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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 11.12.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 7 von 101

 

der Großbühnen, ein Infrastrukturtopf. Das wollten wir schon längst vorantreiben. Außerdem wird Fair Pay in allen Budgets verankert. Das sind super Projekte, da werden wir sicherlich mitgehen.

 

Allerdings bleibe ich beim Nachrechnen der Maßnahmen ein wenig ratlos zurück. Allein wenn man Fair Pay entlang der Vorschläge der IGs umsetzen und bei den Förderungen berücksichtigen würde, müsste man die Summe im Fördertopf um 20 bis 30 Millionen EUR erhöhen. Das sehe ich jedoch nicht im Budget verankert, und da ist noch keine Inflationsabgeltung mitgerechnet, ganz im Gegenteil. Das sogenannte größte Kulturbudget aller Zeiten - natürlich in Wien, wie man dazusagen muss - wurde nur um schlanke 3 Millionen im Vergleich zum letzten Jahr erhöht. Das ist schön. Dass das ein Mehr ist, ist klar. Aber allein die öffentlich angekündigten Verbesserungen im Budget würden, grob gerechnet, 7 Millionen ausmachen, und eine Inflationsabgeltung für Großbühnen sowie eine Aufstockung für die freie Szene sind nicht aus dem Budgetvoranschlag abzulesen. Geld für langfristige Strukturveränderungen, die man gar partizipativ gestalten würde, sehe ich auch nicht. Aber das kann ja noch kommen.

 

Die mittelfristige Budgetplanung für die nächsten fünf Jahre zeigt allerdings das Gegenteil. Wir sind heuer am Höhepunkt des Budgets. Schon für 2022 fällt das Budget um 5 Millionen zurück, und für 2023 sind sogar 23 Millionen weniger veranschlagt. Das heißt, wir werden uns ranhalten müssen, und das trotz der Corona-Krise, deren Nachwirkungen wir wohl 2023 noch nicht überwunden haben werden.

 

Dabei wurden wir aber durch die Corona-Krise - auch das wurde schon angesprochen - auf die strukturellen Schwächen und auch auf den finanziell zu engen Rahmen deutlich hingewiesen. Die Krise in den Kulturbetrieben und unter den KulturarbeiterInnen war schon vorher da. Die strukturellen Schwächen sind schon seit Jahren spürbar und bekannt. Es gibt die Studie der sozialen Lage von KünstlerInnen in Österreich. Diese kennen Sie sicherlich auch. Sie ist 2018 herausgekommen, also noch deutlich vor der Corona-Krise, und aus dieser geht hervor, dass 37 Prozent der Kunstarbeiter und -arbeiterinnen vor einem Gesamteinkommen unter der Armutsschwelle stehen: 37 Prozent! Für rund 50 Prozent liegt das jährliche Nettoeinkommen aus künstlerischen Tätigkeiten unter 5.000 EUR im Jahr. 5.000 EUR sind es im Jahr und nicht im Monat! Und die Lücken in der sozialen Absicherung sind nach wie vor besorgniserregend und weitverbreitet. 42 Prozent der darstellenden KünstlerInnen haben keine durchgängige Pensionsversicherung. Auch in der Krankenversicherung fehlt je nach Kunstsparte für zwischen 5 und 17 Prozent der KünstlerInnen ein durchgehender Versicherungsschutz.

 

Bis auf ein paar Glückliche nimmt die überwiegende Zahl der KünstlerInnen seit den 90er Jahren an einem gigantischen Feldversuch über die Zukunft der Arbeit teil. So bezeichnen das manche zynisch. Das Experiment mit flexibleren Formen des Wirtschaftens könnte ja eigentlich interessant sein, wäre es nicht über weite Strecken mit der Zumutung des Prekariats verbunden. Die Altersarmut ist da programmiert. Durch die mitunter komplexen Beschäftigungsverhältnisse in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern, künstlerisch, kunstnahe, kunstferne, können verschiedene Modelle verpflichtender und optionaler Versicherungen zu tragen kommen. Gemeinsam ist ihnen das Prekariat, das Jonglieren mit verschiedenen Einkommen und teilweise planbaren Arbeitszeiten. Das ist für die meisten Alltag.

 

Die neu dazugekommenen Herausforderungen durch Corona für die Betroffenen neben dem unsicheren Einkommen aus der künstlerischen und kunstnahen Arbeit bestehen darin, dass jetzt auch die Nebentätigkeiten wegfallen, zum Beispiel in der Gastronomie, im Ticketing oder im Handel, denn auch das findet ja nicht statt. Übrig bleibt die Sorge, wie man die nächste Miete bezahlen soll.

 

Was Corona im Detail für Kunstschaffende bedeutet, wird in einer weiteren Studie des WIFO vom Juni 2020 ausgeführt. Das war noch vor dem zweiten Lockdown, und trotzdem sind die Diagnosen erschreckend. Unter dem Titel „Ökonomische Bedeutung der Kulturwirtschaft und ihre Betroffenheit in der Covid-Krise“ stellen die AutorInnen fest: Mehr als ein Viertel der Erwerbstätigen des Kulturbereichs ist selbstständig. Das wissen wir. Das sind rund 27 Prozent, im Bereich der bildenden Künste sind es sogar 75 Prozent. Dazu ein Vergleichswert zur Gesamtwirtschaft: Dort sind nur 9,4 Prozent freischaffend, also selbstständig.

 

Es ist also zu befürchten, dass der gesamte Kunst- und Kulturbereich rund ein Viertel seiner in den letzten Jahren erbrachten Wirtschaftsförderung durch die pandemiemäßigen Krisen einbüßt. Das bedeutet ein Viertel weniger Einkommen für alle, und da sind die großen Betriebe auch dabei.

 

Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Krise das sogenannte Kapital des Kunst- und Kulturbereichs vermindert, sodass längerfristig mit mehr Einbußen zu rechnen ist, dass einige Kunst- und Kultureinrichtungen insolvent werden oder dass Künstlerinnen und Künstler aus wirtschaftlichen Gründen den Beruf aufgeben müssen.

 

Das ist die Diagnose. Und Wien wird davon besonders stark betroffen sein, weil rund die Hälfte der durch die Krise ausgelösten Wertschöpfungsverluste in Wien stattfinden wird. Die AutorInnen rechnen mit bis zu einer Milliarde. Ich meine, das sind schon Größenordnungen, die uns beschäftigen müssen.

 

Sozialpolitisch besteht die große Herausforderung speziell in den besonders prekären Beschäftigungsverhältnissen im Kulturbereich, die dafür sorgen, dass viele im Kunst- und Kulturbereich Tätige besonders stark krisenbetroffen sind. Große Teile der im Kultursektor Arbeitenden sind, wie schon gesagt, im hohen Maß selbstständig und vor allen Dingen mit relativ geringen Verdiensten ausgestattet. Diese prekär Beschäftigten sind aber für einen wesentlichen Teil der künstlerischen Inhalte verantwortlich, ohne die nur wenige der genannten Kunstinstitutionen überhaupt bestehen könnten. Somit ergibt sich in der Krise die Situation, dass in staatlichen Betrieben die Künstler und Künstlerinnen einiger

 

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