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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 10.12.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 49 von 106

 

bietskörperschaften sind, die unter den Europäerinnen und Europäern das allerhöchste Vertrauen genießen. Das ist unglaublich viel wert, denn nur mit Vertrauen können wir unsere europäische Gemeinschaft, auf welcher Ebene auch immer, auch auf dieser Ebene, vorantreiben und unsere Zukunft gestalten.

 

Jetzt nur anschließend zu meinem Vorredner, weil sich natürlich ganz viele vielleicht auch hier in diesem Haus sagen: Ja, dazu brauche ich aber nicht Europa! Denen kann ich nur sagen, ich weiß - um vielleicht mit etwas ganz Banalem zu beginnen -, was es bedeutet, stundenlang an der Grenze zu stehen, weil der Personenverkehr beziehungsweise die Freiheit des Personenverkehrs ein Ende nimmt, und zwar nicht für den Urlaub in Antalya, sondern einfach nur, um seine Familie besuchen zu können. Ich weiß auch, was es bedeutet, wenn es keine Unabhängigkeit der Justiz gibt, keine Minderheitenrechte, sondern diese - sagen wir mal nur sehr vorsichtig - mit Füßen getreten werden. Ich weiß auf Grund meiner eigenen Familiengeschichte auch, welche Spuren ein Krieg und der Mangel an Frieden nicht nur in einer Region, in einer europäischen Region wohlgemerkt, sondern auch in den Menschen hinterlässt.

 

Die EU bleibt trotz aller Unvollkommenheit - so ehrlich muss man natürlich auch sein, das wirklich sehr ehrlich anzusprechen - Vorbild für viele, viele Regionen in einer immer turbulenteren Welt, da gebe ich meinem Vorredner recht, gerade dieses Jahr hat uns das auch noch einmal gut vor Augen geführt.

 

Im 21. Jahrhundert stellt uns nun mal die Globalisierung vor immer größere politische und wirtschaftliche Herausforderungen, aber nur gemeinsam mit unseren europäischen Partnern können wir Mitgestalter und nicht nur Zuseher auf der Zuschauertribüne der Weltpolitik und Weltwirtschaft sein. Ich glaube, und bin zutiefst davon überzeugt, dass unsere nationalen Interessen nur gemeinsam im europäischen Verbund am besten vertreten werden, dafür brauchen wir ganz klar eine starke und vor allen Dingen handlungsfähige Europäische Union.

 

Ich glaube, wir können auch ganz gut beobachten, was passiert, wenn wir uns nicht mal intern einig sind. Das EU-Budget wird momentan ja von Ungarn und Polen blockiert, ich habe vorhin gelesen, da soll es jetzt eine Einigung geben, ich bin sehr gespannt. Ich glaube aber, es ist kein Geheimnis, dass vor allen Dingen in einigen Ländern der EU die Rechtsstaatlichkeit und andere europäische Werte massiv unter Druck geraten. Wir müssen aufmerksam bleiben und dürfen das, was wir, aber vor allen Dingen die Generationen vor uns, erarbeitet und erkämpft haben, nicht jenen überlassen, die mit Populismus vortäuschen, die Probleme unserer Zeit zu lösen, die versuchen, mit Nationalismus und mit Ausgrenzung Stimmung für sich und gegen andere zu machen. Mit diesem Bewusstsein, und das immer im Hinterkopf behaltend, gehe ich als Europasprecherin in die nächsten fünf Jahre, aber auch mit dem Wissen, dass ich als gebürtige Wienerin auch immer gleichzeitig eine glühende Europäerin sein werde. Das ist eine Tatsache, die mich unendlich dankbar und stolz macht. - Vielen Dank.

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Vielen Dank, die tatsächliche Redezeit waren sechs Minuten. Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr GR Kunrath, die selbstgewählte Redezeit sind sieben Minuten. Ich erteile ihm das Wort.

 

14.44.12

GR Nikolaus Kunrath (GRÜNE)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hallo am Livestream!

 

Seit den Gemeinderatswahlen 2015 hat sich europolitisch und international sehr viel verändert, und diese Veränderungen betreffen zumindest indirekt auch Wien. Die Klimakrise verschärfte sich, Waldbrände toben von Sibirien bis Australien, die Pandemie hält die ganze Welt in Atem und führt uns in die nächste, vielleicht größte Weltwirtschaftskrise. Trotzdem erpressen Polen und Ungarn derzeit die EU, weil sie die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien als Voraussetzung zum Erhalt von EU-Förderungen ablehnen. Als Ass in diesem Poker dient das Einstimmigkeitsprinzip, das beim Beschluss des mehrjährigen Finanzrahmens 2021 bis 2027 erforderlich ist. Dass sich die EU, vor allem aber auch das Europaparlament, erfreulicherweise aber auch 25 von 27 Mitgliedsstaaten im Rat zu der Rechtsstaatlichkeitsbedingung durchgerungen haben, ist diesen beiden Regierungen ein Dorn im Auge. Sie nehmen in Kauf, ja, sie blockieren 1,8 Billionen EUR, die in den kommenden Jahren der Bevölkerung in der EU zu Gute kommen sollen.

 

Aber dies sind auch Gelder, die den Menschen in Ungarn und Polen zu Gute kommen würden, nicht zuletzt zur Überwindung der Corona-Krise und ihrer Folgen. Ich kann nur hoffen, dass die EU in diesem Erpresserkrimi hart bleibt, die krisenerprobte Ratsvorsitzende Angela Merkel, die ja noch bis Jahresende einen Ausweg suchen und finden will, wird das hoffentlich auch sehr stark tun.

 

Was hat das alles mit Wien zu tun? - Neben den EU-Milliarden, die entweder nicht ausgezahlt werden könnten oder manchmal, möglicherweise öfter in korrupte Kanäle fließen, ist auch Budapest - eine Stadt, mit der Wien seit Jahrhunderten eng verbunden ist - betroffen. Im Herbst 2019 gewann ein Bündnis die Gemeinderatswahl und den Großteil der Bezirkswahlen in Budapest, der angesehene links-grüne Gergely Karácsony wurde Bürgermeister, seither versucht die illiberale Fidesz-Regierung, die wegen eines mehrheitsfördernden Wahlrechts auch die Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderungen hat, mit allen Mitteln, der Stadtverwaltung von Budapest ihre Gelder und Kompetenzen zu entziehen und deren Politik zu blockieren. Also jene unverantwortliche Politik, die Ungarn auf EU-Ebene betreibt, wird auch im Land gegen die demokratische Opposition betrieben.

 

Wien muss Solidarität mit Budapest zeigen, durch engere Zusammenarbeit, auch durch Unterstützung der Zivilgesellschaft und durch eine klare Position. Zum Beispiel könnte Bürgermeister Michael Ludwig den Budapester Bürgermeister einladen, so im Gemeinderat zu sprechen, wie das seinerzeit schon Helmut Zilk mit dem legendären Jerusalemer Bürgermeister Teddy Kollek getan hat. Die Aufnahme der Central European Universi

 

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