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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 10.12.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 21 von 106

 

der damaligen Krise laborieren wir übrigens noch heute. Die Zahl der langzeitarbeitslosen Menschen hat sich nämlich in Österreich und in Wien seit damals verdreifacht und ist auf einem gleich hohen Niveau geblieben, sie ist nicht mehr gesunken. Und in der jetzigen Arbeitsmarktkrise ist diese Zahl besonders drastisch und ruft uns zu besonderem Handeln auf. Es ist gut und wichtig, in Zeiten von vielfältigen Krisen wie die Gesundheitskrise, die Arbeitsmarktkrise, die Wirtschaftskrise echte Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Und wenn ich jetzt das vorliegende Budget für 2021 der Stadt Wien ansehe, dann frage ich mich, wo die Zukunftsinvestitionen genau sind. Ist es wirklich ein Zukunftsbudget, das wir vor uns haben? Der Kollege Ornig hat gerade gemeint: Sagen sie uns doch Alternativen! - Genau das werde ich gleich mit dem ersten Punkt tun.

 

Wie schaut es mit Investitionen in eine wirklich zukunftsfähige Wirtschaft aus? Wie fördern wir in der Stadt eine Struktur an wirklich gemeinwohlorientierten und gemeinnützigen Unternehmen, die Teil von einer Ökonomie sind, die davon ausgeht und verstanden hat, dass ein unendliches Wachstum in einer endlichen Welt nicht möglich ist und damit auch Teil einer Post-Corona-Ökonomie sind?

 

Mit der Corona-Krise - und ich glaube, das ist wichtig, das zu betonen - erlebt unsere Welt gerade eine gigantische Neuorganisation der Gesellschaft, des Alltags, der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes. Und eigentlich wird sichtbar, was diese Welt im Innersten zusammenhält und was nicht, welche Stärken unsere Systeme haben und welche Schwächen. Das zu erkennen, ist wichtig, aber nicht für eine einfach linear weitergedachte Zukunft, denn ein Zurück in eine Welt, so wie wir sie kannten, wird es nicht geben. Ein Zurück gibt es nicht, und genau darauf muss ein Budget auch reagieren, darauf, dass es kein Zurück in eine alte Welt gibt. Und in Wirklichkeit ist das eine sehr gute Nachricht. In Zeiten von massiven Umbrüchen entstehen nämlich Möglichkeitsräume, die so schnell auch nicht wiederkommen werden. Die Phase der Krise wird wahrscheinlich die unternehmerischste Zeit vieler Jahrzehnte werden. Jede Zeit am Ende oder nach einer Krise ist die Zeit von Visionärinnen und Visionären und damit auch eine Zeit des Aufbruches auf allen Ebenen. Investitionen, die diesem Gedanken, diesen Umbrüchen Rechnung tragen, müssen genau hier ansetzen. Ich glaube, wir müssen Investitionspakete schnüren, die genau so eine Art zu wirtschaften befeuern: gemeinwohlorientiert, gemeinnützig, sozial-ökologisch, Klimajobs schaffend und gleichzeitig auch Jobs für die, die am Arbeitsmarkt jetzt schon ausgegrenzt sind und jetzt schon am Arbeitsmarkt aussortiert werden.

 

Investitionen in eine Wirtschaft also, die weiß, dass die sozial-ökologische Wende nicht irgendwann kommt, sondern dass wir in Wirklichkeit schon mittendrinnen sind, eine Wirtschaft, die diese Wende beschleunigt und dort investiert und ansetzt, wo Geschäftsmodelle lokal, regional und im Grätzl angesiedelt sind. Eine Wirtschaft, die Profite nicht mehr maximiert, sondern sozial integrativ und ökologisch nachhaltig ist, und vor allem ressourcenschonend, auch mit den Ressourcen von Frauen und Männern sparsam umgeht und mit den Ressourcen dieser Welt.

 

Ressourcenschonend für Frauen und Männer: Da sind wir schon bei der zweiten wichtigen Frage von Investitionen, von diesem Budget, nämlich bei der entscheidenden Frage der Zukunft der Arbeit. Und auch diese großen Umwälzungen und Transformationen bei der Arbeitswelt im Wandel begleiten dieses Budget in Wirklichkeit nicht. Es schreibt ein bisschen ein „more of the same“ weiter im Bereich der Arbeit und im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, in Wirklichkeit wissen wir aber, dass Corona wie durch ein Brennglas gezeigt hat, dass unser Begriff und unserer Organisation von Arbeit in vielen Bereichen extrem eindimensional, nicht geschlechtergerecht und im Letzten in vielen Bereichen auch nicht menschengerecht sind. Warum? Weil wir Arbeit einzig und allein als Erwerbsarbeit definieren. Dabei gibt es viele Dimensionen von Arbeit, allen voran die Pflegearbeit und die Care-Arbeit - hauptsächlich übrigens von Frauen geleistet -, aber auch die Freiwilligenarbeit und das Engagement von vielen Bürgerinnen und Bürgern in dieser Stadt.

 

All diese Arbeit braucht Zeit. Diese Arbeit braucht auch existenzsichernde Absicherung. Und diese Arbeit ist extrem ungleich verteilt, zwischen Frauen und Männern, zwischen denen, die viel zu viel Arbeit haben, und denen, die keine Arbeit haben oder nur in Teilzeit arbeiten. Und was tun wir dagegen? Was unternehmen wir gegen diese ungleiche Verteilung von Arbeit in Wien? Beispiele aus anderen Ländern, aus anderen Städten, die Stadt Göteborg zum Beispiel, und bereits viele kleine Unternehmen zeigen, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich allen nützt. Als Stadt müssen wir uns besonders gut um die kümmern, die sich um uns gekümmert haben, während der Krise, aber auch sonst. Die PflegerInnen, die sich um alte Menschen kümmern, die KindergärtnerInnen, die sich um unsere Kindern kümmern und um die Kleinsten, von der Müllabfuhr bis zu Rettung und Feuerwehr, diese Menschen haben mehr verdient als Applaus.

 

In Zeiten von großem Wandel in der Arbeitswelt muss also eine generelle Arbeitszeitverkürzung in allen Branchen unser Ziel sein. Aber die Stadt Wien kann jetzt schon mit gutem Beispiel vorangehen und in allen Betrieben der Stadt bei vollem Lohnausgleich die Vollarbeitszeit auf 35 Stunden in der Woche reduzieren. Damit werden die Beschäftigten entlastet, 7.000 neue Arbeitsplätze geschaffen und der Lohn der Teilzeitbeschäftigten, die mehrheitlich weiblich sind, wird damit erhöht. - Und genau diesen Antrag werden meine Kolleginnen und Kollegen auch heute einbringen.

 

Wir führen heute Generaldebatte über das kommende Budget 2021. Es ist wichtig und notwendig, über die großen Linien zu debattieren, aber wenn ein Budget in Zahlen gegossene Politik ist und wir auch wirklich ernst nehmen dürfen und sollen, dass Menschen jetzt mit einem Einkommen von weniger als 1.500 EUR ihr Auskommen finden müssen, dürfen wir diese Menschen nicht vergessen. Wo finden sich die Verkäuferin, die Pflegerin, die teilzeitarbeitende Alleinerzieherin, die jun

 

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