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Gemeinderat, 60. Sitzung vom 26.11.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 102

 

wo sie ohne Wohnung oder nicht mit der richtigen Wohnung dastehen und eine Wohnung brauchen und die richtige Wohnung nicht bekommen. Und da haben wir zwei eklatante Schwachstellen: Das eine ist die Vergabe der Gemeindewohnungen und das andere ist der Umstand, dass es überhaupt keine geförderten Eigentumswohnungen mehr in Wien gibt.

 

Bei Punkt 1 hat Kollege Thomas Weber von den NEOS dankenswerterweise schon sehr viel gesagt, und indem der Herr Kollege Weber hier ein langjähriges Anliegen von uns aufgegriffen hat, keimt in mir jetzt auch irgendwo die Hoffnung, dass das für andere Fraktionen gelten könnte, insbesondere die Mehrheitsfraktion in diesem Hause, und dass man sich bei der Vergabe der Gemeindewohnungen etwas grundsätzlich überlegt. Die Vergabekriterien können Sie nicht allen Ernstes so weiterbestehen lassen. (Beifall bei ÖVP und NEOS.) Sie stellen sozialbedürftigen Menschen keine Gemeindewohnungen zur Verfügung, und ich darf das an einigen Beispielen - ich habe fünf Beispiele mitgebracht - erörtern.

 

Erstes Beispiel, ein sehr extremes Beispiel: Mindestsicherungsbezieher, 885 EUR Einkommen pro Monat, nächtigt in der Gruft, weil obdachlos, ohne Wohnung. Hat er einen grundsätzlichen Anspruch auf eine Gemeindewohnung? - Hat keinen Anspruch auf eine Gemeindewohnung.

 

Beispiel Nummer 2: Ein solcher Mindestsicherungsbezieher wohnt schon in einer Wohnung, es geht ihm etwas besser, er ist dort länger als 2 Jahre gemeldet, sagen wir, er wohnt dort seit 3 Jahren in einer 40 m²- Wohnung. Er hat ein Einkommen von 885 EUR, Wohnungskosten für die Wohnung von 400 EUR. Ihm bleiben zum Leben im ganzen Monat 485 EUR. Hat er Anspruch auf eine Gemeindewohnung? - Er hat keinen Anspruch auf eine Gemeindewohnung.

 

Drittes Beispiel: Verkäuferin mit Einkommen, Eineinhalbzimmerwohnung, 60 m², Einkommen 1.200 EUR im Monat netto, 600 EUR kostet die Wohnung. Ihr bleiben 600 EUR zum Leben im Monat. Hat sie einen Anspruch auf eine Gemeindewohnung? - Kein Anspruch auf eine Gemeindewohnung.

 

Beispiel Nummer 4: Elternpaar, 35 Jahre alt, 2 Kinder, wohnen in einer Dreizimmerwohnung, 80 m². Miteinander haben sie ein Einkommen von 2.200 EUR netto, ihre Wohnung kostet sie im Monat 800 EUR. Ihnen bleiben zum Leben für die ganze Familie, alle 4 Personen, 1.400 EUR netto im Monat. Haben sie einen Anspruch auf eine Gemeindewohnung? - Kein Anspruch auf eine Gemeindewohnung.

 

Beispiel Nummer 5: Single, 29 Jahre, wohnt seit seiner Kindheit, also seit über 10 Jahren in der Villa der Eltern, 400 m² Wohnfläche, 100 m² nur von ihm bewohnt, Westflügel, 3 Zimmer, Notariatsanwärter, Einkommen 3.000 EUR netto, Wohnungskosten null. Ihm bleiben netto zum Leben für sich alleine 3.000 EUR. Hat er einen Anspruch auf eine Gemeindewohnung? Richtig, er hat Anspruch auf eine Gemeindewohnung.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr verehrte Vertreter der Sozialdemokratie, das kann doch nicht Ihr Ernst sein! (Beifall bei ÖVP und NEOS.) Das können doch nicht Ihre Vergabekriterien sein! Sie sind es nur leider Gottes. Warum wechselt tatsächlich niemand von den hunderten Personen, die in der Gruft nächtigen müssen, jemals in eine Gemeindewohnung? Ja, erstens einmal, weil sie es nicht schaffen, zwei Jahre durchgehend an einer Wohnadresse in Wien gemeldet zu sein, und zweitens einmal, weil soziale Bedürftigkeit gar kein besonderes Kriterium ist. Und deshalb bekommt auch die Verkäuferin mit 1.200 EUR im Monat keinen solchen Anspruch auf eine Gemeindewohnung, weil man sagt: Ja, sie hat keinen begründeten Wohnbedarf, sie wohnt ja schon in einer Wohnung! Dass die Wohnung viel zu teuer ist und dass sie sich die nicht leisten kann, das kommt in Ihren Vergabekriterien nicht vor, weil Sie die soziale Bedürftigkeit nicht vorsehen. Der Kollege Weber hat das bezeichnet mit: „man sollte doch auch die wirtschaftlichen Verhältnisse als Kriterium aufnehmen.“ - Einverstanden. Man muss es nicht soziale Bedürftigkeit nennen, wir können es auch wirtschaftliche Kriterien nennen. Es geht uns beiden aber um das Gleiche, wenn man sich seine bisherige Wohnung nicht leisten kann, dann soll man einen Anspruch auf eine Gemeindewohnung haben. Warum kriegen die Eltern mit den beiden Kindern in meinem Beispiel keine Gemeindewohnung? Weil hier kein Überbelag vorliegt, vier Personen, drei Zimmer, ist noch kein Überbelag, erst ab fünf Personen wäre es ein Überbelag. Und warum bekommt dieser 29-Jährige mit 3.000 EUR im Monat eine Gemeindewohnung? Warum hat der einen Anspruch darauf? Ja, deshalb, weil im Rahmen der Hausstandsgründung für alle unter 30 Jahren, die 10 Jahre oder länger bei ihren Eltern wohnen, diese Voraussetzung gegeben ist.

 

Ich habe im Internet recherchiert, es gibt hier (ein Schriftstück in die Höhe haltend) diese Broschüre Wohnberatung Wien. Es ist die umfangreichste, die ich gefunden habe, da finden sich auch diese Kriterien drinnen. Die Broschüre hat immerhin 55 Seiten und ist das Ausführlichste, was ich finden konnte. Und es sind im Wesentlichen nur drei besondere Voraussetzungen, um zu dieser Gemeindewohnung zu kommen: nämlich der Überbelag, die Hausstandsgründung und besondere Bedürfnisse.

 

Sehr verehrte Damen und Herren, Sie werden es doch nicht allen Ernstes dabei belassen? Ich glaube, dass es auch sehr wenig ist, wenn man diese drei Kriterien nur in einer sehr kursorischen und übersichtlichen Weise auf einer Seite zusammenfasst, und wir nicht verschriftlich haben, wie die Voraussetzungen nun genau sind, auf die sich dann der Einzelne auch berufen kann und sagen kann: Bitte, da falle ich darunter. Ich möchte jetzt auch so ein Wohn-Ticket mit Anspruch auf eine Gemeindewohnung haben und möchte nicht darauf angewiesen sein, dass ich auf eine Kommission verwiesen werde, wo es auch keine konkreten Kriterien gibt, auf die ich mich berufen kann, sondern ich muss halt darauf hoffen, dass vielleicht irgendwoher ein Protegé auftaucht und man dann irgendwie sagt, ja, du kriegst eine oder du kriegst keine. - Aber das ist ja genau das Gegenteil von dem, was wir wollen, das hat ja mit Trans

 

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