«  1  »

 

Gemeinderat, 48. Sitzung vom 27.02.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 100

 

Meeresspiegel ist es wurscht, ob er 100 m höher ist, den Menschen, die dort leben, kann das nicht egal sein. Insofern ist Klimapolitik etwas, das eine Weltzivilisation mit neun, bald zehn Milliarden Menschen friedlich, offen halten soll. Wenn die Temperaturen um drei oder vier Grad steigen, und vieles deutet darauf hin, dass bereits jetzt selbstbeschleunigende Prozesse stattfinden - ich mache jetzt keinen wissenschaftlichen Vortrag -, dann werden wir gefragt werden, weil wir nicht am Stammtisch sitzen, sondern verantwortlich dafür sind, Entscheidungen zumindest in dieser Stadt zu treffen: Was habt ihr gemacht? Habt ihr das alles gewusst? Und dann werden all die Artikel hervorgehoben, in denen das alles steht.

 

Ich kann jetzt nur an uns alle appellieren, das wirklich als eine zentrale Herausforderung zu nehmen, wie auf den Mond zu fliegen, oder als eine wirkliche Herausforderung, wie die Verkehrsfrage, oder bei der Stadtplanung die Frage, wie wir heizen. Und ja, Veränderungen sind mühsam, aber das halte ich für ein Riesenthema.

 

Es bleibt auch nicht beim Klima stehen: Ich weiß nicht, wer von Ihnen, ich glaube, eh alle, verfolgt, dass jetzt klar wird, was in den letzten 30 Jahren mit der Insektenpopulation passiert ist. Die geht steil hinunter. Eine brutale Geschichte ist das, ich sage das jetzt einfach so. Fährt man mit dem Auto, sieht man nach einer längeren Autobahnfahrt den Unterschied. Wie war das vor 30 Jahren? Da war die Windschutzscheibe voll, und das ist sie heute nicht mehr. Das ist sozusagen die unmittelbare Erfahrung. Aber es geht ja nicht nur um die Insekten und dass dann gesagt wird: Ein paar Gelsen gibt es weniger! Diese sind aber der Beginn der Nahrungskette, und die Leute, die mit Vögeln zu tun haben, wissen, dass die Vogelpopulation abnimmt. - Wir spielen da mit dem Feuer.

 

Ja, es hat schon fünf große Extinctions gegeben, ja, à la longue erholt sich die Natur wieder. Der Mensch ist auch nur entstanden, weil die Dinosaurier ausgestorben sind, da brauchen wir nur 20 Millionen Jahre zu warten. Das ist ein Riesenthema, und wenn wir friedlich mit einer offenen Gesellschaft weiterleben wollen, sollte das im Zentrum stehen. Man muss Schritte setzen, die zwar schwierig, aber nicht aus der Welt sind und sogar ein besseres Leben in einer gewissen Weise ermöglichen.

 

So, und jetzt will ich eine kritische Anmerkung machen. Ich habe mir überlegt, ich habe das noch nie öffentlich gemacht, und ich habe es im Sinne des vorher Gesagten insofern nicht öffentlich gemacht, als sich die Dinge in der Demokratie, wenn man öffentlich vom politischen Partner etwas groß verlangt, verhärten. Da verliert immer einer das Gesicht und dann kommt man nicht weiter. Oft ist es besser, man hält öffentlich die Pappn und versucht, einen Kompromiss zu schließen.

 

Ich möchte über Boulevardmedien und Inserate reden, das ist mir ein großes Anliegen. Wir haben viel erreicht, nach langen Gesprächen wurden die Inserate um ein Drittel reduziert. Und ich sage das jetzt wirklich in großer Wertschätzung Richtung Sozialdemokratie, in tiefer Wertschätzung für die großen Dinge, die die Sozialdemokratie 100 Jahre für Wien gemacht hat und jetzt noch macht: Das ist ja wirklich nur ein kleines Ding, aber ein kleines Ding, das Wien schlechter macht. Man möge mir verzeihen, das sage ich jetzt sozusagen abeundus, als Abtretender. Ich habe das nie verstanden, ich habe mit vielen von ihnen immer wieder diskutiert, es ist eh viel geglückt, aber wenn ich mir jeden Tag anschauen muss, was das System von Boulevardzeitungen auf der ganzen Welt ist - nicht in Wien, auf der ganzen Welt -, so werden einzelne Gruppen herausgegriffen, die vorgeführt werden. Da wird systematisch nicht Hoffnung gestiftet, sondern Angst gemacht. Da werden Menschen gegeneinander ausgespielt, da wird gehetzt.

 

Ich habe mir in der Vorbereitung den Medienblog „Kobuk.at“ genauer angeschaut und habe eine Mappe. Ich habe mir aber gesagt: Nein, in meiner letzten Rede lese ich das jetzt nicht alles vor. Ich habe mir nur ein einziges Ding rausgenommen, um es zu zeigen und es literarisch aufzulösen: Vor wenigen Jahren gab es einen tragischen Fall, eine Frau verliert ihren Sohn. Sie geht wenig später zu einem Krippenspiel in die Schule ihres Enkels und erleidet dort einen Nervenzusammenbruch. Und was macht die „Kronen Zeitung“ daraus? - „Polizei-Einsatz bei Krippenspiel“, „Tobende Türkin in Lutherschule“. Wie es ihr geht, kann man sich vorstellen. - Solche Dinge passieren jeden Tag als System dieser Zeitungen.

 

Schauen wir uns den britischen Boulevard an, der zehn Jahre lang die EU zu dem gemacht hat, was sie in den Köpfen vieler Leute ist. Ohne den britischen Boulevard wäre die Abstimmung anders ausgegangen, ist meine These.

 

So, Achtung! Eine offene Gesellschaft heißt Medienfreiheit: Jeder Unternehmer, jeder Verleger kann publizieren, was er oder sie will, aber die spannende Frage ist: Wie viel davon muss man mit Steuergeld unterstützen? Und da halte ich - das wissen Sie und das will ich jetzt noch als kleine Anmerkung gesagt haben -, ob es jetzt 6, 7, 8 oder 9 Millionen EUR sind, weiß ich nicht, irgendwo in der Rolle, das für zu viel, um in diese Boulevardmedien gesteckt zu werden. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass es viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten genauso sehen. Wünschen darf man sich etwas, was dann die Politik daraus macht, ist hier zu entscheiden.

 

Das wäre die wichtigste kulturpolitische Maßnahme, die keinen Euro kostet, sondern 8 Millionen EUR bringt, nämlich einfach dort nicht mehr zu inserieren, indem man zum Beispiel sagt: maximal 500.000 EUR für jeden Konzern, es ist wurscht, das ist Tagespolitik. Wenn man es will, ist das möglich. Bisher saß man einem Irrtum auf, zu glauben, wenn man inseriert, sind sie freundlich. Mir geht es gar nicht darum, wie sie über Politiker schreiben, wie sie über uns GRÜNE schreiben. Das ist nicht mein Punkt, sondern das, was das System ist, wenn junge Leute runtergehen, die Gratiszeitung nehmen und jeden Tag tröpferlweise: die Welt ist schlecht, fürchte dich, fürchte dich, Ausländer, Kopftuch, Messer ... - Das löst keine Probleme, das macht Wien nicht besser, das macht Wien schlechter.

 

Ich bitte mit großer Wertschätzung die Sozialdemokratie nicht um Entschuldigung, aber das ist mir ein An

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular