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Gemeinderat, 60. Sitzung vom 25.11.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 4 von 100

 

gelegt hatte und nur 40 Minuten von der Grenze Wiens entfernt war.

 

Der Fall dieser Barriere, die vormals enge Nachbarn voneinander trennte, trat einen Dominoeffekt los, an dessen Ende eine radikale Neuordnung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung stand. Der sogenannte Ostblock zerfiel, und Europa wuchs noch enger zusammen. Über Jahrzehnte stand Wien am Rande eines geteilten Kontinents. In den 80er Jahren erlebten wir den niedrigsten Bevölkerungsstand im 20. Jahrhundert. Wien hatte nur mehr 1,4 Millionen Einwohner und war mit Abstand das älteste Bundesland Österreichs, mit einem Medianalter von 42 sogar eine der ältesten Städte der Welt. Doch dann vor 30 Jahren stand Wien plötzlich nicht mehr am Rande eines geteilten Kontinents, sondern fand sich in seiner Mitte wieder. Es war eine Trendwende für diese Stadt. Der abrupte geopolitische Umschwung in Europa und das mutige und entschlossene Handeln zu jener Zeit der für unsere Stadt Verantwortlichen brachte Wien zum Erblühen. Das älteste Bundesland ist das jüngste geworden. Anekdoten vom Hochklappen von Gehsteigen am Abend sorgen heute für Kopfschütteln und Schmunzeln. Junge Menschen aus ganz Österreich und Europa wollen zu uns kommen, um zu lernen, zu arbeiten, um ihr Glück in unserer Stadt zu versuchen. Heute ist unsere Stadt mit 1,9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern die sechsgrößte der Europäischen Union und dabei seit 5 Jahren die am stärksten wachsende Metropole und das im Durchschnittsalter jüngste von allen Bundesländern. Im kommenden Jahr feiern wir 25 Jahre Mitgliedschaft in der Europäischen Union, eine Entwicklung, die unsere Stadt entscheidend geprägt hat und unglaubliche Chancen ermöglicht hat. Wir haben diese Chancen genutzt als Brückenkopf zwischen Ost und West und als Orientierungspunkt für die Menschen aus der gesamten Region. Wir sind uns auch unserer internationalen Verpflichtungen bewusst, indem wir intensiven Wissensaustausch pflegen, aber auch die Entwicklungszusammenarbeit vertiefen. Wien, und das wissen wir alle, gehört zu den wohlhabendsten Regionen Europas. Mit rund 200.000 Studierenden ist Wien die größte Universitätsstadt im deutschsprachigen Raum geworden. Über 200 internationale Firmen haben ihr Headquarter in Wien aufgeschlagen. Noch wichtiger: 5,4 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind in den Zukunftsfeldern Forschung und Entwicklung beschäftigt. Das ist Platz 3 von allen 276 EU-Regionen. Die Verflechtung mit Europa wird Wien auf Grund seiner Wirtschaftsstruktur auch in der nächsten Zeit, wenn die globale Konjunktur nachgelassen hat, wesentlich robuster machen als die exportorientierten Bundesländer.

 

Das wirtschaftliche Umfeld und der Arbeitsmarkt, denn auch an Wien geht die globale Abschwächung der Konjunktur nicht spurlos vorüber: Das Wirtschaftswachstum im letzten Jahr, und wir können uns gut erinnern, hat mit 2,5 Prozent einen besonders hohen Wert gehabt. Heuer sind es noch rund 1,7 Prozent, und die Prognosen für das Jahr 2020 liegen bei rund 1,4 Prozent. Dennoch, sage ich, ist die Wiener Wirtschaft für die kommenden Jahre sehr gut aufgestellt. Die Zahlen zeigen, dass unser Wirtschaftsstandort international wahrgenommen wird. Ich habe bereits die über 200 internationalen Headquarter erwähnt, die wir in Wien haben. Darüber hinaus haben wir im letzten Jahr aber auch über 220 internationale Gesellschaften in Wien neu begrüßen dürfen. Das ist ein Ansiedlungsrekord, und die vorläufigen Zahlen im November, von Jänner bis November, sagen uns auch, dass wir 2019 einen ähnlich guten Rekord zu erwarten haben. Die positive Entwicklung der Wiener Wirtschaft zeigt sich auch am Arbeitsmarkt. Ich habe mir zu meinem Amtsantritt als Stadtrat vor eineinhalb Jahren ein klares Ziel gesetzt: 50.000 neue Jobs in Wien bis Ende 2020. 2018 hatten wir das beste Jahr der letzten 27 Jahre. Und es ist gelungen, fast 20.000 zusätzliche Jobs in diesem Jahr neu zu generieren. Auch in diesem Jahr ging die Arbeitslosigkeit weiter konstant nach unten, über 30 Monate Monat für Monat mit einer Ausnahme. Das sind die Arbeitssuchenden über 50 Jahre. Nach der Abschaffung der Aktion 20.000 durch die letzte Bundesregierung stieg die Arbeitslosigkeit bei den Älteren wieder an, ausgerechnet bei einer Gruppe, die durch ihren jahrzehntelangen persönlichen Einsatz dieses Land zu dem gemacht hat, was es ist und worauf wir heute stolz sind. Für uns in Wien war klar, dass wir diese Menschen nicht im Stich lassen. Bgm Michael Ludwig und ich haben daher die Joboffensive 50plus ins Leben gerufen, die in den letzten Wochen angelaufen und auf große Resonanz gestoßen ist. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Es freut mich ganz besonders, dass wir schon deutlich über 200 Menschen in Jobs vermitteln konnten, die von der Stadt und dem AMS gefördert werden, direkt bei der Stadtverwaltung, bei den städtischen Unternehmen, bei gemeinnützigen Organisationen, aber auch im privaten Sektor. Zwei der Menschen, die durch die Joboffensive Beschäftigung gefunden haben, konnte ich kürzlich in meinem Büro treffen, Frau Müllner und Herr Gedek. Beide hatten eine jahrzehntelange Berufslaufbahn in verschiedensten Branchen hinter sich, als sie plötzlich arbeitslos wurden. Sie haben durch diese Joboffensive eine neue Chance erhalten, und ich kann Ihnen sagen, die Motivation und die Freude, mit der sie ihre neuen Aufgaben bei der Volkshilfe Wien angehen und darüber erzählt haben, waren mehr als beeindruckend. Ich kann den Wienerinnen und Wienern versichern, dass wir in der Wiener Stadtregierung auch in Zukunft wissen, für wen wir Politik machen, für Menschen wie Herrn Müllner und Frau Gedek.

 

Doch neben der konkreten Arbeit zur Verbesserung der Lebensumstände der Wienerinnen und Wiener im Hier und Jetzt wollen wir auch den Blick in die Zukunft nicht außer Acht lassen. Da muss uns bewusst sein, Wien ist keine Insel. Die schwächere globale Konjunktur bedeutet auch für uns, dass wir uns anstrengen müssen, damit wir die wirtschaftlichen Erfolge der Gegenwart auch in Zukunft einfahren können. Ich habe daher Anfang des Jahres das Vienna Economic Council ins Leben gerufen, ein Spitzengremium aus 17 Persönlichkeiten, Vertreter aller Sozialpartner, Wissenschaftler, erfolgreiche Geschäftsführer und internationale Wirtschaftsexperten, um eine Wirtschafts- und Innovationsstrategie 2030

 

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