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Gemeinderat, 1. Sitzung vom 24.11.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 45

 

Ich habe schon am Beginn der heutigen Sitzung darauf hingewiesen, dass wir in der Vergangenheit immer wieder Terroranschläge erleben mussten, auch wenn sie Jahrzehnte zurückliegen. Das waren der sehr brutale Anschlag auf die Synagoge in der Seitenstettengasse, die Ermordung des Stadtrates Heinz Nittel, es waren Briefbombenanschläge, die auch Menschen in Wien getroffen haben - am bekanntesten war der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk.

 

All diese Ereignisse haben immer dazu geführt, dass die Wiener Bevölkerung über die Parteigrenzen hinweg, auch über Religionsgrenzen hinweg zusammengestanden ist. Das war auch in dieser Terrornacht der Fall. Es haben sich die Polizistinnen und Polizisten außerordentliches Lob verdient, die in dieser kritischen Phase sofort eingeschritten sind, aber auch Menschen aus der Zivilgesellschaft, die sich eingesetzt haben, Menschenleben gerettet haben, und, ich habe es schon erwähnt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Wien, zum Beispiel der Wiener Linien, die den Betrieb auch in dieser Terrornacht aufrechterhalten haben. Von daher ist es ein schönes Zeichen, dass die Wiener Bevölkerung auch vor Ort direkt dort, wo Menschen zu Tode gekommen sind, wo sie verletzt worden sind, ihre Solidarität bekundet haben, indem sie Gegenstände, Kerzen, Kränze abgelegt haben, um deutlich zu machen, dass Liebe, Mitgefühl und Solidarität stärker sind als Hass und Gewalt. Das ist, wie ich meine, auch typisch für unsere Stadt und auch für die Menschen, die in unserer Stadt leben. Dieses Gefühl der Solidarität sollten wir aufrechterhalten und nicht nur in Notsituationen zum Einsatz bringen.

 

Hinter uns liegen jetzt zehn Jahre einer rot-grünen Stadtregierung, die dazu beigetragen hat, dass Wien heute eine lebenswerte, eine dynamische, eine innovative Stadt ist. Von daher war die Entscheidung, eine neue Koalition einzugehen, nicht eine Entscheidung gegen eine Partei, sondern eine für einen neuen Weg, den wir in Wien beschreiten, für eine Koalition, die es sonst in Österreich noch nicht gegeben hat, in keinem anderen Bundesland. Vielleicht gibt es aber Nachahmer, die diese Koalition auch in anderen Gebietskörperschaften ausprobieren wollen. Wir wollen auf jeden Fall zeigen, dass wir die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft annehmen und dass wir, ausgehend von einer Situation, in der Wien zu den lebenswertesten und auch liebenswertesten Städten der Welt gehört, diese Millionenmetropole auch in die Zukunft führen können.

 

Das beginnt bei der unmittelbaren Corona-Hilfe in einer Gesundheitskrise, die es in diesem Ausmaß in den letzten Jahrzehnten nicht gegeben hat. Es wird darum gehen, dass wir sehr unmittelbar Maßnahmen treffen, um den Wirtschaftsstandort zu stützen, indem wir um jeden Arbeitsplatz kämpfen, uns für Ein-Personen-Unternehmen, Klein- und Mittelbetriebe einsetzen, aber auch für jene Menschen, die im Veranstaltungsbereich, in der Kulturszene tätig sind und jetzt durch die Auswirkungen dieser Corona-Krise besonders hart getroffen sind. Es geht vor allem darum, die sozialen und die wirtschaftlichen Langzeitfolgen abzufedern - diese Folgen werden gravierend sein. Wirtschaftsforscher gehen davon aus, dass der Wirtschaftsstandard von 2019 erst in zwei, drei, manche meinen sogar, erst in vier Jahren erreicht werden kann. Das heißt, wir haben gemeinsam eine lange Talsohle zu durchschreiten. Es wird dabei wichtig sein, dass wir darauf achten, zum einen niemanden zurückzulassen, den bestehenden Sozialstaat zu erhalten, vor allem die Schwächsten in der Gesellschaft zu unterstützen, und das gemeinsam mit der Sozialpartnerschaft zu tun, zum anderen auf eine starke Daseinsvorsorge zu achten, insbesondere auch auf die kommunalen Dienstleistungen, die die Stadt Wien von anderen Metropolen in der Welt unterscheidet.

 

Wir führen Wien in eine Zukunft, in der es prioritär auch darum geht, das Gesundheits- und Pflegewesen weiterzuentwickeln, Schritte im Bildungssystem zu setzen und mehr den sozialen Zusammenhalt und das respektvolle Miteinander in den Vordergrund zu rücken.

 

Wien braucht einen möglichst breiten Konsens. Das an einem Strang Ziehen war das Besondere in der Zweiten Republik, das hat uns in Österreich stark gemacht, das hat uns in Wien stark gemacht, und das sollte man nicht vergessen, wenn es darum geht, Wohlstand für die Menschen in unserer Stadt zu erzielen, Vollbeschäftigung, wenn es darum geht, auch soziale Sicherheit zu bieten. Dieses Miteinander muss über die Parteigrenzen hinweg erfolgen, gemeinsam mit den Sozialpartnern, in der Zivilgesellschaft gibt es viele Bündnispartner, die sich hier auch anbieten, aber auch in Kooperation mit den Bundesländern und den anderen Städten und Gemeinden.

 

Ich bin ja auch Präsident des Österreichischen Städtebundes und ich weiß, dass gerade jetzt in dieser schwierigen Situation Städte und Gemeinden unter einen besonderen auch wirtschaftlichen Druck kommen. Deshalb habe ich auch als Präsident des Österreichischen Städtebundes die Forderung an die Bundesregierung gerichtet, dass es notwendig ist Wirtschaftsbetriebe zu unterstützen, aber auch die Kommunen in unserem Land, die auch ganz besonders wichtig für die Erhaltung der regionalen Wirtschaft sind.

 

Dieses Miteinander ist auch das Besondere in unserer Demokratie. Ich möchte da den großen Philosophen Sir Karl Popper zitieren, der ja seine Wurzeln in Wien gehabt hat und der gemeint hat: „Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.“ - Das ist richtig. Wir haben das ja im Stadtsenat und auch im Gemeinderat sehr, sehr oft erlebt, dass wir unterschiedliche Auffassungen in Konkurrenz gesetzt haben. Das ist gut so, es sollte nur in einer Art und Weise erfolgen, dass es nicht mit persönlichen Untergriffen erfolgt.

 

Ich darf sagen, dass der Wiener Wahlkampf ein sehr harter Wettbewerb der Ideen war und - wenn man von einigen Plakaten und einigen Untergriffen absieht - im Wesentlichen aber ein Wettbewerb der Ideen war, bei dem es darum gegangen ist, der Bevölkerung auch unterschiedliche Positionen anzubieten, und das ist auch gut so. Das ist auch ein gutes Zeichen für eine Zusammenarbeit, die wir in Zukunft mehr denn je benötigen.

 

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