Gemeinderat, 2. Sitzung vom 11.12.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 101
stattfinden. Diese Ideen kommen nicht aus einem Lehrbuch für Bautechnik oder Stadterneuerung, sondern aus einer Studie der Arbeiterkammer Wien aus dem Jahr 2018. Diese hat untersucht, wie leistbarer Wohnraum geschaffen werden kann und gibt Empfehlungen für die Nachverdichtung in Wien.
So sagt diese Studie auch, dass mitten in Wien so viel Wohnraum wie in der Stadt Graz geschaffen werden könnte, und das ganz ohne neue Grünflächen am Wiener Stadtrand zu kaufen oder zu verbauen, denn möglich wäre eine Erhöhung auch schon jetzt durch Ausbau, Aufstockung und Nachverdichtung der bereits bestehenden Gebäude. Laut dieser Arbeiterkammerstudie könnte Wiener Wohnen so Platz für 130.000 zusätzliche Wohnungen auf bereits vorhandenen und gewidmeten Grundstücken mobilisieren. Ich persönlich finde ja gut, wenn dann der ehemalige Präsident der Österreichischen Arbeiterkammer diese Expertise der Arbeiterkammer nun auch im Gemeinderat einbringen kann.
Die Überlegungen gehen aber noch weiter: Diese Nachverdichtung kostet die Stadt Wien keine Grundkosten, weil ja die Grundstücke schon in deren Besitz sind. Dadurch fällt einer der größten Kostentreiber im Wohnbau weg, auch Mieten könnten so erheblich niedriger sein und leistbares Wohnen schaffen. Aber womit wird die Nachverdichtung derzeit primär möglich gemacht? - Das ist die Wohnbauförderung. Und ich bin überrascht, dass GRin Dipl.-Ing. Arapović vorhin gesagt hat, ja, wir wollen Investitionen tätigen, weil genau diese wird von der rot-rosanen Stadtregierung reduziert. So werden in diesem Budget die Budgetansätze für den geförderten Neubau und die Wohnhaussanierung massiv gesenkt. Die Wohnbauförderung für Neubau wird um 25 Prozent auf 232 Millionen EUR gesenkt, und die Förderung der Wohnhaussanierung sogar um 38 Prozent auf 147,5 Millionen EUR. Damit werden in Summe 170 Millionen EUR an Mitteln für die Nachverdichtung in der Stadt abgebaut, das entspricht zirka 1.000 Neubauwohnungen oder 3.500 Wohnungssanierungen, die nicht realisiert werden können. Ich finde es schade, dass die rot-rosane Koalition uns diese rückwärtsgerichtete Politik als Fortschritt verkaufen will.
Früher, im Oktober dieses Jahres, hat der Regierungspartner NEOS die Studie der Arbeiterkammer im eigenen Wahlprogramm noch selber zitiert. Dort heißt es: „Dringend gebrauchter Wohnraum könnte dadurch rasch in Gegenden angeboten werden, wo bereits ausreichend Infrastruktur besteht.“ - Ja, liebe NEOS, ich glaube, das wäre genug Motivation, um unserem Beschlussantrag auch gleich zuzustimmen.
Aber auch die SPÖ, die ja nun ihren ehemaligen Koalitionspartner an grünen Ideen übertrumpfen will, kann mit einem Bekenntnis zur städtebaulichen Nachverdichtung das Ziel einer klimafitten Stadtentwicklung leicht realisieren, denn die nachträgliche Verdichtung bietet Potenziale für den Klimaschutz und treibt die thermische Sanierung weiter voran. Auch die entstehenden Grünflächen am Dach wirken der zunehmenden Überhitzung entgegen. Sagen Sie Ja zu einer Nachverdichtung als Maßnahme der Verbesserung der CO2-Bilanz in unserer Stadt!
Aber auch die Damen und Herren der Grünen hätten genug Gründe, hier zuzustimmen, die Forderung nach Schutz der Grünflächen am Stadtrand und der Nichtverbauung des ländlichen Raums kann so leicht erreicht werden. Wenn innerhalb der Stadt nachverdichtet wird, dann brauchen wir die großen Stadtentwicklungsgebiete am Stadtrand vielleicht gar nicht mehr. Wir von der neuen Volkspartei stimmen heute auch beim Beschlussantrag der Grünen zum Thema 5.000 zusätzliche Gemeindewohnungen zu, aber ich finde es schon verwunderlich, dass die Grünen genau das fordern, was sie bis vor Kurzem in der letzten Regierung selbst nicht geschafft haben, die angekündigten 2.000 Gemeindewohnungen, die bis heuer, nämlich 2020, hätten realisiert werden sollen, sind sich bei Weitem nicht ausgegangen.
Ein Aspekt der Nachverdichtung auch aus Sicht der Sozialdemokratie darf natürlich nicht vergessen werden: Die Sanierung von Altbau erfordert zwar mehr Planung und ist aufwändiger als der Neubau auf der grünen Wiese, aber die Sanierung schafft damit vergleichsweise mehr Arbeitsplätze für die Handwerkerinnen und Handwerker der verschiedenen Gewerke am Bau.
Im Koalitionsabkommen von NEOS und SPÖ findet sich zumindest ein Bekenntnis zur sanften Nachverdichtung in der Stadt und im Gemeindebau. Jetzt gilt es, diesem Bekenntnis nachzukommen und die Nachverdichtung in Wien zu fördern und umzusetzen. Allzu sanft sollte diese Umsetzung aber nicht sein, denn entweder bekennen Sie sich zu den Potenzialen der Nachverdichtungsmaßnahmen, um bereits vorhandene und infrastrukturell gut erschlossene Flächen noch besser nutzen zu können, wie in Ihrem Koalitionspapier zu lesen ist, oder nicht. Nur so schaffen Sie zusätzlichen leistbaren Wohnraum und entwickeln unsere Stadt weiter.
Werte Damen und Herren der Fortschrittskoalition! Geben Sie mir als neu gewähltem Mitglied dieses Gemeinderates das Gefühl, dass die von der neuen Volkspartei geforderte Strategie zur Nachverdichtung der Stadt auch realisiert wird, nicht weil der Antrag so neu wäre, sondern weil er sinnvoll ist! Schaffen Sie ein Wien der besten Ideen, wie Finanzstadtrat Hanke gestern sagte! - Vielen herzlichen Dank.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Die Redezeit sind 10 Minuten gewesen, fraktionelle Restredezeit 22 Minuten. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Karner-Kremser. Ich erteile es ihr. Selbstgewählte Redezeit 20 Minuten.
GRin Waltraud Karner-Kremser, MAS (SPÖ): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Hohes Haus!
Herr Kollege Sittler, schön, dass Sie sich freuen, dass Sie so einen tiefen Schnitt mit 41,7 Jahren haben. Sie selber tragen ja nichts dazu bei - ich habe nachgeschaut, Sie sind ja schon 47 -, aber das macht ja nichts, denn ich stehe dazu, dass 50-Jährige auch ein Standing in der Stadt haben und mitentscheiden sollen, was passiert. Ich gehöre ja selbst dazu.
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