtens nicht von Subvention sprechen, das wäre falsch. Man kann auch nicht davon sprechen, dass die einen gut und die anderen besser seien. Wenn der Großteil aller Steuereinnahmen zunächst an den Bund fließt, ist das einfach so, weil wir uns das alle gemeinsam - oder nicht wir, sondern in Wirklichkeit unsere Vorväter und Vormütter - so ausgemacht haben. Es ist aber nicht so, dass die einen einnehmen und die anderen ausgeben.

 

Deshalb gibt es in der Finanzverfassung die Regelung des Finanzausgleiches. Der hat über viele, viele Jahre mehr oder weniger gut funktioniert, bringt es allerdings jetzt dazu, dass es doch ein paar Verwerfungen gibt, die es Wien im Gegensatz zu anderen Körperschaften tatsächlich schwerer machen, ein Nulldefizit zu erreichen. Wo befinden sich diese Verwerfungen im Finanzausgleich? Eine kennen wir alle, die Frau Korosec lächelt schon - na, selbstverständlich im Gesundheits- und Pflegebereich. Ich sage es nicht zum ersten Mal von hier: Liebend gerne würde ich das gesamte AKH, so wie es ist, dem Bund schenken, und ich glaube, ähnlich geht es den Innsbruckern und auch allen anderen, die Universitätskrankenanstalten haben. Möge der Bund sie zur Gänze führen. Das wäre für uns um vieles leichter. Der Bund will diesen Bereich nicht übernehmen, obwohl er eigentlich zuständig ist für bundesweit tätige - und da haben wir ja nicht so viele - Universitätskrankenanstalten, für Universitäten ist auf jeden Fall der Bund zuständig. Der Bund will das AKH nicht übernehmen, denn wir wissen alle, welches Loch das AKH alleine in unser Gesundheitsbudget reißt.

 

Zur Frage der niedergelassenen Ärzte: Na, selbstverständlich müssen wir in Wien genau diesen Bereich, nämlich den niedergelassenen Bereich und den Spitalsbereich koordinieren. Nur liegt die Zuständigkeit für die niedergelassenen Ärzte nicht bei Wien. Wir können ihnen auch nichts anschaffen. Wir können ganz viel ... (GRin Ingrid Korosec: Finanzierung aus einer Hand!) Wie auch immer man es nennt, aber das, was wir in diesem Bereich machen können, ist lediglich, in Gesprächen mit den Gebietskrankenkassen und dem Bund zu versuchen, die bestmögliche Lösung zu finden. Da gibt es keine Lösung, die die Gemeinde Wien alleine erreichen kann, das wissen alle hier im Raum. Alle hier wissen auch, dass Wien, was die Gesundheitsvorsorge in Österreich betrifft, de facto der Brennpunkt ist, den es in Österreich gibt. Nicht ohne Grund endet der Einzugsbereich des Wiener Gesundheitswesens weder an der Stadtgrenze noch an den niederösterreichischen Grenzen, sondern ist in Wirklichkeit österreichweit. Für manche Operationen besitzt das AKH sogar europa-, ja, weltweit einen hervorragenden Ruf. Es ist wichtig, das zu wissen. Und dann kann man sich anschauen, was das Gesundheitssystem kostet und warum es das kostet.

 

Der nächste Bereich ist das Sozialsystem. Unser Sozialsystem, das habe ich am Anfang kurz aufgezeigt, ist dahin gehend aufgebaut, dass als letzte Stufe der sozialen Absicherung Länder und Gemeinden zuständig sind. Wenn es nun so ist, dass im Bereich der sozialen Absicherung durch Entscheidungen des Bundes, obwohl mehr Steuern eingenommen werden, es dazu führt, dass es trotzdem mehr Menschen gibt, die arm sind, dann haben die Kommunen, in manchen Fällen Länder und Kommunen, dafür aufzukommen. Deshalb wird nicht automatisch, wenn es mehr Steuergelder gibt, es für die Gemeinden besser. Ich verstehe, dass man aus Oppositionssicht immer versucht, die Regierung schlecht zu machen angesichts der Art und Weise, wie sie agiert. Die Problematik ist allerdings tatsächlich, dass es dann schwierig wird, sich inhaltlich auseinanderzusetzen.

 

Ich habe heute viele Reden gehört, insbesondere was die Finanzen der Stadt Wien betroffen haben, in denen vollkommen faktenbefreit argumentiert wurde. Sich dann damit auseinanderzusetzen, ist einfach

 

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