Gemeinderat, 59. Sitzung vom 19.11.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 55
und mit diesem Winterpaket erweitern wir das Regelangebot der Wohnungslosenhilfe. Das Regelangebot erweitern wir um Notschlafplätze, nämlich um insgesamt über 900 Notschlafplätze für Männer und Frauen und zusätzlich um 21 Plätze für Familien. Somit stehen im Winter im Rahmen der Aktion des Winterpakets insgesamt über 1.500 Notschlafplätze zur Verfügung. Diese 1.500 Notschlafplätze wie gesagt ohne Anspruch, ohne Prüfung letzten Endes, ob jemand einen tatsächlichen Anspruch auf eine Leistung nach dem Wiener Sozialhilfegesetz hat, weil wir für den Winter im Rahmen des Winterpakets einen anderen politischen Schwerpunkt setzen.
Das Winterpaket beschränkt sich aber nicht nur auf die Notschlafplätze vor allem in der Nacht, sondern es geht auch um die Frage, was tagsüber passiert, vor allem dann, wenn die Temperaturen unter den 0-Grad-Punkt fallen. Deswegen haben wir neben den ganzjährig bestehenden Tageszentren in der Wohnungslosenhilfe zusätzliche Wärmestuben, in denen man Kraft tanken kann, in denen man eine warme Mahlzeit bekommt, wo man sich duschen kann, sich pflegen oder soziale Kontakte pflegen kann. Dort können natürlich auch Gespräche mit Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen stattfinden, um weitere Hilfe in Anspruch nehmen zu können beziehungsweise weitere Hilfeschritte einleiten zu können. Wir haben in Wien rund 600 Plätze in solchen Tageszentren und diese werden in den Wintermonaten um 145 Plätze in den temporären Wärmestuben erweitert.
Wir haben uns aber auch mit der Frage beschäftigt - auch im Rahmen unserer Strategien zum Thema digitale Stadt -, wie wir die Kommunikation verbessern können. Unter Zuhilfenahme moderner Kommunikationsmechanismen stellen wir eine neue KälteApp, wie wir sie nennen, die Wiener KälteApp, kostenlos für die Wienerinnen und Wiener zur Verfügung. Mit dieser KälteApp ist es möglich, einfacher und rascher Hilfe für Obdachlose der Stadt anzufordern.
Für uns war die App letzten Endes ein logischer Schritt, denn viele junge Menschen verwenden lieber WhatsApp oder schicken eine Sprachnachricht, als einfach zum Telefonhörer zu greifen. Mit dieser KälteApp ist es möglich, in nur drei Schritten eine Meldung abzuschicken. In weiterer Folge geht diese Meldung sofort bei den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern von Obdach Wien ein und wird bearbeitet. Die Orte, die hier gemeldet werden, die auch anhand einer digitalen Karte vermerkt sind, werden dann so rasch wie möglich aufgesucht, um die Menschen zu motivieren, aber auch zu informieren, wo es in Wien im Rahmen des Winterpakets Einrichtungen zur Hilfe und zur Unterstützung gibt.
Innerhalb von nicht einmal 3 Wochen ist diese KälteApp bereits über 2.800 Mal heruntergeladen worden, und was noch toller ist, ist, dass die App nicht nur heruntergeladen wird, sondern auch benutzt wird. Wir bekommen im Augenblick am Tag im Schnitt zehn Meldungen, und die Qualität dieser Meldungen ist phantastisch, weil wir eben auch mit einer Stadtkarte vernetzt haben. Daher ist auch die Ortsangabe, wo ein Obdachloser gesehen oder eine Obdachlose gesehen und gefunden wurde, so präzise, dass wir sofort dort hinfahren können und den Meldungen wirklich hochqualitativ nachkommen können. - Danke schön.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 1. Zusatzfrage kommt von NEOS. - Frau GRin Mag. Emmerling, bitte.
GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc (NEOS): Guten Morgen, Herr Stadtrat! Vielen Dank für die Beantwortung. Ein bisschen in eine andere Richtung: Obdachlose sind ja auch häufig von Gewalt betroffen, wenn sie auf der Straße sind, besonders Frauen im Bereich der sexualisierten Gewalt. Gibt es dahin gehend Projekte beziehungsweise spezielle Angebote für jene Frauen? Ist da etwas geplant?
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Herr Stadtrat, bitte.
Amtsf. StR Peter Hacker: Sie haben vollkommen recht, das ist eines der tragischen, auch der versteckten Kapitel in der Wohnungslosenhilfe. Daher sind in allen Einrichtungen, in denen wir Sozialarbeiter haben - und das sind faktisch alle, bis auf ganz wenige Nachtquartiere -, die Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen gerade auf das Thema Gewalt, Missbrauch, Unterdrückung sehr stark fokussiert, gerade im Bereich der Frauen und Mädchen, aber auch der Kinder in Wirklichkeit - es ist immer wieder ein Thema, bei dem wir intervenieren müssen. Das ist auch der Grund, warum wir in der Wohnungslosenhilfe vor einigen Jahren in der Startphase - eigentlich mit Neugierde, ob es funktionieren wird - eine eigene Anlaufstelle für obdachlose Frauen geschaffen haben. Denn das Thema, dass obdachlose Frauen viel seltener in Einrichtungen gehen als Männer, zieht sich seit vielen Jahren durch die Obdachlosenpolitik nicht nur in Wien, sondern in ganz Europa. Ich bin sehr stolz darauf, dass es den Mitarbeitern gelungen ist, sich bei obdachlosen Frauen einen tollen Stellenwert und auch einen Ruf erworben zu haben, dass wir in der Zwischenzeit planen können, diese Einrichtung zu erweitern und größer zu machen und auch ortsmäßig zu verlagern.
Dort ist natürlich das Thema Missbrauch und Gewalt ein ganz zentrales. Das ist auch der Grund, warum wir quer durch die Wohnungslosenhilfe Liaisondienste mit dem Psychosozialen Dienst eingerichtet haben, weil natürlich auch die Erzählung der Kundinnen und Kunden über die Gewalterfahrung, die sie gemacht haben, auch die Mitarbeiter manchmal an die Grenzen bringt. Daher ist es wichtig, dass der Psychosoziale Dienst sich nicht nur um die Kundinnen und Kunden selbst kümmert, wenn es psychiatrische Erkrankungen oder Verstörungen gibt, sondern auch immer sehr stark mithelfen muss, die Teams stabil zu halten, die Teams in ihrer Struktur, in ihrer Festigkeit, auch in ihrer Belastbarkeit zu unterstützen. Diese Kombinationen, einerseits hohe Sensibilität auf dieses Thema, und auf der anderen Seite, wenn es notwendig ist, professionelle Unterstützung, das ist unsere Strategie.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die 2. Zusatzfrage kommt von der ÖVP. - Frau GRin Korosec, bitte.
GRin Ingrid Korosec (ÖVP): Guten Morgen, Herr Stadtrat!
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