«  1  »

 

Gemeinderat, 60. Sitzung vom 25.11.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 92 von 100

 

GR Nikolaus Kunrath (GRÜNE)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Werte Kolleginnen und Kollegen! Einen schönen Gruß auch an die Menschen am Livestream!

 

Herr Haidinger, ich bin schon heute etwas überrascht, wenn Sie zum Thema Gewalt sprechen, an einem Tag, wo es um Gewalt gegen Frauen geht. (GR Gerhard Haslinger: Haslinger!) - Haslinger! Entschuldigung! Danke! - Und dann schaffen Sie tatsächlich die Kurve von Gewalt gegen medizinisches Personal zu Menschen, die Kriegsopfer sind und Hilfe hier in Österreich brauchen. Sie nennen das dann Kriegsversehrte, ein interessanter Ausdruck! Aber bitte, darüber können wir uns dann streiten! Aber dass Sie das wirklich vergleichen, Menschen, die im Krieg verletzt werden, mit jemandem, der am medizinischen Personal Gewalt ausübt, überrascht mich, besonders am heutigen Tag! Heute ist der 25. November. Es ist Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Da ist es nicht genug, dass es solche internationalen Aufrufe an spezifischen Tagen braucht, besonders für den Herrn Haslinger, sei es am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, oder am 27. Jänner, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts. Nächstes Jahr wird das anlässlich der 75-jährigen Wiederkehr der Befreiung des KZ Auschwitz besonders zu beachten sein. Es braucht eine Umsetzung zur Veränderung, dass es solche Tage, auch beim Herrn Haslinger, nicht zur Mahnung braucht.

 

Gewalt gegen Frauen allein ist schon schlimm genug und viel zu oft grausame Tatsache in Österreich. Dann gibt es oftmals innerhalb dieser Diskriminierungen gegen Gewalt sogenannte intersektionelle Diskriminierungen, zum Beispiel bei Frauen mit Behinderung, die als solche nicht nur auf Grund des Geschlechts, sondern auch auf Grund einer Behinderung Gewalt ausgeliefert sind. Österreich wurde Mitte Juli dieses Jahres vom Frauenrechtskomitee der Vereinten Nationen geprüft. Dabei wurde erhoben, wie die Rechte von Frauen im Sinne der Frauenrechtskonvention in Österreich umgesetzt beziehungsweise eingehalten werden, was wir in diesem Haus dazu tun sollten und wie wir damit umgehen können. Die „Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women“ wurde im Dezember 1979 von der Generalversammlung der UN verabschiedet. Das Übereinkommen trat im September 1981 völkerrechtlich in Kraft und wurde in Österreich am 21. März 1982 ratifiziert. Es ist eines der wichtigsten völkerrechtlichen Menschenrechtsinstrumente, die es gibt, besonders für Frauen. Die Vertragsstaaten werden zur rechtlichen und faktischen Gleichstellung von Frauen in allen Lebensbereichen einschließlich der Privatsphäre verpflichtet. Der Staat darf nicht nur selbst nicht gegen Gleichbehandlungsgrundsätze verstoßen, sondern muss auch aktiv dafür sorgen, dass Gleichbehandlung geschehen kann, faktische Chancen gleich in der Gesellschaft Realität werden. Er ist verpflichtet, eine aktive Politik zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen zu verfolgen. Zur jetzigen Überprüfung hat im Vorfeld Österreich einen Staatenbericht nach Genf geschickt und haben verschiedene NGOs dazu ihre Sicht auf die Situation in Österreich eingebracht und einen Bericht geschrieben. Vor Kurzem wurden die Concluding Observations veröffentlicht. Das sind die Empfehlungen des UN-Komitees an den Staat Österreich. Hier wird festgehalten, in welchen Bereichen Österreich noch Handlungsbedarf hat. Leider ist das noch viel zu oft und viel zu viel.

 

Auch wir hier in Wien werden uns in diesem Bereich weiter vorantreiben müssen und weiter arbeiten müssen, um die Rechte von Frauen umzusetzen. Einige davon wurden schon im Vorfeld von den NGOs gefordert.

 

Erstens, der Punkt 1: Die inklusive Bildung muss auf allen Ebenen ausgebaut werden, um Mädchen und Frauen mit Behinderung gleichberechtigte Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Zu diesem Punkt 1 ist zu sagen, inklusive Bildung. Ich war in der ersten Inklusions-HTL in Österreich, in der ersten HTL für behinderte und nicht behinderte Menschen in Österreich in den Siebzigern. Was war damals Einstiegskriterium neben einer Aufnahmeprüfung, die es damals noch gab? In die Schule zu kommen. Fünf Stufen im Haupteingang. Damit war klar, wer die Schule besuchen kann und wer diese nicht besuchen kann in einem drei Stockwerke hohen Gebäude ohne Lift. Solche Zeiten haben sich Gott sei Dank geändert. Die heutige Ungargasse, die Nachfolgeschule, ist um einiges besser geworden, als es die damaligen Verhältnisse waren. Wienerinnen und Wiener haben in der Zwischenzeit eine höhere Möglichkeit, wenn sie eine Behinderung haben, in solch eine Schule zu gehen.

 

Der 2. Punkt war: Die Beratungsangebote und Opferschutzeinrichtungen für Frauen, speziell für Frauen, die Gewalt erleben mussten und hier in einer Situation stehen, dass es in Österreich oftmals nicht barrierefrei genug gestaltet wird, nicht nur barrierefrei genug im Sinne der baulichen Veränderungen, sondern tatsächlich auch in allen Ebenen, Barrierefreiheit zu schaffen.

 

Der 3. Punkt ist besonders Frauen mit Behinderungen treffend. Sie werden zu oft übersehen in all unseren Programmen. In all unseren politischen Arbeiten arbeiten wir viel zu wenig für Menschen mit Behinderung. Da müssen wir uns alle selbst an der Nase nehmen, hier frauenpolitische Maßnahmen zu setzen, ganz besonders auch darauf einzugehen und entsprechende Programme abzulaufen.

 

Im 4. Punkt, und das ist mein letzter Punkt heute: Österreich muss Maßnahmen zur Beseitigung von intersektioneller Diskriminierung machen, genauso wie Wien Maßnahmen zur Beseitigung von intersektioneller Diskriminierung, die Frauen und Mädchen auf Grund ihres Geschlechtes und ihrer Behinderung erleben, schaffen und entwickeln und diese Änderungen tatsächlich auch durchführen muss.

 

Diesen Plan werden wir ganz sicher gemeinsam und gerne in entsprechender Form unterstützen! - Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger: Restredezeit der GRÜNEN wären 6 Minuten. Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Mag. Hobek. Selbstgewählte Redezeit 9 Minuten.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular